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Der Auftrag bleibt

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Die FURCHE ist in diesen Tagen in der ernstesten Existenzkrise seit ihrer Gründung durch Friedrich Funder vor mehr als dreißig Jahren gestanden: ein unlösbares Finanzierungsproblem schien ihre weitere Herausgabe als Wochen zeitung ernsthaft in Frage zu stellen. Die Einstellung der FURCHE mit der vorliegenden Nummer schien so gut wie beschlossen.

Als in der österreichischen Öffentlichkeit dieser Umstand bekannt wurde, hat dies eine von uns weder erwartete noch produzierte Wirkung hervorgerufen. Zeitungen aller politischen Lager und auch der ORF haben sich zu Wort gemeldet und deutlich gemacht, was eine Einstellung der FURCHE bedeutet hätte: den Verlust einer Insel des freien Wortes, des ehrlichen Meinungsjournalismus und eine Niederlage der katholischen Intellektuellen Österreichs. Eine ausländische Zeitung schrieb dieser Tage, daß es eine wahre „Blamage“ für Österreich wäre, müßte die FURCHE an eineinhalb Millionen Schilling scheitern ...

Die österreichische Bischofskonferenz und andere Kreise haben nun am Fortbestand der FURCHE als rein österreichische Publikation so lebhaftes Interesse bekundet, daß sich die FURCHE-Zeitschriftenbe-triebs Ges. m. b. H. & Co. KG, entschlossen hat, die Zeitung in ihrer bisherigen Form weiterzuführen. Die FURCHE-Gesellschaft hat darüber hinaus ein Arbeitskomitee von Finanz- und Medienfachleuten beauftragt, das das kommerzielle und publizistische Konzept für die Weiterführung aufstellen wird.

Mit Recht darf an dieser Stelle an den Auftrag und die Funktion der FURCHE erinnert werden: sie muß ein publizistisches Organ sein, das den Mut zur „Grenzüberschreitung“ im intellektuellen Raum besitzt. Hier, in dieser Zeitung, ist aber das christliche Gesellschaftsbild meinungsbildend und in dieser Zeitung wird die Auseinandersetzung mit anderen Gesellschaftsbildern vor sich gehen. Diese Zeitung glaubt

daran, daß nach wie vor Politik nach den Normen des Naturrechts gestaltet werden kann, und das ist keine verzopfte spätkapitalistische Ideologisierung, sondern ein Bekenntnis zur Humanitas, zur Würde und Freiheit des menschlichen Individuums in sozialer und politischer Sicherheit. Aber weil dieses Ziel mit uns Christen auch andere anstreben, wollen wir — manchmal gemeinsam, manchmal getrennt — gegen Gleichgültigkeit, Dummheit und Böswilligkeit kämpfen.

Im Impressum der FURCHE steht, daß sie eine „unabhängige kulturpolitische Wochenzeitung“ ist. Was ist „unabhängig“? Sicher, nur ein Adjektiv. Aber es will doch klarstellen, daß man in dieser Zeitung der Gewissensfreiheit des Schreibenden eine Chance gibt — und damit der Selbstverantwortlichkeit des Journalisten und Publizisten eine Möglichkeit der Verwirklichung einräumt. Seit dem Bestehen der FURCHE wurde hier niemand zensuriert und niemand zu etwas gezwungen, was er mit seiner Überzeugung nicht vereinbaren konnte. Dies war unter Friedrich Funder ebenso, wie unter der redaktionellen Leitung von Kurt Skalnik, Willy Lorenz und mir.

Und „kulturpolitisch“? Nun, der Kulturbegriff ist im modernen Sprachgebrauch und selbst in der wissenschaftlichen Literatur ein sehr vager. Was die FURCHE als ihren Auftrag ansieht, ist das Plädoyer für jenes Plus mitmenschlicher Kontakte, das das Leben erst lebenswert macht. Kultur in diesem Sinn bildet der geistige Freiheitsraum des Menschen, im Rahmen dieser Freiheit auch Schönes und Zeitloses zu produzieren. Humanitas austriaca — das umschließt die Verpflichtung, kulturelles Erbe zu wahren und Neues zu schaffen. Und deshalb ist die FURCHE auch jene Zeitung, in der die kulturell Schaffenden, die Künstler, Literaten, Publizisten ihre Plattform fanden und finden.

Die Sicherung des Weiterbestandes der FURCHE ist uns ein Auftrag. Die Redaktion fühlt sich verpflichtet, jenen zu danken, die uns in diesen Tagen unterstützt haben. Daß wir an einer langfristigen und dauerhaften Sanierung dieser Zeitung interessiert sind, wird man verstehen. Jenen Persönlichkeiten, die sich nunmehr um die Herausgeberschaft bemühen werden — vor allem Wolfgang Schmitz und Hanns Sassmann — gebührt unser Dank; gerade sie werden verstehen, daß zusammen mit der Redaktion auch die Leserschaft — eine sehr treue Leserschaft — eine gute, qualitativ hochwertige Zeitung haben will.

Ein herausgeberisches und redaktionelles Konzept soll die alten Zielsetzungen an neue, junge Leserschichten herantragen. Neue graphische Vorstellungen, die sich an erfolgreichen internationalen Vorbildern orientieren, liegen in den Tischladen der Redaktion. Interessante Persönlichkeiten des österreichischen Geisteslebens haben sich zur Mitarbeit — und als Kolumnisten — bereit erklärt.

An der Redaktion soll es nicht liegen, daß diese Zeitung ihrem Erbe auch unter geänderten Vorzeichen in den kommenden Jahren treu bleibt. All jenen aber, die uns in diesen Tagen ermunterten, uns unerwartete Beweise der Sympathie entgegengebracht haben und schließlich auch unterstützt haben, möchten wir danken — herzlich danken.

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