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Österreich - Versuchsstation für humane Kommunikation

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Die Welt kommt gerne nach Österreich - die Welt kommt gerne nach Wien! Dies erweist sich wieder einmal, da unser Land nach zwanzig Jahren zum zweitenmal ausersehen ist, den Weltkongreß der katholischen Presse aufzunehmen. Am elften Weltkongreß der „Union catholique internationale de la presse“ (UCIP) vom 10. bis 16. Oktober in Wien werden mehr Verleger und Journalisten als je zuvor teilnehmen. Gegen fünfhundert Tagungsteilnehmer haben sich angemeldet, erstmalig werden alle Kontinente dieser Erde vertreten sein, eine starke Gruppe von Delegierten der Dritten Welt wird dem Wiener Kongreß seine eigene Note geben und auch unsere Freunde und Kollegen aus den osteuropäischen Staaten werden in repräsentativer Anzahl erwartet.

Die Welt kommt gerne nach Österreich, sie kommt auch gut in dieses Land trotz aller beunruhigender Turbulenzen, weltpolitischer Spannungen und schmerzlicher Trennungen. Oder kommt man vielleicht gerade deshalb zu uns?

Diese Frage scheint mit der Sehnsucht nach einer vermeintlichen „Insel der Seligen“, nach einem Ort lebendiger, traditionsgesättigter Kultur, nach Elegie und Nostalgie nur unzulänglich beantwortet. Es ist, so glaube ich, doch in erster Linie die Erwartung an einen Ort der Begegnung in voller Offenheit, in Freiheit und geistiger wie politischer Besonnenheit. Es ist sicherlich auch die Erwartung an einen Ort, der, stark in seinen christlichen Traditionen wurzelnd, ob bewußt oder unbewußt, ob verdrängt oder bedrängt, um eine neue Identität im Katholizismus zu ringen hat.

Damit wollen wir Österreicher als Gastgeber dieses Kongresses uns kein Selbstzeugnis ausstellen, wohl aber sollte damit den Erwartungen unserer Gäste nachgespürt werden, die nichts anderes bedeuten als Verpflichtung.

Ehrenvolle Verpflichtung bedeutet -es auch, daß man Österreich für den Jubiläumskongreß der UCIP ausgewählt hat. In weltweiter Gemeinschaft wird in Wien das fünfzigjährige Bestehen der UCIP gefeiert werden. Und es soll gerade an dieser Stelle- vermerkt sein, daß an der Gründung dieser Weltorganisation 1927 der Vater der FURCHE, Dr. Friedrich Funder, damals schon 55 Jahre alt, maßgeblich beteiligt war. Allen Teilnehmern des Wiener UCIP-Kongresses von 1957 wird noch erinnerlich sein, daß auch der fünfundachtzigjährige Friedrich Funder als eine wahre Patriarchengestalt noch aktiv für die internationalen

Belange katholischer Pressearbeit eintrat.

Eine besondere Verpflichtung bedeutet auch das Kongreßthema „Eine Presse für den Menschen“. Mit Bedacht wurde dieses Thema gewählt. Es schließt unmittelbar an die zentrale Thematik des letzten Weltkongresses von Buenos Aires vor drei Jahren an. Damals wurde die Frage behandelt, „Die Ethik des Journalismus“.

Die Situation der Massenmedien ist immer in einem direkten Konnex mit der Situation einer Gesellschaft und ihren Entwicklungen zu sehen. Der österreichische Politikwissenschaftler Norbert Leser schrieb kürzlich:

„Gerade dadurch, daß die religiös feindlich bis gleichgültig gewordene Umwelt den Gläubigen den traditionellen Rückhalt entzieht und sie permanent verunsichert, stellt sie die traditionellen Christen auf die Probe und fordert ihnen ein höheres Maß an Reflexion und Bewußtsein ab, als sie den Christen unter dem Schutz fördernder sozialer Mächte und Institutionen in der Vergangenheit eigen war.“

Ohne Zweifel, die weltweite Tatsache, daß Christentum und Kirche auf die Probe gestellt sind, bedeutet auch, daß eine katholische Presse auf die Probe gestellt ist.

Gerade der Publizist spürt Tag für Tag das Drängen dieser Welt in eine ungewisse Zukunft. Gerade der katholische Publizist aber, dessen letzte und eigentliche Motivation aus der Kraft und aus der Verheißung des Glaubens kommt, muß sich die Frage stellen, welche Zukunft dies sein wird: eine Zukunft vertiefter Menschlichkeit, eines sicheren Friedens, einer völkerumgreifenden Zukunft, in der auch die Verkündigung des Christlichen gesprochen und verstanden wird; oder ob ein Zeitalter des Terrors, der Beherrschung der Menschen durch Machtapparate, der Gewissensnöte, der Sinnlosigkeit gottfemer Zivilisation, ob ein saeculum obscurum kommt. Er steht in besonderer Weise vor der Frage, ob das Phänomen Massenkommunikation nur ein Machtphänomen sein wird. „Eine Presse für den Menschen“ : Dieses Thema ist die eigentliche Legitimation für einen Weltkongreß dieser Art.

Die Kodifikation der Menschenrechte wie auch alle kirchlichen Dokumente und Dekrete über die Massenmedien verweisen uns auf die Verantwortung des Publizisten dem Menschen gegenüber. Die freie Partnerschaft der -Menschen von heute darf keine Medien kennen, die für sich bloß Selbstzweck sind. Weder im politischen noch im wirtschaftlichen Sinn.

Die Medien müssen wieder anders verstanden werden als Instrumente zur Beherrschung des Menschen. Schon vor rund hundert Jahren nannte der deutsche Wissenschafter Albert Schaeffle die Presse den „sozialen Nervenapparat“ der Gesellschaft. Die Salzburger Humanismusgespräche formulierten 1974 die Aufgabenstellung in der Mediengesellschaft: „Nur in enger Zusammenarbeit jener Sozialwissenschaften, die davon ausgehen, daß die Hervorbringung von Sinn die primäre Intention des

Menschen ist und Sinnverstehen das Wesen aller menschlichen Kommunikation, wird man zu einem humanistischen Kommunikationsbegriff gelangen können.“ i

Darum hat dieser Kongreß seine Problematik nicht auf die eigenen Fachinteressen und berufsinternen Standpunktbestimmungen ausgerichtet, sondern ausschließlich die Frage auf den Menschen als Empfänger unserer Botschaften zentralisiert.

Nicht das anonyme Publikum und der Lesermarkt stehen in Wien zur Debatte, sondern der konkrete Mensch im Kommünikationsprozeß. Der Mensch mit Leib und Leben, mit seinen Leiden und Sehnsüchten, mit seinen Erwartungen und seinem geistigen Bedarf, mit seiner einmaligen Würde. Es geht um das Begreifen des heute an den katholischen Publizisten gestellten Auftrages. Denn auch für den inneren Bereich der Kirche ist die Presse als „Nervenapparat“ der Gemeinschaft der Gläubigen zu erkennen.

Wo die Instrumente der Massenmedien als ein „Netzwerk der Macht“ den Menschen in Welt und Kirche entgegenstehen, sind Entwicklungen und Gefahren zu eruieren. Wo unsere Sprache und gerade auch jene Sprache, mit der wir von Gott reden, den Menschen heute nicht mehr erreichen kann, dort hegt die gewissenserforschende Aufgabenstellung für den Medienspezialisten. Wo unser Wirken durch das Wort konkretisierte Menschenliebe sein müßte und etwa allzusehr in der journalistischen Selbstdarstellung befangen bleibt, dort hat der Kongreß seine Überlegungen anzustellen.

Die Welt kommt gerne nach Österreich, die Vertreter des katholischen Pressewesens der ganzen Welt kommen mit großen Erwartungen. Der hierzulande gerade von Publizisten sicherlich auch zurecht, aber oft auch recht unreflektiert verehrte Karl Kraus hat in der dem Österreicher so sehr gelegenen Selbstpersiflage einmal Österreich als „Versuchsstation für den Weltuntergang“ genannt. Durch diesen Weltkongreß der katholischen Presse sollte Österreich zu einer „Versuchsstation für eine weltweite und neue humane Kommunikation“ werden.

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