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Die Stunde der Lehrerschaft

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Wenn im Spätsommer dieses Jahres die Vertreter der katholischen Lehrerorganisationen aus mehr als 40 Staaten in Wien zum III. Internationalen Kongreß der UMEC (Union Mondiale des Enseignants Catholiques) zusammentreten, so wird diese große Tagung unter dem Leitgedanken „Die Rolle des Lehrers im internationalen Leben“ stehen. Dabei ist an „Rolle" im höchsten Sinne des Wortes zu denken, eben so, wie der gläubige Christ seine Lebensaufgabe als Rolle im großen Welttheater Gottes ansehen soll.

Es ist eine Frucht des Heiligen Jahres 1 9 5 0, daß seither die katholische Lehrerschaft der ganzen Erde ihre internationale Vereinigung in der UMEC besitzt und damit über jenes Integrationsorgan verfügt, das in der Welt von heute — sie ist eine solche der internationalen Beziehungen — für die Vertretung eines jeden bedeutenden Anliegens erforderlich erscheint.

Wien ist als Tagungsort dieser großen Manifestation des katholischen Lehrstandes nicht nur um aller jener Vorzüge willen gewählt worden, die diese Stadt zum Platz so vieler internationaler Treffen macht, sondern auch des-., wegen, weil hier der Gedanke eines Weltverbandes katholischer Pädagogen zum erstenmal Gestalt angenommen hat, nämlich beim Internationalen Eucharistisehen Kongreß des Jahres 19 12. Nun kehrt die Verwirklichung dieser Idee auf höherer Ebene hierher zurück.

Wenn wir uns aber wieder dem Generalthema des Kongresses zuwenden, so betrifft dieses das stärkste Anliegen des Lehrstandes in der Gegenwart überhaupt. Es .ist ja die Funktion des Lehrers in der menschlichen Gesellschaft, der erste und allgemeinste Kulturvermittler zu sein. Daher besitzen Kulturvölker einen Lehrstand; das Kulturniveau und -gefiige ist weitgehend durch Haltung und Leistung der Lehrerschaft in solchen Völkern und Ländern mitbestimmt.

Treten aber bedeutende neue Probleme des kulturellen Lebens auf, entstehen Spannungen oder Zäsuren, so wird es immer die verantwortungsvolle Aufgabe der Lehrerschaft, von den Grundlagen her der neuen Entwicklung entgegenzukommen und ihr die richtigen Wege zu bahnen. — Dann ist wieder einmal die große Stunde des Lehrers da! Wir scheinen vor einer solchen Ztr stefrerr.’;- i3 4' ,"""

’kleän”rfP vöjf'he’ut'e, soweit' es in ihr eine freie Entwicklung gibt, läßt sich in zwei Bereiche abgreüzen, in denen die kulturell-pädagogische Problematik sehr verschieden liegt. Da sind — uns zunächst — die Völker des westlichen Kulturkreises. Für sie besteht das aktuelle Bildungs- und Erziehungsproblem in der zivilisatorischen Lleber- flütung des Lebens und in der Auflösung der natürlichen Gesellschaftsordnungen. Sie haben um die geistige und sittliche Bewältigung einer Einzahl von neuen Errungenschaften zu kämpfen, ihre Jugend erlebt die Veränderung des Entwicklungsrhythmus und das Auftreten zahlreicher Zivilisationsschäden.

Daß in dieser „westlichen“ Welt dem Lehrer viele neue und zusätzliche Aufgaben erwachsen, die weit über die traditionelle Tätigkeit dieses Standes hinausreichen, ist wohl einleuchtend. Vor unseren Augen vollzieht sich eine Umstellung, erwachen Anliegen der menschlichen Gesellschaft, die nur noch durch den Lehrer und durch sonst niemanden bewältigt werden können. — An der Wende eines Zeitalters, wie wir sie erleben, gewinnt das Wirken des Lehrers in Schule und Volkserziehung eine umfassende neue Bedeutung.

Ganz anders liegen die Dinge für jenen weiten Bereich der Erde, dem die sogenannten „unterentwickelten Länder“ angehören. Auf sehr verschiedenen, zum Teil primitiven, zum Teil halbzivilisierten Stufen stehend, sind die Völker dieser Länder nun in spannungsreiche kulturelle und soziale Lebensbedingungen geworfen. Urplötzlich und vielfach ganz unvorbereitet, sind sie in eine Weltzivilisation einbezogen, die nicht auf ihrem Boden erwachsen ist. Wer dächte da nicht an das, was sich jetzt in weiten Gebieten Afrikas anbahnt und der Lösung wartet?

Jedenfalls aber ist es nun so, daß in diesen „unterentwickelten Ländern" das S c h u 1- wesen auf einmal eine gewaltige Rolle spielt. Sein Ausbau ist Gegenstand nationaler und internationaler (UNESCO!). Bemühungen. Man muß der unermeßlichen Schwierigkeit Herr werden,, die darin besteht, daß noch immer die Hälfte aller Menschen Analphabeten sind und daß dieser Teil der Menschheit daher noch nicht die Grundvoraussetzung für die Teilnahme an der Kulturwelt von heute besitzt.

Und das ist die Stunde des Lehrers in Asien, Afrika, Südamerika! Es entsteht dort rasch ein L e h r s t a n d, vielfach traditionslos, aber anderseits mit reichen Hilfsmitteln bedacht und — geistig umworben von vielen. Seiten. Er ist heute und morgen mit der entscheidenden Aufgabe der Ueberwindung des Analphabetentums betraut, aber er erschließt auch den Massen die Zugänge zur neuen Weltkultur und zur neuen Sinndeutung des menschlichen Daseins unter den gewandelten Bedingungen. Der junge Lehrstand dieser Völker tvird den Status „Unterentwickelt“ so oder so überwinden.

Nicht überall ist er völlig ohne Tradition. Es ist für ihn und für die Erfüllung seiner Aufgaben ein Glück, wenn er aus bodenständigen Erziehungseinrichtun gen erwächst; ein noch größerer Segen ist es, wenn dieser neue weltliche Lehrstand an die Tätigkeit der Missionsschulen ankniipft und sie auf breiter Basis fortführt.

Damit sind wir bei sehr wesentlichen Fragen weltanschaulicher Art angelangt, die für den Lehrer edete,-„ restlichen“ - wie der ' unterentwickelten“ Lander doch wiederum Grunde die gleichen sind.

Es wird für die kommende Weltkultur, wie sie die Schulen auf der ganzen Erde bewußt oder unbewußt vorbereiten, ganz entscheidend sein, ob sie eine solche des Glaubens oder LI n- g 1 a u b e n s ist, um das Goethe-Wort über das Grundthema der Menschheitsgeschichte an-

zuwenden. Aus gläubiger oder ungläubiger Grundhaltung von Schule und Lehrerschaft her fällt die Entscheidung darüber, ob die künftige Bildung der Völker von materialistischen und kollektivistischen Ideen bestimmt wird oder nicht. Die Gefahren in dieser Richtung sind groß; sie sind es für die am Beginn eines neuen Zeitalters stehenden Menschen des westlichen Kulturkreises wie für die neu antretende farbige Welt.

Ist es in diesem Stande der Dinge nicht eine Gewissenspflicht für die gläubigen Lehrer hüben und drüben, sich zusammenzuschließen zur Pflege ihrer großen gemeinsamen Aufgabe und zur überzeugten Aktivierung ihres Standes, wie sie es in der UMEC getan haben? Katholisches Lehrertum ist ja seinem Wesen nach zur Internationalität bestimmt. Wenn es nun auch die Formen der internationalen Zusammenarbeit gewinnt, ist das die Erfüllung einer providentiellen Sendung in entscheidender Liebergangszeit. — In dieser Gesinnung und Absicht arbeiten bereits heute 40 große katholische Lehrerorganisationen der Welt zusammen. Sie haben dabei ein gemeinsames Fundament, so verschieden auch sonst die Umwelt ihres Wirkens ist, ein Fundament aus Steinen vom Felsen Petri: die Erziehungs- enz.vklika „Divini illius Magistri“ Pius’ XI.

Und dies, alles zu bekunden und zu fördern, treffen sich ihre Vertreter jedes dritte Jahr an einem anderen Punkt der Welt. Heuer ist W i e n der Ort dieses internationalen Kongresses der katholischen Lehrer, wo eine tapfere katholische Lehrerschaft des Landes seit mehr als 60 Jahren in vielen Stürmen Bannerträger der christlichen Erziehung ist. Wenn christliche Erziehung, wenn Schulbildung aus den Quellen gläubigen Menschentums eine Schicksalsfrage der Zeit, ein Anliegen von hunderten Millionen katholischer Menschen ist, dann bedarf es der Repräsentation durch eine internationale Organisation mit dieser Zielsetzung. Es hat daher die Weltunion der katholischen Lehrer auch bereits die Anerkennung höchster kirchlicher Stellen gefunden.

Aber auch die Erziehungs- und Kulturorganisation der Vereinten Nationen weiß die hohe Bedeutung wirklicher internationaler Lehrervereinigungen für die Intensivierung der Völkerverständigung und des Kulturaustausches zu schätzen, was in der Zuerkennung des Konsultativstatus, also des Mitberatungsrechtes, durch die UNESCO zum Ausdruck gekommen ist.

Wahrlich, sie ist bedeutend, die Rolle des Lehrers im internationalen Leben, von der auf dem Weltkongreß gesprochen werden wird. Es ist aber auch für den katholischen Lehrer selbst so wichtig, das Arbeitsfeld zu überblicken und die Aufgaben sinnvoll anzugreifen. — Sie alle, die überzivilisierten wie die unterentwickelten Völker, brauchen ja so dringend gute Schulen. Diese aber sind, wie es in der Erziehungsenzyklika heißt, „nicht so sehr die Frucht guter Schulpläne als vielmehr und vor allem guter Lehrer, die in ihrem Fach vorzüglich unterrichtet, aber auch gut ausgerüstet sind mit den geistigen und sittlichen Eigenschaften, die ihr hoher Beruf .fordert, Lehrer, die von reiner Liebe zu der ihnen anvertrauten Jugend glühen, weil'sie Christus und seine Kirche lieben, deren Lieblingskinder jene sind, und weil ihnen daher das wahre Wohl der Familie und ihres Vaterlandes am Herzen liegt“. — Kein besseres Wort könnte dem Kongreß der katholischen Lehrer in Wien zur Begrüßung gesagt werden.

Das Zentralthema „Die Rolle des Lehrers im internationalen Leben" ist ein solches des Lehrstandes überhaupt. Sein Anteil am Kulturaustausch wird noch sehr gesteigert werden müssen. Erzi e h un g SJTOÄ t and/ B i K dungskrise, Kulturrückstand, das sind wahrhaft internationale pädagogische Probleme, an deren Lösung die katholische Lehrerschaft stärkstens mitbeteiligt sein kann. Für internationale Aufgaben aber besitzt gerade sie in ihrer Weltanschauung eine unvergleichliche gemeinsame Basis.

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