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„Wirken — durch das, was wir sind“

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Die Katholische Lehrerschaft Oesterreichs feiert ihren 60jährigen Bestand. Sie tut es mit inhaltreichen Beratungen, an denen Delegierte aus allen Bundesländern und dem Ausland teilnehmen, mit verantwortungsbewußten Entschließungen, mit wohlausgewogenen Referaten, in denen es um die freie Lehrerpersönlichkeit“ und ihren Vorrang vor didaktischen Mode-strömüngen und einseitigen psychologischen Systemen geht. „Der Lehrer als Erzieher durch

eigene Haltung“, so heißt der Vortrag, den Mimstejialrat -Dr. ■ P e t e r über das Berufsethos ok Lehrers hält. Die Arbeitsmoral vieler Berufe scheint heute bedroht; weit darüber hinaus ist das Beriifsethos des Lehrers in unseren Tagen gefährdet durch materielle und durch ideelle Unterbewertung seines Berufes; durch ideelle, weil der Lehrer im Seiner Stellung immer wieder zum Schacherobjekf politischer Parteien herabgewürdigt wird. Nur wenn

der Lehrer seinen Beruf als Sendung und Treudienst auffaßt, kann er den Enttäuschungen standhalten, die immer wieder kommen müssen, weil die Unvernunft vieler Erwachsener und die robuste Moral des öffentlichen Lebens sein Wirken in Frage stellen. Das tröstende, aber freilich auch mahnende Wort Adalbert Stifters muß auch heute noch gelten: „Wir wirken viel mehr durch das, was wir sind, als durch das, was wir sagen.“ .

Der Vortrag des Salzburger Landesschul-inspektors Dr. L a i r e i t e r „Der Lehrer als Erzieher durch Weitergabe des Bildungsgutes“ wird zur Ergänzung des ersten Referates. Läi-reiter übt Kritik an dem bisherigen pädagogischen Materialismus,, warnt vor der Flucht in die Psychologie und ruft gegen die Bildungskrise der Zeit die Lehrerschaft zu dem kühnen Wagnis auf, einmal das gesamte Bildungsgut nach christlicher Schau zu gruppieren. Viel zu sehr stehen unsere Schulen noch unter dem Einfluß des Rationalismus des vorigen Jahrhunderts, viel zuwenig ist spürbar von dem geistigen Wandel der letzten Jahrzehnte.

Diesem geistigen Wandel in den 60 Jahren seit der Gründung der Katholischen Lehrerschaft in Oesterreich geht Universitätsprofessor DDr. Leo Gabriel nach, wenn er die Zeit um die Jahrhundertwende einer tiefschürfenden Analyse unterwirft. Charakteristisch für diese Periode scheinen ihm ihre Abstraktionen und Einseitigkeiten: Der Individualismus und Liberalismus “setzen den einzelnen Menschen absolut und lösen ihn so aus der Gemeinschaft mit seinen Mitmenschen, der Nationalismus erklärt das einzelne Volk für autonom und absolut und trennt es so aus dem Menschheitsverband ab. Auch der Marxismus ist nur der dialektische Gegensatz zum Liberalismus, aber nicht seine wirkliche Ueberwindung, da es sich ihm ja nicht um eine Höherführung des Menschen im Geistigen handelt, sondern nur um Teilnahme am materiellen Wohlstand. Gegen das Stückwerkdenken der Aufklärung mit ihrer Ueber-schätzung des Intellekts wendet sich die Pvomantik, bleibt aber wieder in der alleinigen Betonung der Intuition und damit in einer neuen Einseitigkeit stecken. Das philosophische Denken um die Jahrhundertwende ist als eine Kristallisation etwa in Form einer Pyramide zu begreifen, an deren Spitze das Wort Positivismus steht; und um diese Spitze herum gruppieren sich die drei Namen Hegel, Nietzsche, Kierkegaard. Das Kennzeichnende aller drei Philosophen ist das Zurückführen des Ganzen auf einzelne Teile, weil man nicht mehr die Fülle der ganze-Wirklichkeit und nicht mehr die Kraft der Integration besitzt. Gegen alle diese Einseitigkeiten hat in den letzten Jahren eine echte Reaktion begonnen, und überall wird der Versuch unternommen, zum ganzen Leben wieder zurückzufinden, zu einem wahren „Katholon“ im Denken. Diese grundlegende Wendung zeigt sich vor allem in der modernen Biologie, Physik und Astronomie, aber auch in der modernen Kunst, die zwar den Menschen in seiner völligen Auflösung und Zerstückelung zeigt, aber doch auch schon versucht, über das bloß Anschaubare zur metaphysischen Wirkljcljkeit vorzudringen. Die Bedeutung einer solchen Rückschau auf einer katholischen Lehrertagung liegt nach Gabriel in der Tatsache, daß die bisherigen geistigen. Strömungen mit ihrem Latein zu Ende sind und daß es jetzt Sache der christlichen Gebildeten ist, überall die Transzendenz zu Wort kommen zu lassen.

Professor Rödhammer (Linz), der Obmann der stärksten Landeslehrervereinigung, ist berufen, über die Aufgaben des Lehrers in seiner Berufsorganisation zu sprechen. Soll diese im öffentlichen Leben mitzureden haben, dann muß sie die ideellen und die materiellen Sorgen ihrer Mitglieder zu ihrer Sorge machen. Weder eine Beschränkung auf nur standespolitische (gewerkschaftliche) Fragen noch eine Beschränkung auf den Charakter einer rein religiösen (kirchlichen) Gemeinschaft sichern ihr die Wirksamkeit in die Breite, die notwendig ist, um sie zu einem geachteten Faktor des öffentlichen Lebens zu machen.

Diesen Standpunkt hat die Katholische Lehrerschaft immer vertreten. Sie, die vor sechzig Jahren gegründet worden ist, in der Hochperiode des Liberalismus, im Gegensatz zum damaligen Zeitgeist, bekämpft von Presse und öffentlicher Meinung, verfolgt von der staatlichen Gewalt, sie hat sich trotz allem durchgesetzt, sie ist aus dem Schulleben Oesterreichs nicht mehr hinwegzudenken, sie ist da, sie erhebt mahnend, warnend, fordernd ihre Stimme, auch dort, wo es unbequem ist, und ihre Stimme ist oft unbequem, aber sie steht auf der Wacht, frei und unabhängig nach allen Seiten hin.

Dies alles wird noch einmal ausgesprochen in der großen Festversammlung im Konzerthaus von dem Führer der christlichen Lehrerbewegung in Oesterreich, Schulrat Wilhelm

N o w o a t y, von Ministerialrat Dr. Peter, der in einer großen Rückschau auf die pädagogischen Ereignisse der abgelaufenen sechzig Jahre der Hoffnung Ausdruck gibt, es werde einmal die Zeit kommen, in der man die Haltung der katholischen Lehrer erst ganz verstehen werde: verstehen, warum sie nicht jedem pädagogischen Schlagwort nachgelaufen sind, warum sie oft in kühler Reserve vor fragwürdigen methodischen und psychologischen Modeexperimenten stehen, weil ihnen die Kinder nicht nur als Versuchsobjekte, sondern als Gotteskinder mit unsterblichen Seelen interessant sind; warum aber anderseits Mitglieder der katholischen Lehrerbewegung bahnbrechend und richtungweisend auftreten, wo immer es um ein echtes pädagogisches Anliegen geht, wie etwa in den Fragen der Landschulerneuerung.

Anerkannt wird die Haltung der katholischen Lehrerschaft durch die Vertreter der befreundeten Auslandsorganisationen in ihren herzlichen Dankesworten an die Gastgeber; anerkannt wird sie durch den Chef der österreichischen Schulbehörde; anerkannt durch die österreichische Bischofskonferenz, zu deren Sprecher sich Kardinal Innitzer macht; und schließlich durchdenHeiligenVater, von dem ein G1 ü c k w u n s c h b r i e f an die Organisation geschickt wird, dessen Verlesung von der ganzen Festversammlung in tiefer Ergriffenheit angehört wird.

Mit einem trotz der sehr vorgerückten Stunde in lebendigster Bereitschaft und heller Festesfreude aufgenommenen Festansprache des Landeshauptmannes Dr. G1 e i ß n e r, des Ehrenmitgliedes der oberösterreichischen Lehrerschaft, über „Volk und Lehrer in den Auseinandersetzungen der Gegenwart“ findet die 8. Delegiertentagung ihren Abschluß.

Viktor Buch graber *

Die VIII. Delegiertentagung der Katholischen Lehrerschaft Oesterreichs faßte zum Abschluß ihrer

Beratungen am 4. d. M. eine Resolution, in der folgende Forderungen erhoben werden: 1. Die Verankerung der weltanschaulichen Freiheit und Gleichberechtigung im Schulgesetz, so daß die Eltern ohne zusätzliche Kosten jene öffentliche Schule für ihre Kinder wählen können, die ihrer Weltanschauung entspricht. 2. Es muß den Lehrern grundsätzlich freistehen, die Schulart ihrer Weltanschauung zu wählen. 3. Unter Berücksichtigung der Eigenart der verschiedenen Schularten ist ein einheitlicher Rahmenlehrplan, eine gleiche Schulaufsicht und ein gleiches Dienst- und Besoldungsiecht für das ganze Bundesgebiet und alle öffentliche Schulen zu erstellen. 4. Wo die Koedukation sich schulorganisatorisch vermeiden läßt, hat sie unbedingt zu unterbleiben. 5. Das Schulwesen braucht eine solide Bildungsgrundlage in einer fünfjährigen Volksschule. Die vierjährige Hauptschule muß als gehobene Schule der künftigen Bauern, Arbeiter, Gewerbetreibenden und Hausfrauen und als Vorstufe für die berufsbildenden Lehranstalten erhalten bleiben. Die österreichische Lehrerbildung erfahre endlich den Ausbau zur Vollanstalt einer sechsjährigen Lehrerakademie. 6. Ein einheitliches Dienst- und Besoldungsrecht. . Die verantwortlichen Stellen mögen die katholische Lehrerschaft bei der Neugestaltung der österreichischen Schule hören und sich ihres Rates und ihrer Mitarbeit bedienen.

Die Delegiertentagung faßte auch eine Resolution zu den Standesfragen: Die VIII. Delegiertentagung der Katholischen Lehrerschaft Oesterreichs hat bei Behandlung ihrer standespolitischen Probleme auf Grund der Ausführungen ihrer Vertreterin, der Gewerkschaft, den einstimmigen Beschluß gefaßt, alle Bestrebungen, die zum Ziele haben, die Besoldung der Pflichtschullehrer den Bundesländern zu übertragen, entschieden abzulehnen. Sie fordert vielmehr nachdrücklichst, daß der Bund auch weiterhin die Kosten der Besoldung der Pflichtschullehrer trägt, wie dies im 1 des Landeslehrergehaltsüberleitungsgesetzes unter Bezugnahme auf 40 des Gehaltsüberleitungsgesetzes festgelegt ist. Die Delegiertentagung fordert die Gewerkschaft der öffentlich Bediensteten auf, allen Versuchen, eine Aenderung des bestehenden gesetzlichen Zustandes herbeizuführen, schätfstens entgegenzutreten.

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