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Es geht nicht nur um die Schule!

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Die „Furche” hat wohl als erstes Blatt ihre Leser darüber unterrichtet, daß vom 28. August bis 1. September 1957 Wien die Stätte eines internationalen Kongresses der Weltunion Katholischer Lehrer (UMEC) sein würde.

Der Leitgedanke der Tagung wird in dem ersten großen Referat „Die Rolle des Lehrers im internationalen Leben” dargelegt werden und sich dann im Bericht des Generalsekretärs wie in den Resolutionen der Veranstaltung zu konkreter Gestaltung erheben.

Es ist ein Ziel dieses Kongresses, in der Schau des Katholizismus und für den Bereich der katholischen L.hrerverbände jene Erweiterung des Arbeitsfeldes aufzuzeigen und bewußt zu machen, die sich in unseren Tagen im pädagogischen Raum vollzieht. — Während es für die politische wie für die wirtschaftliche Sphäre keiner Nachweise mehr bedarf, daß die Schicksale aller Länder und Staaten innig miteinander verflochten sind, daß wir vor einer politischen und wirtschaftlichen Schicksalsgemeinschaft aller Völker der Erde stehen, ist diese Erkenntnis im kulturellen Leben erst auf dem Wege. Besonders im pädagogischen Bereiche ist es so, daß der Lehrer zunächst t „nationale” Aufgaben hat. Auch bei dem besten Willen, die Schule in den Dienst internationaler Erziehungsaufgaben zu stellen, fehlen hierfür noch viele geistige Voraussetzungen, vor allem aber die Koordination solcher Bemühungen, die nur dann erfolgreich sind und verantwortet werden können, wenn es die gleichsinnigen Bemühungen auf breiter Front gibt. — Darüber muß also das Einvernehmen hergestellt werden, das wohl am ehesten von solchen

I.ehrergruppen erzielt werden kann, die in der Gemeinschaft der religiösen Weltanschauung bereits eine tragfähige Basis der Zusammenarbeit besitzen.

Doch es geht gar nicht bloß um die Schule. Gerade dieser Kongreß wird aufzuweisen haben, wie den Lehrern aller Schulgattungen heute neue Aufgaben zukommen, die zum Beispiel noch für die letzte Generation gar nicht existierten.

Ist es nicht etwa ein allgemein menschliches Anliegen, daß der Lehrer in unserer Welt des Massenmenschentums, der Kollektivisierung aller Lebensbereiche noch einer der wenigen Vertreter, ja ein Treuhänder der Rechte des Individuums ist? Und liegt hier

„Furche” Nr. 8, 23. Februar 1957. nicht eine Art internationaler pädagogischer Aufgabe vor? Sind Freiheit und Würde des Menschen nicht das Anliegen?

Oder sehen wir nicht überall die Massenmedien wie Film und Bilderzeitschrift übermächtig werden, sehen wir sie nicht vielfach als Gegenspieler von Schule und Familie am Werke? Und gibt es nicht bereits ein internationales pädagogisches Problem der Jugendverwahrlosung (übrigens meist eine Wohlstandsverwahrlosung der hochzivilisierten Länder!), die von erschreckender Gleichförmigkeit ist?

Wahrlich, solche Probleme sind weder vom einzelnen Lehrer und Erzieher noch vom Schul- und Bildungswesen des einzelnen Landes zu bewältigen. Sie rufen geradezu nach der Kooperation der Pädagogen, deren Anfang die gute Information und deren Ziel die konkrete Durchführung internationaler Erziehungsaufgaben ist.

Daher wird denn die Festigung der Weltunion Katholischer Lehrer, die Erfassung aller gleichgesinnten Organisationen, die ehrliche Zusammenarbeit mit allen positiv eingestellten internationalen Erziehungseinrichtungen, besonders die Mitarbeit der UNESCO, ein wichtiger Teil der Kongreß Studien sein, die der Rolle des Lehrers im internationalen Leben gelten. Vieles dürfte dabei erstmalig aufgegriffen und in der internationalen Situation betrachtet werden, so zum Beispiel die Aussichten der Unterrichtsexpansion (Erweiterung der allgemeinen Schulpflicht) auf breiter Basis oder die Mitwirkung des Lehrers an der Bewältigung der Freizeitprobleme, die sich aus der Mechanisierung und Automation ergeben und die vor allem als moralisch-weltanschauliche Fragen angesehen werden müssen. Nennen wir noch das’1 Streben der Lehrer nach Pädagogisierung der menschlichen Beziehungen und nach einer besseren Verteilung der geistigen Güter — der immer jene der materiellen folgt —, so haben wir Anliegen dieser Tagung berührt, die dem Ausgleich der Spannungen und damit dem Friedensstreben der Menschheit gewidmet sind.

Die Arbeitsfreudigkeit aller herangezogenen Experten und die unerwartet große Zahl der Teilnehmer haben bewiesen, daß man mit viel Interesse und mit hohen Erwartungen zum internationalen Kongreß der katholischen Pädagogen nach Wien kommt. Mit den katholischen Lehrern Oesterreichs aber freuen sich weite Kreise auf diese große Veranstaltung, die ja auch die Förderung durch den österreichischen Episkopat, durch Mitglieder der Bundesregierung, durch die Landeshauptleute von Niederösterreich und Steiermark und durch den Bürgermeister der Stadt Wien gefunden hat.

Es wird am Schluß des UMEC-Kongresses eine Manifestation des österreichischen Willens zu internationaler Zusammenarbeit sein, wenn bei der großen Kundgebung im Musikvereinssaal Bundesminister Dr. D r i m m e 1 zu den Vertretern der katholischen Lehrerschaft aus aller Welt und zu großen Gruppen der österreichischen Lehrer und Erzieher über das Thema „Oesterreichs Aufgabe im internationalen Leben” sprechen wird.

Der III Internationale Kongreß der Katholischen Lehrer bringt Menschen eines wichtigen Berufsstandes aus aller Welt in unsere Stadt zur Behandlung ernster Probleme dieser Zeit; er will neue Wege aufschließen zur Zusammenarbeit im Dienste eines Werkes, von dem sich die Menschheit für ihre Zukunft nur Gutes erwarten darf, nämlich von dem Friedenswerk der gemeinsamen Menschheitsaufgabe: Erziehung.

Eine große Pädagogenwallfahrt zur Magna Mater Austriae nach Mariazell unter Führung des Erzbischofs Dr. König von Wien wird die Tagung der Weltunion Katholischer Lehrer beschließen.

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