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In der UNESCO

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Der zweite Weltkrieg hat uns eine zweifache Erkenntnis vermittelt: die Überzeugung, daß ein dauerhafter Friede nicht allein auf politischen und wirtschaftlichen Bedingungen gebaut sein kann, sondern daß er ebenso in der geistigen und moralischen Lebensauffassung der Völker verankert sein muß; und daß die übergroße Gewalt, die dem Menschen durch die unerhörten Fortschritte auf dem Gebiete der Naturwissenschaft und Technik gegeben ist, durch eine ethische Bildung auf menschenwürdige und kulturfördernde Bahnen gelenkt werden muß. Die Staatsmänner der alliierten Mächte, die sich 1942 in London zu einer Konferenz über Erziehungsfragen zusammenfanden, faßten den Plan, durch ein internationale Vereinigung in diesem Sinne zu arbeiten. Es wurde daher im November 1945 eine von der britischen Regierung einberufene neuerliche Konferenz abgehalten, die zur Gründung der Organisation des Nations Unies pour l’Education, la Science et la Culture, der „Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissen-

schäft und Kultur", abgekürzt UNESCO, führte.

Das Arbeitsziel der UNESCO ist im Artikel I des Konstitutionsakts ausgedrückt: „Die Organisation setzt sich zum Ziele, zur

Erhaltung des Friedens und der Sicherheit beizutragen, indem sie die Zusammenarbeit der Nationen durch Erziehung, Wissenschaft und Kultur so festigt und eint, daß die universelle Achtung vor der Gerechtigkeit, dem Gesetz, den Menschenrechten und den grundlegenden Freiheiten für alle, ohne Unterschiede der Rasse, des Geschlechtes, der Sprache, der Religion — gewährleistet wird. Um dieses Ziel zu erreichen, fördert daher UNESCO die Verbindung und das gegenseitige Verstehen der Nationen; sie gibt starke Impulse auf dem Gebiete der öffentlichen Erziehung und der Verbreitung der Kultur und sie unterstützt den Fortschritt der Wissenschaft.“

Im November 1946 trat die erste Generalkonferenz in Paris zusammen, um die bleibende Organisationsform der UNESCO auszuarbeiten. Das höchste leitende Organ ist die Generalkonferenz der Vertreter der Mit gliedstaaten, die jährlich einmal zusammenkommen, um den Arbeitsplan des Jahres zu beraten. Zur Zeit des 1. November 1947 waren 33 Staaten vertreten.

Ein Rat von 18 Mitgliedern der Generalkonferenz sorgt für die Ausführung der Beschlüsse. Ihm zugeordnet ist das internationale Sekretariat mit dem Sitz im UNESCO-Haus Paris, Avenue Kleber 19. .Der Chef des Sekretariats ist der General- direktorį jetzt der für zwei Jahre gewählte Dr. Julian Huxley, dem ein Stab von Beamten zur Seite steht. Um einen Teil der verschiedenen Unternehmungen der UNESCO im vorigen Jahr zu finanzieren, stand ein Budget von 6 Millionen Dollar zur Verfügung.

Obwohl die UNESCO erst im Werden begriffen ist — sie kann erst auf eine Arbeitszeit von 18 Monaten zurückblicken —, so beweist doch eine stattliche Reihe von Unternehmen, daß sie ernst ihrem großen Ziele zustrebt. Es liegt jedoch nicht in ihrer Absicht, die ganze Arbeit allein zu bewältigen, sondern sie sieht es als eine wesentliche Aufgabe an, in ihren Mitgliedstaaten allen jenen Einrichtungen zum Erfolg zu helfen, die im Sinne der UNESCO arbeiten, sei es, daß sie in finanzieller Hinsicht eingreift oder Verbindungen mit anderen Institutionen schafft oder Bücher, Schriften, Lehrmittel usw. besorgt. Daher wenden sich kulturelle Unternehmen aus aller Welt an die UNESCO, wenn sie Verbindungen, Austauschmöglichkeiten, materielle Hilfe, Aufklärung oder Zuweisung von Fachleuten wünschen.

Die UNESCO hingegen lädt zu ihren Generalkonferenzen wichtige Kulturvereinigungen ein, Vertreter als Beobachter zu entsenden, damit die internationale Zusammenarbeit vertieft wird, und gründet die sogenannten „Commissions Nationales" in den Mitgliedstaaten, um die ständige Verbindung mit ihr herzustellen. Als Beobachter sind unter anderen geladen das „Comitee catholique international de coordination“, der „Conseil oecumenique des Eglises“, der „Congres juif mondial", die „Ligue des Societes de la Croix Rouge“ und „Rotary international“. Auch Vertreter katholischer Jugendorganisationen sollen zugezogen werden.

Das dringlichste Arbeitsgebiet der UNESCO ist das der Erziehung. Hier, im Gemüt und Denken der Jugend, wurden die größten Schäden angerichtet. Da besonders in den kriegsgeschädigten Ländern Erziehung und Schulwesen mit betroffen sind, wurden Fachleute zum Studium der Verhältnisse entsendet und Material-' und Geldsammlungen diesen Ländern zugewendet. So wurden zum Beispiel unter Führung der amerikanischen Kommission allein 72 Millionen Dollar gesammelt. Es konnten: viele Tausende von Büchern übersetzt, gedruckt und versandt werden, andere auf Mikrofilmen photographiert und weiten Kreisen von Lesern zugänglich gemacht werden. Erzieher aus allen Ländern bearbeiten alljährlich in einer Reihe von Studienwochen wichtige pädagogische Fragen.

Da auch noch heute ein großer Teil der Menschheit weder schreiben noch lesen kann, sucht die Unesco die fundamentalen Kulturtechniken zu vermitteln und auch die Erwachsenenbildung zu fördern. Ein ungeheures Arbeitsfeld für die zivilisatorischen Bestrebungen der Unesco bilden die Urwaldgebiete um den Amazonenstrom in Südamerika und ihre indianische Bevölkerung. Internationaler Zusammenschluß fordert auch freie Verbreitung menschlicher Ideen und Kenntnisse. Die UNESCO gründete daher ein Büro, um jungen Menschen Studienaufenthalte im Ausland zu ermöglichen, Stipendien und Austauschmöglichkeiten zu geben. Im Sinne freier, ungehinderter Geistesarbeit bemüht sie »ich um entsprechende Pressegesetze, Erleichterungen im Postverkehr, um Unterstützung der Museen, Bibliotheken und der Kunstinstitute.

Insofern der Fragenkomplex der UNESCO in Philosophie, in Anthropologie, in S o z i a 1- und Naturwissenschaft verankert ist, werden auch diese Geistesgebiete in Seminarien und Instituten von Fachleuten bearbeitet. Doch scheint sich gerade in diesen Zentralgebieten eine gewisse Einseitigkeit breitzumachen. Diesen Eindruck empfängt man aus verschiedenen Schriften, Broschüren, Abhandlungen, ja auch durch die geistige Atmosphäre in den Seminarien. Hier handelt es sich nm die bewußte oder unbewußte Ablehnung des metaphysischen Denkens.

Da die UNESCO im universellen Sinne der menschlichen Kultur dienen will, muß von ihr erwartet werden, daß sie freien Raum der Geistesrichtung gewährt, die ihr Weltbild vom Religösen und vom christlichen Naturrecht her formt.

Eines der pädagogischen Seminare der UNESCO wurde in diesem Sommer in Podč- b r a d y bei Prag a'ogehaiten. Von 17 Staaten aus allen Kontinenten waren 42 Vertreter und Vertreterinnen entsendet. Obwohl man einander nicht kannte, herrschte sdion gleich von Anfang an ein wohltuender, herzlicher Ton, der sicherlich sehr viel dem natürlichen fraulchen Wesen der Leiterin des Sem.nars, Frau Dr. Aase Skard, Universitätspro- fessor in Oslo, zu danken war. Auf dem pädagogischen Programm stand „Die weltbürgerliche Erziehung des 3- bis 14jährigen Kindes“. In kleinen Gruppen wurden Teilthemen von verschiedenen Standpunkten aus bearbeitet und von Zeit zu Zeit der allgemeinen Versammlung zur Diskussion vorgelegt. Verhandlungssprachen waren Englisch und Französisch. Naturgemäß ergaben sich Probleme, die nur in der ehrlichen Haltung des Respekts vor der Überzeugung des anderen, der Toleranz und des guten Willens behandelt werden konnten. Es war manchmal geradezu schmerz ich, daß persönliche Überzeugungen und Ideale so gar kein Verständnis fanden, weil die Verschiedenheit der Weltanschauungen d:es zu verhindern schien.

So zeigten sich zum Beispiel besonders große Gegensätze, als man sich über die Elemente einer internationalen Kultur k'arzuwerden suchte. Dem christlichen Denken ist das Problem prinzipiell im Deka og gelöst. Nichtchristliches Denken sieht darin nicht selten nur eine auf das Christliche beschränkte Sittlichkeit, die Völkern anderer Religion nacht zugemutet werden kann.

Die tägliche Gruppenarbeit ergänzten pädagogische und psychologische Vorlegungen mit anschließenden Diskussionen und Vorführungen von Lehrfilmen, abet auch die persönliche Aussprache der Seminarmitglieder untereinander, die wertvol'e Blicke in die weite Welt vermittelten. Besichtigungen historischer Stätten, von Jugendlagern, Industriezentren umrahmten die Tagung, die mannigfachen Ertrag hatte.

Noch steht die UNESCO an den Anfängen. Noch ist manches der Klärung bedürftig. Aber unverkennbar eröffnen sich hier bedeutende Möglichkeiten fruchtbarer inter- nationa'er geistiger Zusammenarbeit. Notwendig ist Mitarbeit, jede Gelegenheit hiezu ist zu nützen.

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