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Entwicklungshilfe aber sinnvoll

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Vor allem soll hier die Betonung nicht auf „entwickelt“ oder „unterentwickelt“, sondern auf „Hilfe“ gelegt werden. Diese Zeilen sollen nur eine Stimme in der Diskussion sein, vielleicht eine solche eröffnen oder fördern. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

„AKADEMIKER GESUCHT“ leuchtet es seit einiger Zeit von den Plakatwänden. Und der interessierte Leser stellt fest, daß er — soferne er die entsprechenden Voraussetzungen mitbringt und bereit ist, auch vorbereitende Kurse zu absolvieren, die Möglichkeit hat, in einem „Entwicklungsgebiet“ seine speziellen Fähigkeiten und Talente helfend anzuwenden. Eine schöne, eine großartige Idee. Eine Idee, die über die nüchternen Ausschreibungen von UNO und UNESCO um einen wesentlichen Schritt hinausgeht: Hier wird vor allem und betont der christliche, der katholische Akademiker angesprochen und aufgerufen, als solcher — und nicht nur als Fachmann! — „in alle Welt hinauszugehen“.

ZU EINEM ERSTEN SPRECHTAG trafen sich vor kurzem solche Interessenten aus den verschiedensten Sparten im Zentrum dieser Entwicklungshilfe, im „Institut für internationale Zusammenarbeit“ in Wien.

Sie hatten nicht nur Gelegenheit, mit Fachleuten Gespräche zu führen und sich über die Möglichkeiten im allgemeinen und im besonderen zu informieren. Sondern auch — und das war mindestens ebenso wertvoll — in der Diskussion mit- und untereinander die Standpunkte abzuklären, Unklarheiten zu beseitigen, konkret zu werden. Da waren manche, die mit einem vagen Begriff von der ganzen Sache gekommen waren. Andere mit sehr konkreten Fachlichen Vorstellungen, die aber vielleicht zu sehr auf das Europäische zugeschnitten waren. Das Interesse war groß, und der vorgeschlagene Ausbildungslehrgang (14tägi-ger Einführungskurs, dann Fernkurs, dann 14tägiges Abschlußseminar) ist zweifellos ein gangbarer Weg zu sinnvoller Entwicklungshilfe und der Ausbildung ihrer Mitarbeiter.

Dr. Otto Winkler, der „Spiritus rector“ dieses österreichischen Entwicklungszentrums, konnte zufrieden sein.

ABER DAS WAR NUR EIN ANFANG, und es lohnt sich, speziell vom österreichischen Standpunkt aus, von unseren Möglichkeiten aus das Problem der Entwicklungshilfe zu betrachten.

Da ich selber an diesem Sprechtag,

teils aktiv, teils beobachtend teilnahm, mit eigenen Entwicklungsgebieteindrücken vergleichend und abwägend, habe ich inzwischen versucht, mir meine Gedanken darüber zu machen und zu einem klaren Bild über die Möglichkeiten zu kommen. Und das ist notwendig, soll es ein Planen auf dem — oft sehr harten — Boden der Tatsachen werden, statt theoretischer Erwägungen über das Warum, Wozu und das Wodurch. Denn es gibt eine ganze Reihe von Einwänden, aber auch von Möglichkeiten.

Auf die Einwände („wir brauchen die Leute doch im eigenen Land“) soll man hier nicht sonderlich eingehen, weil sie durch das krasse Überangebot in manchen, oft sehr nötigen Sparten ad absurdum geführt werden, sich führen lassen.

*

WIE BETREIBE ICH ENTWICKLUNGSHILFE? Zunächst die Methode der UNO, der UNESCO. In Form der

— vor allem den Interessierten — längst bekannte Ausschreibungen, die allerdings einem zu kleinen Kreis zugänglich sind, zugänglich gemacht wurden und werden.

Hier wird der jeweilige Posten, mit einer Code-Bezeichnung versehen, spezialisiert und dadurch dem Interessierten Gelegenheit gegeben, die Erfordernisse mit seinen Begabungen zu vergleichen und sich gegebenenfalls zu bewerben.

Der andere Weg, nämlich Spezialisten aufzurufen, einzuschulen und einzuführen und sie dann zu offerieren, dürfte wegen der in Einzelfällen oft recht langen Wartezeiten — durch die die Bereitschaft stark reduziert wird

— weniger empfehlenswert sein. Doch für einige Berufssparten kann

man ein System aufstellen, nach dem man vorgehen sollte:

Erstens: Fruicrung des Bedarfes (Sparten, Ausbildungsart und -höhe, Alter, Anzahl usw.) im konkreten Entwicklungsgebiet;

Zweitens: Ansprechen der betreffenden Sparten mit den bestgeeigneten Mitteln (persönlich, Hochschulen, Presse, Rundfunk usw.);

Drittens: Einschulung auf die speziellen Erfordernisse des konkreten Entwicklungslandes, vor allem — und das scheint mir am wesentlichsten! — auf dessen menschliche Eigenheiten;

Viertens: Endausbildung an Ort und Stelle und schrittweise Einführung ins neue Tätigkeitsgebiet.

Es sei mit Nachdruck festgehalten, daß sich dieses Schema keineswegs allgemein anwenden lassen wird, sondern vor allem für Lehrkräfte und Mediziner geeignet zu sein scheint.

BEI „MISEREOR“ in Deutschland, verfährt man seit langem und erfolgreich nach diesem Schema.

Bei anderen Berufsgruppen ist die — ebenfalls von „MISEREOR“ praktizierte — „Vorratswirtschaft“ mit gegenseitigem Austausch- und Vermittlungsprogramm verwandter Institute in anderen Ländern das Gegebene. Da muß oft erst sehr mühsam das geographische wie menschliche Gelände erkundet und Platz für die Entwicklungshilfe, vor allem für ihre „Helfer“, geschaffen werden.

Viele Begriffe, viele Sparten, viele Möglichkeiten und Voraussetzungen, die anderswo selbstverständlich sind, fehlen oft weithin.

Doch erfährt man auf einem Ent-wicklungshilfsseminar der UNESCO, daß in einem mittelamerikanischen Staat eine österreichische Handelsschule existiert, deren Leiter sich seit Jahr und Tag verzweifelt bemüht, endlich eine heimatliche Unterstützung, eine personelle „Blutauffrischung“, eine Anerkennung als österreichischer akademischer Stützpunkt zu erlangen. Bekommt man auf die Ansicht, es sei doch auch Afghanistan ein guter Stützpunkt österreichischen Schulwesens, die lapidare Antwort: Ja, aber an einer von westdeutschen Stellen eingerichteteren Schule! Und hört man von den Schwierigkeiten, denen sich unser St.-Georgs-Kolleg in Istanbul immer wieder gegenübersieht, so beginnt man sich zu wundern, beginnt sich zu fragen, ob denn wirklich nur der materielle, der kommerzielle Ex-

port und Import das Um und Auf unserer wirtschaftswunderlichen Zeit ist, sein muß ...

*

DER MÖGLICHKEITEN GÄBE ES UNZÄHLIGE, und sie würden die Staatskasse weitaus weniger belasten als beispielsweise die Kündigungen, die auf dem Mittelschullehrersektor immer stärker notwendig werden. Wegen sinkender Klassenzahl. Glaubt man, daß man die Lehrkräfte für die sechs, acht, neun Jahre, die bis zum „großen Neubedarf“ noch verstreichen werden, etwas „aufs Eis legen“ und sie mit der vagen Hoffnung auf eine mögliche Wiederbeschäftigung vertrösten kann? Warum macht man nicht „aus der Not eine Tugend“ und verankert in den Ausbildungsvorschriften der Mittelschullehrer eine gewisse Erfordernis an Auslandspraxis, wie es in anderen Sparten längst selbstverständlich ist? Wäre dies nicht würdiger als das oft jahrelange Vegetieren der Kollegen in den verschiedensten Berufen? Und wenn der eine oder andere über seine Vertragszeit hinaus in einem „Entwicklungsland“ bliebe, so ist das ein großer Gewinn, ein weiterer Botschafter Österreichs im Ausland zu „normalen Preisen“.

*

ES GIBT NICHT NUR LEHRER, aber wer hat mehr Möglichkeiten, Menschen zu bilden, als der Lehrer? Würde ein solches gesundes Maß an Auslandspraxis nicht manche Härte mildern, manche Engstirnigkeit in Weltoffenheit wandeln? Dadurch würden nicht nur die Menschen herange-

bildet, sondern auch die Lehrer weit mehr und im besten Sinne menschlich werden als durch noch so viele Stunden trockener Hörsaalpädagogik.

Wer einmal in einer fremden Umgebung auf sich allein gestellt war, der bekommt andere Maßstäbe, der wird — menschlicher. Und all das wäre Mitgewinn, Mitertrag, Miterlebnis. Bleibend, unwegnehmbar.

*

WEIT HINAUSGEKURVT sind wir in den unbegrenzten Raum der Möglichkeiten, die sich bei echter und sinnvoller Entwicklungshilfe auftun und eröffnen. Und die Entwicklungshilfe wird mit einem Male aus einem Nur-Geben zu einem ständigen Sich-Bereichern.

■Kehren wir zum Ausganspunkt — und zum Angelpunkt einer möglichen und notwendigen — Diskussion zurück. Zur geistigen Entwicklungshilfe. Daß sie notwendiger ist denn je, braucht wohl nicht bewiesen zu werden. Es geht hier und heute aber darum, dafür zu sorgen, daß sie s i n n-v o 11 ist, daß mit den vorhandenen Mitteln und Möglichkeiten ein Maximum erreicht wird. Das ist die Realität des gelebten Christentums: Geben ist seliger als Nehmen. Und was du gibst, bekommst du „als hundertfältige Frucht“ zurück. Nicht erst — und nicht nur — im Jenseits.

*

WENIGER VOM ABENDLAND REDEN, mehr für das Abendland tun. Die Kräfte in unserem Land mobil machen, die sich dafür anbieten. Doch müssen wir uns davon frei machen, immer nur an den Idealismus, an die Askese zu appellieren. Der Arbeiter ist seines Lohnes wert.

Übertragen wir aber das Gebot des „Vom-AItar-Ieben-Dürfens“ auch auf dieses Gebiet: Die Hilfe muß uns das materielle Opfer im Sinne einer menschen- und standeswürdigen Dotierung wert sein. Sonst weisen wir allzuoft gerade die Besten ab, ersticken gleich den ersten Funken, der zum wärmenden Feuer werden könnte. Haben wir ruhig den Mut, originelle Ideen zu vertreten. Neue Probleme verlangen neue Lösungsversuche.

Der Mensch von heute bedarf der Methoden von heute. Nicht jener von gestern oder gar von vorgestern. *

EIN UNERSCHÖPFLICHES GEBIET ist das Thema der geistigen Entwicklungshilfe. Es ist unsere Pflicht, uns dümit zu befassen, darüber zu sprechen, nachzudenken und zu überlegen.

Doch scheint mir gerade hier allzuviel Theorie an Zeitverschwendung zu grenzen, Man will „draußen in der Welt“ von uns keine theoretischen Abhandlungen, sondern handfeste Hilfe, will vor. allem den hilfsbereiten Menschen.

Und hier findet sich die Antwort auf die Fra^e: Warum will ich in der geistigen Entwicklungshilfe mittun? Weil sie in unserer Zeit kein „kann“, keine Alternative, kein „auch“, sondern Verpflichtung für den Christen, den Katholiken ist.

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