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Kirche und Kultur

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Bericht über die Vollversammlung der Conference des OIC in Wien, 22. bis 26. April

Wer die Schwierigkeiten kennt, die sich zu den Mühen einer Verbandsarbeit in einer Stadt oder einem Bundesland dann gesellen, wenn man „auf der Ebene des Staates“ zu arbeiten beginnt, wird ahnen, in welch organisatorisch luftiger Höhe die Conference des Orga-nisations Internationales Catholiqv.es steht. Dieser Zusammenschluß mit seinem Sekretariat in Fribourg umfaßt nämlich vor allem die internationalen katholischen Verbände, also ohnehin schon Daoh- oder Spitzenorganisationen. Er erfüllt aber eine wichtige Stabsfunktion; dies zeigt schon äußerlich die Tatsache, daß sowohl der bisherige Präsident als auch der Generalsekretär der Conference unter den zwanzig männlichen Laienauditoren des Konzils zu finden ist.

Die Conference veranstaltet jährlich eine Vollversammlung der Delegierten ihrer Mitglieder; öfters sind die Besprechungen dieser Versammlung einem Arbeitsthema gewidmet. Das war diesmal der Fragenkreis „Kirche und Kultur“. Ein an sich lohnendes Thema wurde in der Osterwoche 1965 noch dadurch aufgewertet, daß die Tagungsergebnisse bei der Endredaktion des Abschnittes über die Kultur im Schema XIII des Zweiten Vatikanischen Konzils berücksichtigt werden sollen.

Die Herkunft der Versammlungsteilnehmer zeigte zwei Schwerpunkte: Österreich und das französischsprechende Westeuropa. Die Zusammensetzung der Vortragenden war etwas ausgeglichener. Schon die Mischung aus wenigen Elementen wirft für den Beobachter die Frage auf, ob es sinnvoll ist, das Annehmen von Ergebnissen aus verschiedenen geistigen Grundlagen als Eklektizismus abzutun.

Das Versammlungsthema wurde in drei großen und mehreren kleinen Vorträgen sowie in fünf parallel zueinander abgehaltenen Arbeitskreisen behandelt.

Im wohlausgewogenen und knapp formulierten Referat des Wiener Oberhirten war eine früher selbstverständliche, während der übrigen Tagungszeit aber fast unhörbare These enthalten, nämlich die Feststellung von der Herkunft der Kultur aus der Religion und die Überzeugung von der Erneuerungskraft, welche die Kultur auch heute noch aus der Religion erhält. Daß diese für eine Gesamtdarstellung wesentlichen Gedanken in den übrigen Beiträgen nicht tonangebend waren, ist wahrscheinlich ganz gut, denn schon jetzt konnte ein Funktionär der UNESCO in seinem Kurzreferat den Christen vorhalten, die Demut sei zwar eine christliche Tugend, jedoch bei den Christen selten anzutreffen.

Ein weiteres wesentliches Element im Vortrag von Kardinal Franz König bildete der Hinweis auf die ethischen Grundlagen der Kultur, auf die der Menschenwürde entspringenden sozialen Tugenden gegenseitige Achtung, Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit, Treue und Gerechtigkeit; nichts in der Kultur darf der Natur widersprechen. So erscheint die Kultur zwar als ein Ergebnis der Religion, aber nur als Nebenwirkung, die dem Heilszweck untergeordnet ist.

Der französische Soziologe und Verleger Joseph Folliet sah das Kulturproblem hauptsächlich als Erziehungsaufgabe: Waren früher, bei einem weniger raschen Fortschreiten der Geschichte, die humanistischen Schulwissenschaften klar geordnet und einfach weiterzugeben, so werden sie heute durch eine zweite und dritte Schichte neuer Wissenschaften und Techniken bedroht und verdrängt. Die positive Folgerung aus dieser Feststellung liegt in der Aufforderung, die heute gemeinschaftsbildenden kulturellen Erscheinungen — Techniken, Lebensstil, Mode und dergleichen — nicht zu verachten, sondern zu pflegen. Auch diesen Teil der Kultur sollen die Christen mitbauen.

Noch weiter auf dem Weg zur praktischen Verwirklichung ging der venezolanische Diplomat Andres Agruilar, der in den Apparaten der UNO die geeignetsten Mittel sieht, das Analphabetentum abzuschaffen. Die Christen sollten bei derartigen Bemühungen — etwa auch im Rahmen eines Friedenskorps — aus zwei Gründen mitwirken: um bestehende Lücken zu schließen und um die begonnenen Anstrengungen mit christlichem Geist zu erfüllen.

Besonders lebendig und h&rt war die — übrigens vom Bischof von Grenoble geleitete — Diskussion zur Frage „Die intellektuelle Welt und die Kultur“. Man widmete sich drei Teilproblemen: dem scheinbaren Gegensatz zwischen dem Weltbild des Glaubens und jenem der Wissenschaft (wobei eine möglichst weitgehende Autonomie der Wissenschaften gefordert wurde); einer Anpassung der Katechese an die Bedürfnisse der Intellektuellen (wobei angeregt wurde, das Ostergeheimnis in den Mittelpunkt der Verkündigung zu stellen); und schließlich der Begegnung des Christentums mit allen Kulturen (hiebei dachte man sowohl an ein besseres Verständnis der Theologen für die wissenschaftliche Arbeit, nicht nur auf ihrem eigenen Gebiet, als auch an eine Position der Einzelwissenschaften zwischen blindem Glauben und Positivismus).

Auch der Arbeitskreis „Soziole Kommunikationsmittel und Kultur“ war sehr ergiebig. Seine Mitglieder wehrten sich unter anderem dagegen, daß die Intellektuellen die Massenmedien oft mit einem Naserümpfen abtun. Sie behandelten die einzelnen Nachrichtenträger getrennt und stellten zum Beispiel zur Presse praktisch fest, daß sich die Katholiken ihrer zwar leichter bedienen können als des Hörfunks oder des Fernsehens, daß sie aber dann auch nicht nur für Glaubensverbreitung und religiöse Kultur verwendet werden sollte.

Der Arbeitskreds „Soziale Bedingungen und kultureller Fortschritt“ wurde sich besonders der Vermas-sungsprobleme bewußt, die eine rasche wirtschaftliche Entwicklung zusammen mit einer Vereinheitlichung der Zivilisation bringt. In leicht romantizistisch klingender Weise wurde das sympathische Verlangen ausgesprochen, die bisherigen kulturellen Werte sollten in dem eben angedeuteten Prozeß beibehalten werden.

Zum Thema „Die Jugend und die neuen Dimensionen der Kultur“ war man der Meinung, daß die Kirche ihre Ausdrucksweise mehr als bisher der Bewegung der Jugend anpassen solle; die Jugend wünscht eine offene Gesellschaft. Der Arbeitskreis „Der Aufstieg der Frou und die Kultur“ konstatierte, daß die Frauen bis heute nur beschränkt an der Kultur beteiligt gewesen sind und daß ihre Emanzipation auf diesem Gebiet jetzt auch von christlichen Gruppen gefördert wird; er verlangte eine theologische Unterstützung solcher Bestrebungen und eine vorangehende theologische Klärung der entsprechenden Fragen.

Für Wien bedeutete diese von der Erzdiözese, dem Unterrichtsministerium und der niederösterreichischen Landesregierung geförderte und wohlwollend aufgenommene Versammlung zweifellos eine vielfache Anregung, die eigenen Arbeiten an dem dort Gebotenen zu messen.

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