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Im Dienst der Weltkirche

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Der Begriff „Europäische Kirche” hat einen sonderbaren Klang, ist vieldeutig, mit allzuvielen Assoziationen belastet. In dieser Situation, zwischen dem Nichtmehr der Abendlandsverteidiger und dem Nochnicht des Europas von morgen mit neuen allgemein anerkannten Funktionen und Strukturen, fand in St. Pölten vom 12. bis 16. Mai 1966 der zweite Europäische Kongreß für das Laienapostolat statt. Nach dem ersten kleinen Treffen von Kopenhagen im Jahre 1960 war dies der erste Versuch, von der Kirche in Europa zu sprechen. Bisher gab es die Ebene Europa zwischen den nationalen Kirchen und der Weltkirche nicht. Man weiß, es gab Koordinationsbesprechungen Vor und während des Konzils zwischen den mittel- und nordeuropäischen Episkopaten. Zu mehr kam es allerdings nicht.

Die viertägige St. Pöltner Tagung versammelte 130 Delegierte aus 17 europäischen Ländern im St.-Hip- polyt-Haus. In drei Referaten, über „Das neue Bild der Kirche” von Pater Roberto Tucci SJ., dem Herausgeber der Zeitschrift „Civittä cattolica”, aus Rom, „Die Chance der Kirche im veränderten Europa” von Kardinal Dr. Franz König (in Nr. 21/1966 der „Furche” auszugsweise abgedruckt) und „Die Funktion des Laien in der Kirche” von Dozent Dr. Erika Weinzierl, und in sechs Arbeitskreisen, „Das organisierte Laienapostolat”, „Der Dialog in der Kirche”, „Die Familie”, „Das pluralistische Europa”, „Probleme des Tourismus und der Fremdarbeiter”, „Mission und Entwicklungshilfe”, versuchte der von der COPECIAL (Comitato Permanente dei Congressi per l”Apostolato dei Laici) veranstaltete Kongreß, die ihm gestellten Aufgaben zu erfüllen:

Die Probleme des Laienapostolats, die von europäischer Wichtigkeit sind, zu diskutieren und den kommenden dritten Weltkongreß für das Laienapostolat, der im Herbst 1967 in Rom stattflnden soll und die Ergebnisse des Konzils für das Laienapostolat auswerten wird, auf europäischer Ebene vorzubereiten.

Konkrete Ergebnisse

Unter den konkreten Ergebnissen verdient besonders eine Entschließung Beachtung, welche die Wünsche des organisierten europäischen Laienapostolats bezüglich des nach dem Konzilsdekret „Apostolicam actuositatem” über das Laienapostolat zu schaffenden römischen Laienorganismus formulierte. Darin werden folgende Forderungen aufgestellt:

Das Laienapostolat möge im weitesten Sinn als das Apostolat des Volkes Gottes, das in der Welt wirkt, angesehen werden. Man müsse dabei bedenken, daß die Präsenz der Kirche in der Welt vor allem durch die Laien, welche in den Realitäten in der Welt leben müssen, gewährleistet wird.

Im römischen Organismus müsse eine Beurteilung der Laien garantiert sein, welche nicht nur die Vertreter der internationalen katholischen Organisationen, sondern auch eine möglichst große Zahl von nationalen Organismen und auch katholische Persönlichkeiten umfaßt, die wegen ihres persönlichen Ansehens und ihrer Strahlungskraft in den verschiedenen religiösen und welt liehen Arbeitsbereichen ausgewählt werden sollen.

Die den Laien betreffenden Fragen beschränken sich nicht auf Probleme des Laienapostolats, daher müsse Vorsorge getroffen werden, daß einerseits der Organismus in enger Zusammenarbeit mit allen Organen der kirchlichen Zentralverwaltung arbeiten könne, anderseits, daß aber die Beteiligung der Laien in einer neuen Form an der Arbeit in allen Verwaltungsbehörden der römischen Kurie gesichert sei.

Der dritte Weltlaienapostolatskongreß wird eine ausgezeichnete Möglichkeit sein, für die Verantwortlichen des neuen römischen Organismus, in Kontakt mit den bei diesem Kongreß in Rom anwesenden Vertretern, die Arbeitsweise und die Strukturen des neuen Organismus zu überprüfen.

Man müsse ähnliche Prinzipien, wie vorher für den römischen Organismus genannt, auch für die zu errichtenden Diözesanräte und, wo dies nötig und wünschenswert ist, auch für die entsprechenden Pfarräte oder zwischenpfarrlichen Gremien anwenden.

Kirche in Europa

Nach den Erfahrungen des Sankt Pöltner Kongresses wird man wohl folgendes über die kirchliche Wirklichkeit in Europa feststellen können:

Die romantischen Illusionen über das Abendland, das einst christlich war und nun wieder verchristlicht werden müsse, sind allerhöchstens noch in Reminiszenzen am Rande vorhanden. Kardinal König stellte fest: Wir seien auch der religiösen Phrase gegenüber hellhörig gewor-

den, im Begriffe der Wiederver- Christlichung liege die Täuschung, eine Sehnsucht nach alten Zeiten ist heute nicht mehr am Platz.

Damit verbunden wird sich in diesem Europa1 — auch darüber herrscht Übereinstimmung — die Kirche auch weiter von den Verzahnungen des Herrschens, der Macht und des politischen Einflusses entstricken müssen, um ihrer Funktion, die eine solche des Dienens ist, des Dienstes an allen Menschen, an den Gläubigen, an den kaum mehr und nicht mehr Glaubenden sowie an den Ungläubigen, glaubhafter nachzukommen.

Obwohl Europa als geistige Einheit in gemeinsamen Haltungen, in gemeinsamen Problemen vor ähnlichen Situationen bei diesem Kongreß erlebt werden konnte, hängen die Stellungnahmen der einzelnen nationalen Delegationen doch in starkem Maße von der Atmosphäre und der Stellung des jeweiligen Landes zu den politischen und wirtschaftlichen Integrationsprozessen ab. Dies ist einerseits ein erfreuliches Zeichen, weil damit eine feste Verankerung der Katholiken der einzelnen Länder in ihrer Gesellschaft zum Ausdruck kommt, läßt aber doch gewisse Bedenken über einen wieder stärker werdenden nationalen Im-

puls aufkommen. Von jener Erscheinung der geistigen Blockbildung, welche man abwertend „EWG- Katholizismus” genannt hat, war aber erfreulicherweise nichts zu merken.

Die Laienapostolatsbewegungen der einzelnen Länder sind auf sehr verschiedener Entwicklungsstufe bezüglich der Beteiligung der Katholiken am organisierten Apostolat und auch in ihrem organisatorischen Aufbau. Mit Ausnahme Irlands und natürlich auch der Länder unter kommunistischen Regierungen hat jedes Land ein Nationalkomitee für das Laienapostolat. Österreich steht dabei mit seiner Art der Organi sation des Laienapostolats in einer sehr guten Position. Die österreichische Lösung, die einerseits durch die Existenz einer starken Katholischen Aktion, anderseits durch eine, wirksame Beteiligung der katholischen Verbände und Organisationen gekennzeichnet ist und so dem innerkirchlichen Pluralismus einen für alle befriedigenden Ausdruck gibt, erscheint auch im internationalen Vergleich als eine vorteilhafte Lösung.

Beweis für die offene Geisteshaltung des Kongresses war es auch, daß das Streben nach der Einheit der Christen, der Ökumenismus, nicht mehr den Platz eines Zusätzlichen, eines Auch-noch am Kongreß einnahm, sondern in das Leben des Apostolats als integrierender Bestandteil eingegangen ist. Dafür kann die Tatsache sprechen, daß es keinen eigenen ökumenischen Arbeitskreis gab, sondern ökumenische Haltung und ökumenische Probleme in allen Diskussionen und Arbeitskreisen ihren selbstverständlichen Platz hatten.

Die Atmosphäre war auch insofern europäisch, als Europa für die Teilnehmer nicht an Elbe und March aufhörte. Die Teilnahme von polnischen und jugoslawischen Vertretern und der interessante schriftliche Bericht über den Stand und die Pläne des Laienapostolats in Polen, welchen Erzbischof Kominek dem Kongreß sandte, waren Beweise dafür. Dazu beigetragen hat wohl entscheidenderweise auch der Umstand, daß Österreich als Gastgeberland ausgesucht wurde, sowie die Interventionen der österreichischen Delegation für das weite Europabild.

In der Kirche ist die Zusammenarbeit zwischen Europäern relativ unterentwickelt, ja sogar die Notwendigkeit einer europäischen Zusammenarbeit ist noch nicht widerspruchslos anerkannt, der Kongreß hat aber an dieser Bewußtseinsbildung mitgewirkt. So wurde das Komitee katholischer Organisationen, welches die österreichische Nationaldelegation stellte, beauftragt, „die Frage des Erfahrungs- und Ideenaustausches sowie die Möglichkeiten zur Zusammenarbeit des organisierten Laienapostolats in Europa zu prüfen” und Vorschläge für die Errichtung eines „Europäischen Forums des Laienapostolats” dem dritten Weltlaienkongreß vorzulegen.

Von Europa, so kann man nach diesem Vorbereitungskongreß annehmen, werden wohl verstärkte Impulse auf das Laienapostolat und auf die Problematik des dritten Weltlaienkongresses ausgehen.

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