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Bis zum letzten Mann

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Seit ihrer Gründung im Jahre 1958 bringt die „Kronen-Zei- tung“ nicht nur Schlagzeilen, oft ist sie auch Gegenstand von Schlagzeilen in anderen Zeitungen: ihre mysteriöse Gründung, die Olah-Affäre, die 1966 von der SPÖ beschlossene „Ausräucherung“, der Erwerb und schließlich die Einstellung des „Express“, Gruppen- und Flügelkämpfe um ihr Eigentum (Piatnik, Olah usw.), der Infight mit dem „Kurier“ …

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Seit ihrer Gründung im Jahre 1958 bringt die „Kronen-Zei- tung“ nicht nur Schlagzeilen, oft ist sie auch Gegenstand von Schlagzeilen in anderen Zeitungen: ihre mysteriöse Gründung, die Olah-Affäre, die 1966 von der SPÖ beschlossene „Ausräucherung“, der Erwerb und schließlich die Einstellung des „Express“, Gruppen- und Flügelkämpfe um ihr Eigentum (Piatnik, Olah usw.), der Infight mit dem „Kurier“ …

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Seit einiger Zeit steht sie — obwohl von beiden Teilen immer wieder bestritten — unter dem Einfluß des Gewerkschaftsbundes, der materielle Hilfestellung heute in politische Münze umzusetzen versucht. Mitte 1973 wurde die Klärung von äußerst undurchsichtigen Eigentumsverhältnissen vom Justizministerium jäh gestoppt Möglicherweise haben dabei auch die engen Beziehungen zwischen Justizminister Broda und ÖGB-Präsident Benya eine Rolle gespielt. Die „Kronen-Zeitung“ hat die turbulenten sechzehn Jahre seit ihrer Gründung nicht nur überlebt, sie ist heute die auflagenstarkste Tageszeitung Österreichs.

Nun steht sie wieder im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses, und vordergründig scheint es, als seien dabei nicht die Interessen

Dritter, sondern allein Animositäten der beiden Fünfzig-Prozent-Teilha- ber Hans Dichand und Kurt Falk im Spiel. Audi unter dem Druck finanzieller Probleme (der Jahresgewinn der „Kronen-Zeitung“ vor Abzug der Steuern dürfte von rund 180 Millionen Schilling im Jahr 1973 auf rund 30 Millionen Schilling in diesem Jahr fallen), aber letztlich, um die politische Schreibweise seiner Zeitung unter Kontrolle zu halten, drohte der für den kommerziellen Bereich zuständige Kurt Falk mit der Kündigung von zwanzig Prozent der Redakteure und einer Reduktion der Gehälter um dreißig Prozent. Den Grund für dieses radikale Eingreifen lieferte ihm die Forderung der Redakteure nach einem sehr weitgehenden Redaktionsstatut. Die Redakteure machten Front gegen Falk, der für die Zeitungsgestaltung zuständige Hans Dichand ergriff die Partei der Redaktion. Die Angestellten der „Kronen-Zeitung“ (Journalisten, Verwaltung, Druck und Vertrieb) beriefen eine Betriebsversammlung ein, nannten die Forderung nach einem Redaktionsstatut unabdingbar und beschlossen schließlich, zu streiken. Im Verein mit dem Joumalisten-Gewerkschaf- ter Nenning gelang es Hans Dichand, die Redaktion zur Wiederaufnahme ihrer Arbeit zu bewegen. Gleichzeitig brachte Dichand gegen seinen Mit-Gesellschafter Falk eine Klage wegen unternehmensgefährdender Geschäftsführung ein. Als Gründe für dieses Verhalten nannte Dichand die kostspielige Methode Falks, qualifizierte Journalisten teuer „einzukaufen“, um ihnen schon nach wenigen Wochen mit dem Hinauswurf zu drohen.

Da sich Falk während der jüngsten „Kronen-Zeitungs-Affäre“ freilich stets verhandlungsbereit zeigte, ist es fraglich, ob Dichand mit dieser Klage auch tatsächlich durchkommt. Der von ihm genannte Klagegrund, Untemehmensgefähr- dung durch radikale Personalpolitik,

liegt teilweise schon so lange zurück, daß er von jedem Richter angezweifelt werden muß. Überdies hat Präsident Benya in einer Aussendung festgestellt, daß die Verhandlungsbereitschaft Falks die Berechtigung des Streiks in der „Kronen- Zeitung“ in Frage stelle.

Keine Zeitung wußte in den letzten Tagen über die Hintergründe der jüngsten „Kronen-Zeitungs“-Affäre besser Bescheid als die „Arbeiterzeitung“, keine Zeitung berichtete auch so ausführlich darüber. Warum nicht? — schließlich hat ein Parteiorgan nicht so oft Gelegenheit, parteiinterne Flügelkämpfe so präzis zu beschreiben. Die ungewöhnlich detaillierte Berichterstattung der „Arbeiter-Zeitung“ ging so weit, Faksimile persönlicher Schreiben von Kurt Falk an Hans Dichand abzudrucken. Preisfrage ist, wer da wem etwas gesteckt hat.

Offensichtlich scheint, daß Kurt Falk, der ÖGB-Präsident Benya näher steht als etwa dem SP-Partei- vorsitzenden Kreisky, der regierungsfreundliche Kurs nicht mehr behagte. Offenbar wollte er die „Kreisky-Schreiber“ Hans Mahr, Georg Novotny und Otto Fielhauer in ihren Möglichkeiten begrenzen, sei es auch durch Kündigung. Es ist nicht anzunehmen, daß Falk dies ohne Billigung der ÖGB-Repräsentanten machen wollte.

Dem SP-Parteivorsitzenden Bruno Kreisky, dem man wiederum engere Bindungen zu Hans Dichand nachsagt, ist es vorderhand gelungen, einen Strich durch die Rechnung Falks und Benyas zu machen. Fraglich ist dabei, ob diese Intervention Kreiskys von dauerhaftem Erfolg sein wird. Handels- und gesellschaftsrechtlich ist Hans Dichands Vorgangsweise jedenfalls problematisch. Darüber hinaus scheint es, als sei der Erfolg der „Kronen-Zeitung“ nicht nur das Ergebnis kluger Zei- tungspol’itk, sondern vor allem das Produkt marktnaher kommerzieller Führung. Der Kampf bis zum letzten Mann in der „Kronen-Zeitung“ ist demnach, wer immer gewinnt, für den Überlebenden nicht einmal ein halber Erfolg, aber für die Zeitung eine ganze Niederlage.

Vor dem Hintergrund von Flügelkämpfen in der SPÖ scheint die „Kronen-Zeitung“ zum Tiefenflug anzusetzen: Die Expansion in das westliche Österreich wurde gestoppt, der kommerzielle Erfolg im südöstlichen Raum (Steiermark und Kärnten) ist ausgeblieben. Die auflagenstärkste Tageszeitung, so heißt es intern, befindet sich in einer „Konsolidierungsphase“. Der Infight der beiden Gesellschafter zeigt, daß diese Phase nicht ganz so verläuft, wie man das von Konsolidierungen zu erwarten hätte.

Da Falk und Dichand seit sechzehn Jahren öfter Getriebene als Treibende in der „Kronen-Zeitungs“- Politik waren, beansprucht die Unternehmensentwicklung jedenfalls hier weniger öffentliches Interesse als die mögliche politische Entwicklung der Drahtzieher. Wer in dieser Auseinandersetzung gewinnt — Kreisky oder Benya — dürfte sich jedenfalls in der SPÖ für längere Zeit durchgesetzt haben.

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