50 Jahre Zentralorgan des Ressentiments

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Schon wegen der vielen berechtigten Kritik an der neuen Kronen Zeitung ist zum 50. Jahrestag ihres Erscheinens zuvorderst zu betonen, wofür ihrem Gründer und Hälfteeigentümer, dem Journalisten und Verleger Hans Dichand, Respekt und Anerkennung gebühren: für die Lebensleistung, die Unternehmensgründung, für die echt gemeinte Liebe zu seiner Heimat Österreich, für die Verbundenheit mit den sogenannten kleinen Leuten und für seine echte Abneigung gegen eine nicht leistungsbereite Oberschicht, die sich bereichert. Doch der große, ja übergroße Rest ist ein Problem.

Die Kronen Zeitung erreicht heute in Österreich täglich nahezu drei Millionen Leser. Mit einer Reichweite von knapp 42 Prozent ist das erstmals am 11. April 1959 erschienene Blatt relativer Weltmeister unter den Tageszeitungen. Doch der bedauerlicherweise nur quantitative und keineswegs qualitative Erfolg beruht darauf, ein in der Bevölkerung weit verbreitetes, jederzeit abrufbares Ressentiment zu bedienen. Die Titelzeilen der Kronen Zeitung dienen weniger der Mitteilung einer Nachricht, als der Vermittlung dessen, was man von dieser halten könnte. Es ist Boulevard, nicht die wesentlichen Themen des öffentlichen Gespräches zu präsentieren, sondern die Nebenthemen. Nicht die Sache zu referieren, sondern der moralischen Entrüstung über das Geschehene leicht fassbaren Ausdruck zu verleihen. Es ist boulevardesk, emotionale Entrüstung zu formulieren und so nicht ein Bedürfnis nach Information zu erfüllen, sondern eines nach Bestätigung dessen, was mancher für seine Meinung hält.

Gefühle der Abneigung etwa gegenüber andersartigen Menschen sind offenbar selbstverständliche Facetten jeder Person. Genau an diese conditio humana knüpft die Kronen Zeitung an, anstatt dazu beizutragen, sie zu überwinden. Die Kronen Zeitung kennt daher nur schwarz-weiß, aber keine Grautöne. Freund und Feind, aber nicht Partner. Zustimmung oder Ablehnung von Menschen und Staaten, aber nicht deren Akzeptanz auf der Grundlage der Einhaltung von Regeln. Sie vermittelt den falschen Eindruck, alles Recht gehe vom Volk aus (laut Bundesverfassung gilt das nur für jenes der demokratischen Republik Österreich; Anm.). Und dazu kommen die Kampagnen, etwa zugunsten unberührter Landschaften, welche Parteien medienpolitisch mundtot machen. Diese schweigen ohnedies zur unpassenden Art und Größe der Kronen Zeitung etwa in kartellrechtlichen Angelegenheiten, weil sie es sich mit Hans Dichand nicht verscherzen wollen. Eine Person wie er, die alles durch eigene Anstrengung erreicht hat, nimmt alles persönlich.

So glaubte er, sich in die Politik einmischen zu müssen, konkret in die Wahl von Bundespräsidenten und die Bildung von Koalitionsregierungen. Die Kritik daran kontert die Kronen Zeitung mit dem Vorwurf, offenbar würden es einige nicht ertragen, dass es eine unabhängige Zeitung mit eigener Meinung gebe. Genau dieser Konter entlarvt die Kronen Zeitung, und nicht ihre Kritiker. Deren Vorhaltungen gegenüber diesem Blatt bestehen ja nicht darin, dieses habe eine Meinung, sie kritisieren, dass diese Zeitung mit nicht offengelegten Argumenten eine Stimmung herzustellen versucht, die ihren geschäftlichen Interessen dient, und zu diesem Zweck staatliche vortäuscht. Dafür nutzt sie ihre Größe, die sie nicht ihrer Hellsichtigkeit in der res publica, sondern der Bedienung des Ressentiments verdankt. Dieser Teufelskreis schließt sich täglich seit nunmehr 50 Jahren.

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