Die Entfesselung des Volkes

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oder: Österreich in Geiselhaft eines 87-Jährigen?

Wer hätte noch vor Monatsfrist gedacht, dass er, entfesselt wie in seinen erfolgreichsten Zeiten, das Land politisch auf den Kopf stellen könnte? Ob Hans Dichand, der bekanntlich seit einiger Zeit jedweden Hass gegen Brüssel schürt, geahnt hat, wie sehr ihm die Politik in die Hände spielen würde? Der neue SPÖ-Grande hat sich unter die großväterlich-fürsorglichen Fittiche des Krone-Herausgebers begeben. Daran ändert auch die jüngste Home-Story über den "privaten Faymann" im Konkurrenzblatt Österreich nichts.

Ob unter des Landes bekanntestem Pseudonym "Cato" oder aus den Federn seiner schreibenden Adlaten - von Hans-Peter Martin und "Prof." Dr. Adrian Hollaender bis zu den bekannt eindeutig rabiaten Leserbrief-Schreibern: Aus allen Rohren kampagnisiert die Kronen Zeitung.

Was sich da etwa Außenministerin Ursula Plassnik anzuhören hat, erreicht längst die Unappetlichkeit, mit denen Dichand & Co einst VP-Chef Erhard Busek, SP-Innenminister Caspar Einem oder Liberalen-Frontfrau Heide Schmidt aus ihren Ämtern mobbten.

Wie das Amen im Gebet ruft Cato "Das Recht geht vom Volk aus!" (zuletzt in der Montags-Krone …) und gibt vor, nichts als die Verfassung hüten zu wollen. Mit der kleinen Unschärfe, dass er zwar "Volk" schreibt, aber die Krone meint.

Kein Wunder also, dass auch das dieser Tage publizierte Eurobarometer Österreich in sachen EU-Akzeptanz inferiore Werte ausstellt. Dabei konnten die Anti-EU-Eskapaden der neuen Achse Dichand-Faymann ins aktuelle Eurobarometer noch gar nicht einfließen.

Man mag sich nicht ausmalen, was beim nächsten Halbjahres-Check über die EU-Stimmung im Lande herauskommen wird. Heike Hausensteiner, die Österreich-Berichterstatterin fürs Eurobarometer, ortet denn auch den Anti-EU-Kurs der Kronen Zeitung als eine Ursache fürs schlechte Image Europas im Lande (Seite 3 dieser Furche).

Man sollte aber dennoch die Kirche im Dorf lassen: Wie Hans Dichand und seine Mannen seit geraumer Zeit agieren, mag empörend und in der politischen Perspektive haarsträubend sein.

Aber das Land steht nicht nur unter der Knute eines zornigen Greises, sondern das extreme und extrem konstante Stimmungstief in Sachen Europa fußt auch auf vielen anderen Aspekten - nicht zuletzt auch darauf, dass es Spitzenpolitikerin um Spitzenpolitiker sehr wohl darum zu tun ist, das Wohlwollen des Krone-Patriarchen zu erlangen. Man erinnert sich: Auch die nun so geschmähte Außenministerin hatte sich in die Redaktion der Kronen Zeitung zu Hans Dichand aufgemacht.

Zum andern ist auch nicht zu leugnen, dass es Politikern aller Couleur nur allzu recht ist, unangenehme und unpopuläre Entscheidungen den Brüsseler Eurokraten umzuhängen. (Womit keineswegs gesagt ist, dass es an der EU und ihrer gegenwärtigen Verfasstheit nicht auch genug zu kritisieren gibt.)

Und schließlich sind nicht nur die impertinente Stimmungsmache der Kronen Zeitung oder grobe Fahrlässigkeiten der Politik anzuprangern: Denn wie steht es um das kritische, genauer gesagt: medienkritische Potenzial von Herrn und Frau Österreicher? Dass ein Printmedium wie die Kronen Zeitung eine derartige, weltweit unerreichte Reichweite hat, müsste ja den mündigen Bürgern längst zu denken geben. Doch wenn sogar unter den Akademikern im Lande die Krone als meistgelesene Zeitung firmiert, ist es mit dem kritischen Diskurs nicht weit her.

Um nicht missverstanden zu werden: Weder sind die Versäumnisse der Politik zu beschönigen, noch darf die Gefährlichkeit der Tiraden von Cato & Co unterschätzt werden.

Doch auch "das Volk" - von dem laut Hans Dichand ja "das Recht" ausgeht - darf sich nicht von einem Medium im Lande knebeln lassen.

Auch wenn es ein wenig nach frommem Wunsch klingt: Die Ent-Fesselung der Bürger aus dem Meinungskorsett der Kronen Zeitung müsste auf der Agenda der Zivilgesellschaft stehen.

Und zwar ganz, ganz weit oben.

www.otto.friedrich@furche.at

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