1,90 Meter blonder Eigensinn

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Sie führt einen Kampf, vor dem sich ihre männlichen Kollegen in der Regierung stets schändlich gedrückt haben: Ursula Plassnik, Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten, tritt weiter offensiv und aktiv gegen die Kronen Zeitung auf, mit der andere Politiker meist das Arrangement gesucht haben. Auseinandersetzungen mit den Medien und den Journalisten ist sie gewohnt, seit sie Wolfgang Schüssel 1997 als Vizekanzler und 2000 als Bundeskanzler zur Chefin seines Kabinetts machte.

Die Juristin und Diplomatin, die mehrere Sprachen perfekt spricht und seit einiger Zeit alleine lebt, war und ist stets bestens vorbereitet, top informiert und der täglichen Agenda immer ein Stück voraus. Den Kennern der handelnden Personen und der Machtstrukturen gilt es als leichte Ironie der Geschichte, dass Plassnik nun einen Teil ihrer Zeit und Energie dafür verwendet, sich mit einer Boulevardzeitung zu befassen, denn wirklich gesucht hat sie die Öffentlichkeit niemals.

Die Kronen Zeitung führt gegen Plassnik eine nahezu beispiellose Kampagne, die auf unvollständigen Nachrichten und auf Verdrehung von Tatsachen beruht. So zeigte das Blatt des Herausgebers Hans Dichand erst kürzlich, wie Plassnik den Vertrag der Europäischen Union von Lissabon unterschrieb. Der neben ihr unterzeichnende Bundeskanzler Alfred Gusenbauer wurde nicht gezeigt. Dafür war in der Bildbeschriftung von einem "Kniefall" Plassniks die Schreibe. Genau so werden Menschen, diesfalls die nur die Krone konsumierenden Leser, in die Irre geführt. Plassnik reagierte prompt mit einer vollständigen Darstellung des Sachverhaltes, die sie per Rund-Mail eiligst allen Chefredakteuren zusandte. Hans Dichand wird ihr den öffentlichen Vorwurf, die Anti-EU-Kampagne der Krone habe hohen Anteil an der EU-Feindlichkeit Österreichs, niemals verzeihen. Aber in Plassnik hat er seine Meisterin gefunden.

Der frühere britische Außenminister Straw verlieh ihr 2005 eine - natürlich unsichtbare - Tapferkeitsmedaille: Plassnik hatte beim damaligen EU-Rat durchgesetzt, dass die Verhandlungen über den Beitritt der Türkei zur EU nicht automatisch zu deren Mitgliedschaft führen müssten, sondern dass auch weitere politische und wirtschaftliche Kriterien hinsichtlich der Aufnahmefähigkeit der EU zu berücksichtigen seien. Die Minister der Union waren erleichtert, doch die Zeitungen der Türkei waren verblüfft über so viel an Beharrlichkeit: "1,90 Meter blonder Eigensinn" betitelten die Blätter ihre Berichte über Plassnik mit einer Mischung aus Empörung und Bewunderung.

Die weltgewandte Außenpolitikerin ist dank Kontaktpflege international bestens vernetzt, pflegt regelmäßige Konsultationen mit ihren Ressortkollegen Bernard Kouchner (Frankreich), Tzipi Livni (Israel) und Frank-Walter Steinmeier (Deutschland). Und natürlich mit US-Außenministerin Condoleezza Rice. Wegen ihrer regelmäßigen Besuche der Bundesländer kennt sie allerdings auch die nationalen und lokalen Berühmtheiten.

Im Konflikt mit der Kronen Zeitung hat sie Haltung gezeigt und ihre Linie gehalten wie vor ihr nur Wolfgang Schüssel und Erhard Busek. Ihre Gegner mögen über so viel Eigensinn irritiert sein, tatsächlich gebührt ihr dafür eine weitere Tapferkeitsmedaille.

C. R.

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