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Roulette mit Zeitungen

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Als letzte Woche die Gesellschafter (und mehrere politische Potenzen der ÖVP, die keineswegs Gesellschafter waren oder sind) des Osterreichischen Verlages im traditionsreichen Haus in der Strozzigasse des 8. Gemeindebezirks zur schon lange vorher angekündigten Generalversammlung zusammentraten, war es für jeden Eingeweihten klar, daß diese Versammlung das Ende des österreichischen Verlages bedeuten werde: Die steirische und die Kärntner ÖVP beabsichtigen, die in ihren Landeshauptstädten beheimateten Zweigstellen des österreichischen Verlages vom defizitären Wiener Kopf — und koste es Millionen! — loszukaufen und die Wiener mit ihren Sorgen Wiener sein zu lassen. Der Wirtschaftsbund war (und ist) an einer Sanierung des österreichischen Verlags mit seinem „Volksblatt“ auch kaum interessiert: Er hatte (und hat) genug Sorgen mit seiner „Presse“.

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Als letzte Woche die Gesellschafter (und mehrere politische Potenzen der ÖVP, die keineswegs Gesellschafter waren oder sind) des Osterreichischen Verlages im traditionsreichen Haus in der Strozzigasse des 8. Gemeindebezirks zur schon lange vorher angekündigten Generalversammlung zusammentraten, war es für jeden Eingeweihten klar, daß diese Versammlung das Ende des österreichischen Verlages bedeuten werde: Die steirische und die Kärntner ÖVP beabsichtigen, die in ihren Landeshauptstädten beheimateten Zweigstellen des österreichischen Verlages vom defizitären Wiener Kopf — und koste es Millionen! — loszukaufen und die Wiener mit ihren Sorgen Wiener sein zu lassen. Der Wirtschaftsbund war (und ist) an einer Sanierung des österreichischen Verlags mit seinem „Volksblatt“ auch kaum interessiert: Er hatte (und hat) genug Sorgen mit seiner „Presse“.

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Aber es kam anders: Mitten in die Versammlung platzte die soeben vom BAWAG-Pressedienst produzierte und von der APA via Fernschreiber verbreitete Meldung, daß die Eigentümer der „Kronen-Zeitung“, Dichand und Falk, 49 Prozent der „Pressehaus-AG“ erworben und eine Option auf das fünfzigste Prozent sichergestellt hätten. Womit die Sensation perfekt und die steirischen Zentrifugalkräfte gebremst waren.

In aller Stille hatte ein wichtiger Eckstein im sozialistischen Zeitungsund Druckerei-Imperium seinen Einbau erfahren.

Es begann damit, daß nach dem

Olah-Kronenzeitung-Rosenzweig-Broda-Krieg von 1965/66 noch 1969 ein Vergleich gefunden werden konnte, der nach außen hin rein wirtschaftliche Motive hatte, immerhin jedoch bewirkte, daß die nach wie vor unabhängige „Kronen-Zeitung“ heute der sozialistischen Minderheitsregierung weit weniger kritisch gegenübersteht als seinerzeit der sozialistischen Koalitionsbzw. Oppositionspartei. Besagte „Kronen-Zeitung“ wurde (und wird) im sogenannten Pressehaus gedruckt, und zwar unter Bedingungen, die es Fritz Molden ratsam erscheinen ließen, die hohen Lasten nicht auf seiner eigenen Schulter zu belassen. Für das moderne Pressehaus fand er einen zahlungskräftigen Käufer: die INGEBE-Ges. m. b. H., eine Tochtergesellschaft der BAWAG, an der wiederum die deutsche Schwester, nämlich die Bank für Gemeinwirtschaft, beteiligt ist.

Molden seinerseits, der es nicht lassen konnte, am Zeitungsmarkt aufzuscheinen, erwarb die „Wiener Wochenausgabe“, die er nach dem Muster des erfolgreichen „Paris Match“ erscheinen zu lassen gedachte. Wie nunmehr allgemein bekannt, ist auch diese Phase vorüber: Die „Wochenausgabe“ wird als Wochenblatt der „Kronen-Zeitung“ geführt; ihr Chefredakteur ist der vom „Kurier“ abgewanderte menschlich gesehene Journalist Reinald Hübl, während der frühere „Wochen-ausgabe“-Chef Fahrensteiner sich bemüht, eine Sonntagzeitung des „Kurier“ mit herbstlichem Saisonbeginn auf den Markt zu bringen. Doch auch die neuen „Pressehaus“-Besitzer erkannten die Schwächen des Druckvertrages mit der „Kronen-Zeitung“. Es war daher nur eine logische Folge der bisherigen Verflechtungen, Dichand und Falk eine Beteiligung an jener Druckerei anzubieten, die täglich hunderttausende Exemplare des Boulevard-Kleinformats ausspeit. Nach diesem Roulette ist das sozialistische bzw. sozialistisch kontrollierte Presse-Imperium perfekt: Neben dem Pressehaus verfügt man über die mit ihm am 17. Juni 1970 verschmolzene Elbemühl-Ges.

m. b. H., die nunmehr mit 18 Millionen Schilling der INGEBE und mit zwei Millionen dem Verlag des

ÖGB gehört, also zu hundert Prozent den nunmehr 51prozentigen Besitzern des Pressehauses. Eine Verschmelzung auch mit dem sozialistischen Parteiverlag „Vorwärts“ — auch hier spielt das Datum 17. Juni eine Rolle — wurde im letzten Moment abgewehrt. Der traditionsreiche „Vorwärts“ bleibt bestehen und gibt nach wie vor unter anderem die „Arbeiter-Zeitung“, die „Neue Zeitung“, die sozialistische buirgenländische Wochenzeitung „BF“ und andere Druckobjekte entweder als Verleger, Eigentümer oder zumindest als Drucker heraus. Die INGEBE ihrerseits gehört vollständig der BAWAG, die sich im mehrheitlichen Besitz des ÖGB befindet. Bevor es zum Einkauf Dichands und Falks in das Pressehaus kam, haben die „Kronen-Zeitung“-Eigentümer bereits ein geeignetes Areal unweit der 4. Wiener Donaubrücke gekauft, um dort notfalls ein eigenes Druckereigebäude errichten zu können. Wie weit diese Bauabsichten nunmehr beeinträchtigt sind, läßt sich für Außenstehende kaum abschätzen, zumal die beiden Pläne überhaupt schwer abzuschätzen, wenn auch bisher immer noch erfolgreich waren. Möglicherweise sind all diese Vorgänge nur im Zusammenhang mit dem Bemühen sehr heterogener Kreise zu verstehen, neben dem ORF in Österreich eine zweite Rundfunkanstalt einzurichten. Falls diese Kreise sozialistische sind, wäre das rote Informationsimperium perfekt.

Doch auch auf der nichtsozialistischen Seite schläft man nicht: Nach zähen Verhandlungen ist es gelungen, die vom katholischen Preßverein Linz herausgegebene Zeitung „Linzer Volksblatt“ in direkte Hand der ÖVP zu bekommen. In der Parteizentrale hat man eine neue Abteilung für Information geschaffen und außerdem die erste Nummer einer vierseitigen Betriebszeitung für die Hausangestellten herausgegeben. Und angesichts solcher gewaltigen Anstrengungen scheint ja für die ÖVP das sozialistische Pressekonzept von vornherein zum Scheitern verurteilt zu sein ...

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