6790142-1970_33_01.jpg
Digital In Arbeit

Der private Gigant

Werbung
Werbung
Werbung

Die Regierung Kreisky, die infolge des Wahlausganges vom 1. März keine echte Mehrheit im Parlament besitzt und sich deshalb mühsam von Abstimmung zu Abstimmung hin-durchwinden muß, könnte im Nationalrat dennoch einen eklatanten Erfolg erzielen und alle Parteien hinter sich haben, wenn sie folgenden Gesetzesantrag stellen würde: Die Bank für Arbeit und Wirtschaft ist zu verstaatlichen.

Die BAWAG, wie diese Bank abgekürzt heißt, ist die drittgrößte Aktienbank Österreichs. Nur Credit-anstalt-Bankverein und österreichische Länderbank sind größere Bankinstitute. Die BAWAG ist größer als das österreichische Credit-Instiut, das ebenfalls mit Creditanstalt und Länderbaink im Jahre 194G verstaatlicht wurde. Mancher wird erstaunt fragen, warum damals, als das Verstaatlichungsgesetz für die Großbanken beschlossen wurde, nicht die Arbeiterbank (wie die BAWAG ursprünglich hieß) verstaatlicht wurde? Die Frage ist einfach zu beantworten: Die Arbeiterbank existierte zu dieser Zeit noch gar nicht. Denn sie wurde erst 1947, als die Verstaatlichung der übrigen Banken bereits beschlossen war, gegründet. Zwar ist die Tradition der Arbeiterbank recht alt, denn sie geht auf die bis 1934 schon bestehende Arbeiterbank zurück, deren Anfänge bis in die Zeit vor dem ersten Weltkrieg reichen. Aber formalrechtlich war die Arbeiterbank 1946 noch nicht wiedererstanden und konnte somit nicht in das Verstaatlichungsgesetz über die Banken einbezogen werden. So ergibt sich die groteske Situation, daß die linke Reichshälfte, die am lautesten die Verstaatlichung der Großindustrie und der großen Geldinstitute forderte, selbst die größte Privatbank Österreichs gründete.

Denn die BAWAG gehört eindeutig in den Bereich der linken Reichshälfte. Ihre Aktionäre sind zu 47,5 Prozent der österreichische Gewerkschaftsbund, dann zu gleichen Prozentsätzen die GÖC und zu fünf Prozent die Bank für Gemeinwirtschaft AG in Frankfurt am Main. Größter Einleger bei der Bank sind die Konsumgenossenschaften und der österreichische Gewerkschaftsbund. Letzterer hat vor allem den größten Teil seines Streikfonds in der Bank placiert. Dies allerdings hat einen nicht zu übersehenden politischen und wirtschaftlichen Vorteil: dadurch wird es in Österreich kaum jemals größere legale (das heißt vom Gewerkschaftsbund bewilligte) Streiks geben, die auch noch längere Zeit andauern. Denn in diesem Fall müßten die Streikfonds angegriffen werden, und dies könnte die BAWAG in nicht unerhebliche finanzielle Schwierigkeiten versetzen. Die ununterbrochene Welle von Streiks, wie sie Italien seit längerer Zeit erlebt, ist somit aus dem oben angeführten Grund dn Österreich nicht möglich. Neben Konsumgenossenschaften und Gewerkschaftsbund haben noch Sozialversicherungsträger vielfach ihre Gelder der BAWAG anvertraut. Die Einlagen privater Kunden fallen demgegenüber kaum ins Gewicht

In den letzten Jahren bemühte sich die BAWAG außerordentlich um eine Verbreiterung ihrer Basis: neue Zweigstellen wurden errichtet, wodurch neue Einleger gewonnen werden sollten und auch gewonnen werden konnten. Die Bank bemüht sich auch immer mehr, Kreditnehmer aus dem Bereich der privaten Wirtschaft zu erlangen, ein Beginnen, das in den letzten drei Jahren sehr erfolgreich gewesen sein soll. Denn während die Eroberungen des deutschen Soldaten, die ihm im zweiten Weltkrieg gelangen, alle verloren gingen, konnte das westdeutsche Kapital mit Beginn des deutschen Wirtschaftswunders immer mehr und entferntere Märkte nicht nur erobern, sondern direkt oder indirekt große Kapitalbeteiligungen in den verschiedensten Ländern erlangen.

Ein weiterer Schwerpunkt in der Aktivität der BAWAG besteht im Aufbau eines eigenen Bankenkon-zems, bei dem aus politischen Gründen Papier- und Druckereiinteressen im Vordergrund stehen. So konnte bekanntlich die BAWAG das „Pressehaus“ erwerben, gab aber von ihrer Beteiligung wiederum 49 Prozent an ihren größten Kunden, die „Kronenzeitung“, ab. Viele bürgerliche Zeitungen, wie die „Wochenpresse“, die „Presse“, aber auch Pfarrblätter werden somit jetzt in einer Druckerei hergestellt, von welcher mehr als die Hälfte der linken Reichshälfte gehört. Infolge des starken Rückhaltes bei seinen Aktionären ist das Institut in den letzten Jahren stärker gewachsen als die meisten anderen österreichischen Bankinstitute. Während das Aktienkapital im Jahre 1955 nur 30 Millionen betrug, besteht es derzeit aus 203 Millionen und soll in Kürze neuerlich erhöht werden. Die bei dem Institut gehaltenen Einlagen beliefen sich gegen Jahresende 1969 auf rund 7,4 Milliarden Schilling, die Kredite einschließlich der Wechsel erreichten die schöne Summe von rund 4,7 Milliarden Schilling.

Die BAWAG ist somit eine sehr große Bank. Und sie ist auch eine sehr gesunde Bank. Warum sollte sie aber verstaatlicht werden? Sowohl die SPÖ wie auch die ÖVP stellten sich seinerzeit auf den Standpunkt, daß die Schwerindustrie, aber auch die großen Banken, die doch enorm wichtig für die Wirtschaft eines Landes sind, zu verstaatlichen seien. Aus den infachen Gründen, um diese Institute und Industrien vor dem Einfluß ausländischen Kapitals sicherzustellen, sie somit Österreich zu erhalten und durch eine Oberaufsicht eine richtige wirtschaftliche Leitung dieser Unternehmungen zu garantieren. Durch diese Verstaatlichung wurde vermieden, daß die große Industrie wie auch die großen Banken in ausländischen, vor allem deutschen Besitz gelangten, wie dies bei mittleren Unternehmungen nur zu oft der Fall war.

Durch eine Verkettung von Umständen wurde seinerzeit die Arbeiterbank nicht verstaatlicht. Jetzt kann dieser Schönheitsfehler bereinigt werden. Wenn diese Bereinigung von der sozialistischen Minderheitsregierung vorgenommen wird, kann niemand sagen, daß dies ein politischer Angriff auf den Besitz der linken Reichshälfte sei. Und da die ÖVP seinerzeit für die Verstaatlichung der Großbanken stimmte, zu einer Zeit, da sie den Bundeskanzler stellte, könnte sie jetzt auch nicht gegen die Verstaatlichung der drittgrößten österreichischen Bank stimmen. Und so würde die Regierung Kreisky, falls sie dieses Gesetz einbringt, das ganze Parlament für sich haben und könnte außerdem den Erfolg für sich buchen, daß es ihr mit ihren wirtschaftlichen Prinzipien wirklich ernst ist. ,

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung