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Kritik an der NIK

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Infolge der ungarischen Bodenreform gingen sämtliche größere Waldungen, Flüsse und Seen des Landes in staatlichen Besitz über. Ihnen folgten — von kleineren Gruben abgesehen — sämtliche Eisen-, Kohlen-und sonstigen Gruben und Bergwerke. Zu Anfang des laufenden Jahres setzre die Regierung auf Initiative der sozialdemokratischen und der kommunistischen Partei auch die Verstaatlichung der ungarischen Schwerindusttie durch. Ende Mai traten die beiden Parteien mit der Forderung zur Verstaatlichung der Banken auf den Plan, bisher wurde jedoch nur die Nationalbank verstaatlicht, indessen die übrigen Geldinstitute — mit zwei Ausnahmen — vorläufig unter staatliche Kontrolle gestellt wurden, um zweifellos mit dem Schicksal mindestens der größeren Banken nach den Wahlen verstaatlicht zu werden. Um-so größeres Aufsehen erregt daher die Studie, die der kommunistische Wirtschaftspolitiker Julius Karadi im sozialwissenschaftlichen Organ der kommunistischen Partei über die Verstaatlichung der ungarischen Schwerindustrie veröffentlicht, ein Votum, das durch seine Offenheit und Sachlichkeit auffällt.

Die Produktion der NIK (Verkürzung für „Zentrale der ungarischen Schwerindustrie“), die sich aus der Manfred Weiß, Ganz, Ung. Eisen- und Stahlfabrik, wie auch? aus der Rimamuranyer A.-G. und deren Filialen zusammensetzt und mit ihrer Tätigkeit im Dezember 1946 begonnen hat, ist — wie der Verfasser nachweist — nach den Rückfällen der Monate Dezember und Jänner in einem ständigen Aufstieg begriffen. Die Produktion der Monate Februar, März und April 1947 hat die der Monate September, Oktober und November 1946 um 11,9 Prozent, Jl Prozent und schließlich um 37 Prozent überstiegen. Außerdem könne aber auch eine Verbesserung der Arbeitsleistung beobachtet werden, wiewohl sie die der Friedenszeiten aber noch nicht erreicht habe.

Demgegenüber zeigt die Verwertung — stellt Karadi fest — ein erheblich ungünstigeres Bild. Von anderen Gründen abgesehen — hauptsächlich darum, weil „die Qualität der Waren noch immer nicht zufriedenstellend ist“. Außerdem gibt es aber auch verschiedene innere Fehler und Unzulänglichkeiten des Betriebes, die die Verwertung nachteilig beeinflussen. In der Durchführung — hebt der Verfasser hervor — zeigen sich an Stelle zielbewußter Handlungen unschlüssige Halbheiten. Anstatt der zur Lösung der wichtigsten Probleme notwendigen Zusammenfassung der Kräfte kann vielfach deren Zersplitterung und Verirrung in Teillösungen beobachtet werden. Schließlich bezeichnet der Verfasser als eine weitere Ursache auch die „m a n-gel hafte Arbeit,smora 1“.

Aus dem Zusammenspiel all dieser Faktoren ergibt sich nach Karadi als eine große Belastung der Verstaatlichung das Defizit, das nicht nur aus wirtschaftlichen, sondern noch vielmehr aus politischen Gründen ausgemerzt werden müss:. „da die Reaktion sich mit großer Vorliebe des Defizits als einer Waffe gegen die Verstaatlichung bedient“. Dabei verschweige die Reaktion natürlich, daß die Unternehmungen der ungarischen' Schwerindustrie auch in der Vergangenheit immer mit Defizit ge?rbeitet hatten, folglich könne und dürfe man für die' heutige Lage nicht ausschließlich die Verstaatlichung verantwortlich machen. Der Schein, als wären diese Unternehmungen früher rentabel gewesen, sei fast ausschließlich in der staatlichen Unterstützung begründet, die sich in Transport-, Tarif-und Steuerbegünstigungen äußerte, und auch in den Kartellen und Schutzzöllen eine starke Rückendeckung gefunden habe. Günstig habe sich die finanzielle Lage der Unternehmen dann zeitweise durch die Kriegsproduktion gestaltet.

Karadi steht nicht an. zuzugeben, daß das Defizit der NIK zu verringern oder gar auszuschalten notwendig sei, daß die Produktion zielbewußt organisiert, zwischen den einzelnen Unternehmen -eine bessere Zusammenarbeit bewerkstelligt, die Produktion rationalisiert und sdiließlich auch die Arbeitsdisziplin wieder hergestellt werde. Zugleich betont der kommunistische Wirtschaftspolitiker, die NIK werde nur dann in der Lage sein, diese Aufgabe zu erfüllen, wenn es ihr gelingt, sich das Vertrauen und die Unterstützung der Arbeiter ihrer Betriebe zu sichern. Dies sei aber nur möglich, wenn der Arbeiterschaft die Bedeutung des Defizits und der Verstaatlichung entsprechend ejrläutert und eingeschärft würde. Als notwendig erachtet er-ferner die enge Zusammenarbeit zwischen den beiden marxistischen Parteien in den Betrieben, daß „die zwischen ihnen bestehende Konkurrenz endlich abgeschafft werde, sich ihre Kraft nicht im Kampf gegeneinander zersplittere“. Schließlich bezeichnet er als eine unerläßliche Vorbedingung der Produktionssteigerung die noch ausständige Erfüllung jener sozialen Forderun gen, die von den Arbeitern der Schwerindustrie gestellt werden.

Im „Uj Ember“ setzt sich der bekannte katholische Soziologe, Universitätsprofessor Dr. Veit Mihelics, mit der Studie Karadis kritisch auseinander. Er stimmt der Grundthese Karadis zu, daß das Urteil, ob Verstaatlichung richtig oder nicht sei, davon abhänge, ob durch die Verstaatlichung das Gemeininteresse gefördert werde oder nicht. Sodann resümiert er die grundsätzliche Stellungnahme zu den bisher durchgeführten Verstaatlichungen:

„Über die marxistische Bilanz hinausgehend, können wir jene Bedürfnisse und Forderungen nicht genug betonen, die sich aus unserer katholischen Weltanschauung ergeben und ebenfalls alle Zweideutigkeiten aussdiließen. Wir verwahren uns entschieden dagegen, daß durch die Verstaatlichung Einzelpersonen mit solchen Machtbefugnissen ausgestattet werden, die ihnen gegenüber ihren Mitmenschen und der Gemeinschaft eine sonst nur dem Staat zukommende Funktion gewähren. Das Motiv, das uns zu diesem Standpunkt zwingt, ist weder der Hinblick auf die Maditver-mehrung des Staates noch der Partei, sondern ausschließlich die erfolgreichere Sicherung der individuellen Freiheit des Mensche n.“

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