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Digital In Arbeit

Briefe an den Herausgeber der „furche“

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Der Arbeiter in der verstaatlichten Industrie

Sehr geehrter Herr Herausgeberl

„Jedem der 90.000 Arbeiter, die in dem gewaltigen Produktionskomplex der verstaatlichten Industrie Beschäftigung haben, sollte stets bewußt sein, daß er in einem verstaatlichten Betrieb tätig ist, der Eigentum des ganzen Volkes ist. Das bedeutet ein neues Verhältnis des Arbeitnehmers gegenüber seiner ,Vnternehmung', aber auch eine große Verpflichtung.

Die Möglichkeit der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen ist für alle Zeit in diesem Betrieb unmöglich gemacht. Die Leistung des einzelnen dient nicht mehr dem persönlichen Profit irgendeines Unternehmers, sondern sie kommt zur Gänze dem Betrieb, der Gesamtheit des Volkes und letzten Endes wieder der Arbeiterschaft in diesen Betrieben zugute.“

Niemand anderer als Minister Wald-brunner hat vor einiger Zeit in der ERP-Beilage der Gewerkschaftszeitungen das Problem der Stellung des Arbeiters im verstaatlichten Betrieb mit diesen Worten umschrieben.

Zunächst: Gibt es eine Ausbeutung des Menschen durch den Menschen wirklich nur im Interesse eines Unternehmerprofits? Gibt es so etwas nicht auch bei den ganz kleinen Vorarbeitern der staatlichen Betriebe, etwa wenn im Gruppenakkord gearbeitet wird? Gibt es so etwas nicht auch bei kleinen und großen Vorständen staatlicher Dienststellen, die ihre Erfolge auf den Schultern ihrer Untergebenen errungen haben? Gibt es nicht eine Ausbeutung des Menschen durch den Menschen überall dort, wo bei der Besetzung von Stellen das Parteibuch und nicht die Leistung tntscheidet? Die Verstaatlichung ist also keineswegs ein Heilmittel gegen die Ausbeutung.

Dann: Bezahlt wird der Arbeiter und Angestellte doch für seine Leistung. Entspricht die Bezahlung der Leistung, so ist sie gerecht. Bleibt sie hinter der Leistung zurück, so beutet der Unternehmer den Arbeiter aus. Bleibt die Leistung hinter dem

Lohn zurück, so beutet der Arbeiter den Unternehmer aus. Ob eine Privatperson oder der Staat Unternehmer ist, bleibt für diese Beurteilung ohne Belang, und es ist falsch, von einem „neuen Verhältnis des Arbeitnehmers gegenüber seiner Unternehmung“ zu sprechen. Wer den im Privatbetrieb Arbeitenden von der Pflicht, die seinem Lohn entsprechende Leistung zu erbringen, entbinden und sie nur dem im Staatsbetrieb Beschäftigten auferlegen will, der ist ein Totengräber der ohnedies siechen Arbeitsmoral und ein Schädling an der Volkswirtschaft.

Schließlich deutet das Zitat auch an, wie schnell die Verstaatlichung, dieser im Namen der Freiheit beschrittene Weg, zur Unfreiheit, zur Sklaverei führt. In den Ländern des Kommunismus ist der Arbeitnehmer schon in sein „neues Verhältnis“ gegenüber dem Unternehmer Staat eingetreten. Dort ist nicht mehr von der Schonung der Gesundheit, von der Einhaltung des Achtstundentages oder gar von einer Einschränkung der Arbeitszeit die Rede, dort wird mit Zuckerbrot und Peitsche die Leistung gesteigert, dort kommen auch die Gewerkschaften eifrig ihrer „großen Verpflichtung“ nach, die Interessen des Arbeit-gebers zu vertreten. Denn der Profit kommt ja „der Gesamtheit des Volkes“ zugute!

Nicht die Verstaatlichung kann unsere Wirtschaft retten, sondern nur die Rückkehr zu ehrlicher Arbeitsleistung, der freilich auch ein gerechter Lohn gegenüberstehen muß.

Reinhold Landl, Linz, Oberösterreich

„Es geht um die Elite“

Sehr geehrter Herr Herausgeber!

In dem Aufsatz „Es geht um die Elite“ von Professor Dr. Richard Korn befremdet mich — und auch andere — das Kapitel „Begabung und Bildungsgang“ wegen der „Rangierung“ in gymnasialbegabt, real-gymnasialbegabt und realschulbegabt.

Die dort dargelegte Wertordnung knüpft anscheinend an die jahrhundertealte Fakultätengliederung an, nimmt aber auf die Änderung der Zeiten und damit der Menschen keine Rücksicht. Vor 1914 mußte man in der Mittelschule einen Aufsatz darüber schreiben, daß man nicht für die Schule, sondern fürs Leben lerne. Ist denn für das praktische Leben wirklich die klassische Philologie wichtiger als die Kenntnis einer lebenden Sprache, an Hand derer andere verwandte Sprachen schneller erlernt werden könnten? Warum ist noch niemandem eingefallen, nebst dem Unterricht in einer romanischen Sprache eine slawische Sprache zum Pflichtgegenstand zu machen? Sind die Juristen trotz ihrer Gründlichen teissen-schaftlichen Vorbildung imstande gewesen, eine dauerhafte Verfassung ins Leben zu rufen, Staatsverträge und Friedensverträge zu errichten, die den dauernden Frieden und das Wohlergehen der Völker gewährleisten? Sind die Juristen, die sich als Träger der Volkswirtschaftslehre ausgeben, fähig, die Verteilung der Güter so zu lenken, daß wenigstens eine Mehrzahl der Menschen von der Gerechtigkeit dieses Waltens überzeugt ist? Empfangen die Mediziner ihre Kenntnisse aus alten, lateinisch geschriebenen Büchern oder aus der modernen wissenschaftlichen Literatur und in Laboratorien und Kliniken — ähnlich wie die Techniker? Schauen die Naturwissenschaftler in alten Pergamenten nach, wenn sie Aufschluß zum Beispiel über Bodenbiologie oder Atomphysik brauchen? Es wäre weit gefehlt, zu meinen, die Techniker kämen in ihren Berufen mit weniger von dem, was man als Allgemeinbildung bezeichnet, aus. Nicht zu verantwortende und nie gutzumachende Schäden sind entstanden, wo Ingenieure ohne Rücksicht auf humanistische, biologische und volkswirtschaftliche Gegebenheiten Verkehrswege, Kraftanlagen und chemische Werke errichtet haben, und Aas mit Genehmigung der Behörden. Der Aufsatz enthält auch keinen Hinweis auf die Berufsausbildung der Pflichtschullehrer, obwohl dieselben Aufgaben haben, welche mit mehr Verantwortung verbunden sind als die zum Beispiel eines rechtskundigen Verwaltungsbeamten.

Der Verfasser ist halt doch auch ein Praktiker und hat von den Gedankengängen der Theoretiker schon soviel Abstand gewonnen, daß er vom Zutreffen der traditionellen Grundsätze nicht mehr überzeugen kann. Es ist nur zu wundern, daß es von den nur für die Begabtesten bestimmten Gymnasien mehr gibt als zum Beispiel Realschulen und Fachmittelschulen. Dienen vielleicht die vielen Gymnasien dazu, Höchstbegabte künstlich zu produzieren?

Hochachtungsvoll

Franz Widhalm, Bregenz

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