6882611-1979_15_05.jpg
Digital In Arbeit

Die „Staatsbanken“

19451960198020002020

Die im Zuge des Wahlkampfes und daher zum unrichtigen Zeitpunkt ausgebrochene Diskussion über die sogenannten „Konzernunternehmungen“ der beiden Großbanken hat nicht nur parteipolitisch motivierte Emotionen hervorgerufen, sondern auch mit bemerkenswerter Deutlichkeit aufgezeigt, welch krause Ideen in der Öffentlichkeit über diesen Komplex bestehen.

19451960198020002020

Die im Zuge des Wahlkampfes und daher zum unrichtigen Zeitpunkt ausgebrochene Diskussion über die sogenannten „Konzernunternehmungen“ der beiden Großbanken hat nicht nur parteipolitisch motivierte Emotionen hervorgerufen, sondern auch mit bemerkenswerter Deutlichkeit aufgezeigt, welch krause Ideen in der Öffentlichkeit über diesen Komplex bestehen.

Werbung
Werbung
Werbung

Zunächst zum Status der beiden „verstaatlichten“ Banken: Schon die Bezeichnung „verstaatlicht“ ist falsch! Creditanstalt und Länderbank sind Aktiengesellschaften, bei denen die Republik jeweils eine Aktienmehrheit von 60 Prozent besitzt. Das bedeutet, daß der Republik als Hauptaktionär alle jene Rechte und Pflichten zustehen, die das Handelsrecht und das Aktiengesetz einem Aktionär zuweisen. Nicht mehr und nicht weniger!

Aktiengesellschaften werden weder vom Aktionär noch vom Aufsichtsrat geführt, den der Aktionär in der Hauptversammlung wählt, sondern einzig und allein vom Vorstand!

Der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft hat die Wahl des Vorstandes vorzunehmen und ist ansonsten für die Kontrolle der Geschäftsführung zuständig sowie für jene Einzelakte, die im Statut der Aktiengesellschaft besonders erwähnt sind; im Falle unserer Banken ist das z. B. die Genehmigung der sogenannten „Großkredite“.

Aus dieser keineswegs vollständigen Darstellung der Rechtsgrundlagen möge vor allem entnommen werden, daß eine Aktiengesellschaft eine Gesellschaft privaten Rechts ist, auch dann, wenn etwa der Staat zu 100 Prozent, mehrheitlich oder minderheitlich Aktionär ist.

Die Praxis sieht bezüglich der beiden Banken allerdings ein wenig anders aus. Dies zeigt sich etwa bei der Bestellung der Vorstandsmitglieder, über die tatsächlich nicht die Aufsichtsräte entscheiden. Die Entscheidungen fallen bekanntlich „höheren Orts“, und die diesbezüglichen Beschlüsse der Aufsichtsräte sind

)rAnders ist die Situation ..., 'wenn man ,höheren Orts' anfängt, sich in die unmittelbar^ Geschäftsführung einzumischen“ nur formalrechtliche Vorgänge, man könnte sie gewissermaßen mit einer Art notarieller Beglaubigung vergleichen.

Nun hat sich allerdings erwiesen, daß der tatsächliche Vorgang'der Bestellung eines Vorstandsmitgliedes keineswegs betriebsschädliche Konsequenzen hat, denn selbstverständlich ist man auch „höheren Orts“ bei solchen Entscheidungen bemüht, die besten Leute auf die verantwortungsvollsten Plätze zu bringen.

Anders ist die Situation allerdings zu beurteilen, wenn man „höheren Orts“ anfängt, sich in die unmittelbare Geschäftsführung einzumischen. Im Zusammenhang mit dem sogenannten „Konzernbereich“ der Creditanstalt gewinnt diese Feststellung ihre besondere Bedeutung. Was ist das, der Konzernbereich der Creditanstalt?

Zunächst: es ist gar kein Konzern; das ist ein sachlich falscher, aber seit langem gebräuchlicher Name für die Summe aller Unternehmungen (Aktiengesellschaften und Gesellschaften m. b. H.), an denen die Creditanstalt (dasselbe gilt im wesentlich kleineren Ausmaß auch für die Länderbank) mehrheitlich oder minderheitlich beteiligt ist. Hier ist zunächst über das Verhältnis zwischen der Bank und ihren Konzernbetrieben -bleiben wir der Einfachheit halber bei diesem Ausdruck - dasselbe zu sagen wie über das Verhältnis der Republik zu den beiden Banken.

Auch die Konzernunternehmungen der Creditanstalt sind selbständige Unternehmungen. Der Creditanstalt als Hauptaktionär stehen die bereits erwähnten Rechte und Pflichten zu. Dazu kommt aber, daß die Bank natürlich auch der Kreditgeber für ihre „Töchter“ ist, womit eine engere Verbindung und eine wenigstens in Teilen gemeinsame Verantwortung gegeben ist.

Natürlich liegt aber das Hauptgewicht in den Betrieben bei den jeweiligen Vorständen, die, wie in allen anderen Unternehmungen in der ganzen Welt, aus den besten Fachleuten zusammengesetzt sind, die man bekommen kann. Daß man sie nicht immer bekommt, hat seine Ursache in den österreichischen Einkommensverhältnissen, die in der Regel einem Vergleich mit denen des Auslands nicht standhalten.

Die in letzter Zeit (seitens des Bundeskanzlers - d. Red.) laut gewordene “Ktfttß'ari der „Politik der Creditanstalt gegenüber, ihren Konzernbetrieben“ blieb alle Beweise schon deshalb schuldig, weil sie die gegenwärtige wirtschaftliche Situation der einzelnen Unternehmungen ohne jeden Zusammenhang mit den wirtschaftlichen Verhältnissen oder mit innerbetrieblichen, von der Gewerkschaftsseite stark beeinflußten Situationen betrachtet.

Erstens ist festzustellen - wer es nicht glaubt, lese die Bilanzen! -, daß es innerhalb des CA-Konzerns Firmen mit respektablen Gewinnen und solche mit Verlusten gibt. Frage an die Kritiker: Wie sieht es im Bereich der verstaatlichten Industrie aus?

Zweitens ist zu bemerken, daß es industrielle Branchen gibt, die zwar strukturell in Ordnung sind, aber aus Gründen, die meistens gar nicht in Österreich liegen, vorübergehend in eine Phase der Verluste gedrängt werden, etwa bei Zellstoff und Papier. Frage: Wer hat noch nichts von der weltweiten Flaute dieser Branche in den beiden letzten Jahren gehört?

Drittens obliegen den Konzernbetrieben der Creditanstalt wie allen anderen österreichischen Unternehmungen gewisse echte und auch unechte sozialpolitische Verpflichtungen, wobei gerade letztere leider sehr oft zu der Ertragsfähigkeit in krassem Widerspruch stehen. Die Abpressung einer sogenannten „Erfolgsprämie“ auch bei hohen Unternehmensverlusten, wie etwa bei Semperit, mag als Beispiel dienen.

Die allgemeine wirtschaftliche Situation der österreichischen Industrie ist ernst genug, um sich Sorgen zu machen. Dies gilt insbesondere dort, wo unumgängliche strukturelle Entwicklungen aus politischen Gründen gehemmt werden. Jedermann weiß, daß heute vor allem im verstaatlichten Bereich, aber auch in einzelnen Unternehmungen der Creditanstalt mehr Arbeitnehmer beschäftigt sind, als es Produktion und Ertragslage gestatten würden.

Nun spricht niemand von einer radikalen Entlassungspolitik. Man muß selbst einmal arbeitslos gewesen sein, um die ganze Tragödie eines solchen Schicksals ermessen zu können. Es ist daher selbstverständlich, daß jede Unternehmensführung, solange es irgendwie möglich ist, von solchen Maßnahmen absieht.

Andererseits aber hat es sich bereits herausgestellt, daß eine tatsächliche aus der Luft gegriffene Branchenkonstruktion niemals Erfolg

„Wer also ... kritisieren will, möge sich zunächst ausreichende Informationen beschaffen“ haben kann und schließlich nach Verbrauch von gutem Geld erst recht zu Entlassungen führen muß. Wer das nicht glaubt, rekapituliere die zweijährige Leidensgeschichte des sogenannten Projekts „Textil Ost“, besser bekannt unter „Vöslauer-Tra-gödie“.

Wer also die .„Konzernpolitik“ der Creditanstalt kritisieren will, möge sich zunächst ausreichende Informationen beschaffen, die jedenfalls dem Hauptaktionär der Creditanstalt jederzeit zugänglich sind. Er wird dann daraus ersehen, daß die Situation der einzelnen Konzernbetriebe völlig konform mit der allgemeinen Situation der österreichischen Industrie gelagert ist.

Wozu also die Kritik? Als Wahlkampfmunition? Das könnte leicht ein Rohrkrepierer gegen die verstaatlichte Industrie werden.

(Der Autor ist Vorsitzender des Aufsichtsrates der Creditanstalt-Bankverein)

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung