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Dradienkampf oder… ?

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Kürzlich hat ein amerikanischer Kommentator der Debatten um die verstaatlichten österreichischen Geldinstitute, der Wiener Korrespondent der „New York Times“, für das dargebotene stürmisch bewegte Schauspiel eine interessante Analyse geliefert: Es gehe um den Mann an der Spitze der führenden Anstalt, die heute in Österreich „jenen Teil der österreichischen Wirtschaft beherrscht, die nicht von Minister Waldbranner verwaltet wird“. Verliere dabei die Volkspartei die Partie, dann könne man gewärtig sein, daß die verstaatlichten Banken dem Minister Waldbrunner überantwortet werden; „damit würden die Sozialisten die Kontrolle über Österreichs Banken und Großindustrien erreichen“. — Nach dieser Auslegung würde also etwas unvergleichlich Größeres das Ziel der Bemühungen sein, als die Bereinigung von Anständen in der Gestion der verstaatlichten Anstalten.

Nur eine Kombination? Man möchte es glauben, erinnerte der Kommentar nicht zu sehr an den sogenannten Johnstoneschen Bericht, die Arbeit eines amerikanischen Regierungsbeamten, der seinen Befund über die Struktur der österreichischen verstaatlichten Geldinstitute mit Gedankengängen verband, die eine merkwürdige Verwandtschaft mit der österreichischen sozialistischen Ideologie aufweisen. Er sieht eines der stärksten Hemmnisse für die Herstellung einer völlig freien Wirtschaft in Österreich in der österreichischen Kammerorganisation, besonders in den Handelskammern, die er ebenso aufgelöst zu sehen wünscht wie die Struktur unserer verstaatlichten Geldinstitute; er empfiehlt der amerikanischen Regierung, es zu einem ihrer Ziele zu machen, daß die führende österreichische Anstalt — nicht ein privates Unternehmen, wie etwa die Arbeiterbank —, sondern ein verstaatlichtes, das „28 bis 37 Prozent“ der österreichischen Industrie kontrolliere, dieser Stellung entkleidet werde. Freilich weiß der Mann wenig von dem Zustandekommen dieser „Macht“, wie es damals war, als die selbst notleidend gewordene Anstalt gezwungen wurde, eine in ihren Grundlagen erschütterte Bank nach der anderen mit allem Drum und Dran zu übernehmen, um solcherart Österreichs Wirtschaft zu retten.

Der amerikanische Bericht steht im Hintergrund der jetzigen gegen die österreichischen Geldinstitute gerichteten Auseinandersetzungen, gegen die der Rechnungshof eine Reihe von Anständen erhebt. Dessen vierzehnseitiger Bericht über seine „Gebarungsprüfung verstaatlichter Banken“ liegt zu jedermanns Einsichtnahme vor. Er umfaßt einen über Ländergrenzen und Meere reichenden Sachkom- plex moderner Kapitalswirtschaft, der durch den Umfang und die Aufgliederung der in erster Reihe stehenden Anstalt, der Creditanstalt, deutlich gemacht wird. Sie zählt in Österreich 34 Zweigniederlassungen, ist an den drei Banken für Kärnten, für Oberösterreich-Salzburg, für Tirol-Vorarlberg, ferner an 90 Unternehmungen mit mehr als 50 Prozent und an 32 anderen bis zu 50 Prozent beteiligt und besitzt im Ausland Teilhaberrechte an 16 Unternehmungen, bei zehn gehört ihr die Hälfte des Gesellschaftskapitals. Der Bericht des Rechnungshofes verzeichnet für das erste Halbjahr 1951 30,760.000 Schilling Reingewinn, ohne Einbeziehung der Konzernunternehmungen und Tochtergesellschaften. Er faßt diese überschau über das führende staatliche Bankinstitut in das Urteil zusammen, dieses zeige „eine gesunde Entwicklung und Aufwärtsbewegung“, das Ergebnis könne „auch im Hinblick auf die Größe des Instituts als zufriedenstellend betrachtet werden“. Es wird hervorgehoben, daß bei der finanziellen Beurteilung des Unternehmens auch zu berücksichtigen sei,: daß der Staat für die 1946 erfolgte Inkammerierung der Bank die in? Gesetz vorgesehene „angemessene Entschädigung“ bisher noch nicht geleistet habe. Doch erhebt der Bericht des Rechnungshofes eben auch Anstände gegen einzelne Vorkommnisse in den Wirtschaftstransaktionen der geprüften Anstalten, von denen fast ein Dutzend der Creditanstalt angelastet werden. Eine Wiener Tageszeitung will wissen, daß dieses Dutzend sich unter 20 Millionen Geschäftsfällen der vierjährigen Periode befindet, die bei der Durchforschung durch den Rechnungshof durchkämmt wurde.

Immerhin fast ein Dutzend Fälle gab zu Vorhaltungen Anlaß. Erlauben sie ein abschließendes Urteil oder nicht? Nichts ist leichter und bequemer, als in Sachen der Geldwirtschaft den wilden Mann zu spielen. Man denke, es geht gegen Leute, „die auf den Geldsäcken sitzen“. Diese Mächte der modernen Kapitalswirtschaft, in deren Bereichen die Sonne nicht untergeht, sind nicht populär. Das Mißtrauen der öffentlichen Meinung, gegen sie aus früheren bittersten Erfahrungen geschöpft, wird bestärkt durch die Hindernisse, denen das freie Urteil des Mannes aus dem Volke gegenüber der ihm unheimlich gewordenen Verflochtenheit der Weltwirtschaft begegnet. Er sieht in dieser Lage nach Beratern aus. Aber die Mutigen sind dünn gesät, die bei diesem Kapitel ihr unabhängiges Urteil bewahren und nicht vorziehen zu schweigen, um der Gefahr auszuweichen, als Söldlinge des Kapitals oder als Schwächlinge gegenüber einer aufgehetzten öffentlichen Meinung durch ihre Aussage zu erscheinen, Die Verfassung hat deshalb in dem Rechnungshof einen Wächter über die Sauberkeit öffentlicher Verwaltung vorgesehen, und wer das Gutachten dieser hohen verfassungsmäßigen Kontrollstelle unbefangen liest, empfindet mit Genugtuung, daß dieser Wächter seines Amtes waltet und hier unbestechliche integre Männer ihr schwieriges Kustodenamt ausgeübt haben. Nur eines ist noch ausständig und ein ganz wesentlicher Bestandteil des nun vom Parlament übernommenen Prüfungsverfahrens. Der Rechnungshof selbst hat einmal das Verlangen ausgesprochen, daß die von seiner Kritik betroffenen Wirtschaftsinstitute in sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des Redmungshofgesetzes Gelegenheit erhalten, zu den erhobenen Anständen Stellung zu nehmen. Es gäbe kein Recht mehr, wenn Angeschuldigten sogar in einem sehr wichtigen Falle die Rechtfertigung verweigert würde. Dem damaligen Verlangen des Rechnungshofes ist nicht Genüge geschehen zufolge parteipolitischer Einwürfe. Soll der Kampf mit dem Drachen in dem vielgeschilderten Korruptionssumpf nicht ein Märchen sein, dann muß jetzt wenigstens Gelegenheit gegeben werden, Vorhalt und Gegenhalt in leidenschaftsloser Prüfung nebeneinander zu stellen.

Vorher ist jedes Aburteilen eine Ungerechtigkeit: sie würde glauben machen, daß das große Aufgebot vielweniger auf eine sachliche Erkundung und Feststellung von Schuld und Unschuld, sondern auf ein parteipolitisch großes begehrenswertes Ziel gerichtet wäre. Das würde dann bedeuten, daß man es mit einem Versuch zu tun hätte, die totalitäre Staatsstreichtechnik zur Eroberung wichtiger Stellungen und Liquidie rung nicht parteigefügiger Menschen einmal in Österreich zu probieren.

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