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Der Staat als Unternehmer

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Eine Analyse des Bundesvoranschlags zeigt, daß der österreichische Staat nicht mehr bloß für die Bedeckung hoheitsrechtlicher Verwaltungsmaßnahmen zu sorgen hat, sondern zum Wohlfahrtsstaat und zum wirtschaftlichen Großunternehmer geworden ist. Diese Entwicklung hat sich in den letzten Jahren in zunehmendem Tempo vollzogen, wie der folgende Überblick zeigt:

Die Entwicklung geht demnach dahin, daß die Ausgaben des Staates zu einem immer geringeren Prozentsatz für die eigentlichen Hoheitsagenden aufgewendet werden und in unverhältnismäßig,großem Ausmaß dazu dienen müssen, das Defizit des Staates als Wirtschaftsunternehmer zu decken.

Im Jahre 1937 schloß das Budget der Hoheitsverwaltung mit einem Abgang und der Gewinn der Monopole und Wirtschaftsbetriebe konnte zur Stützung der Ausgaben für die Hoheitsverwaltung herangezogen werden; gegenwärtig ist die Lage so, daß dem österreichischen Staatsbürger eine übergroße Last an öffentlichen Abgaben aufgebürdet werden muß, nicht nur um dem Staat die Möglichkeit zur Erfüllung seiner Hoheitsaufgaben zu geben, sondern auch um die defizitäre Wirtschaft bei den Monopolen und Staatsbetrieben auszugleichen, wie sich aus der nachfolgenden Übersicht ergibt:

In diesem Zusammenhang darf nicht unerwähnt bleiben, daß das Bundesfinanzgesetz für 1952 nicht vollständig zeigt, in welchem Maße der Staat als Unternehmer fungiert, denn das Budget enthält keine Zahlen über die verstaatlichten Betriebe. Eine Antwort des Herrn Bundeskanzlers vom 30. September 1949 auf eine parlamentarische Interpellation hat erstmals die sensationelle Sachlage veröffentlicht, daß keinerlei Erträgnisse der verstaatlichten Unternehmungen dem Bundeshaushalt zugute kommen, während bedeutende Geldmittel des Staates für solche Unternehmungen bereits aufgewendet wurden! Es ist bis nun nicht möglich, die Führung und Gebarung der verstaatlichten Betriebe näher kennen- zulemen. Im Bundesrechnungsabschluß für das Jahr 1950 befindet sich zwar eine Nachweisung der Kapitalsbeteiligung des Bundes an verstaatlichten Unternehmungen, die sich jedoch größtenteils auf die namentliche Anführung der Unternehmungen beschränkt. Weiter trifft nach dem derzeit geltenden Recht die Pflicht zur Veröffentlichung der Vermögens- und Erfolgsbilanz nur die in Form von Aktiengesellschaften geführten verstaatlichten Betriebe. Kein einfacher Staatsbürger hat daher heute die Möglichkeit, einen wirklichen Überblick zu gewinnen, was uns die verstaatlichten Betriebe gekostet haben und welche Erträgnisse sie bisher abwarfen!

Die verstaatlichten Unternehmungen sind Sache der Allgemeinheit! Es muß daher gefordert werden, daß in absehbarer Zeit eine zusammenfassende Nachweisung der Bilanzen der verstaatlichten Betriebe erscheint und daß in Zukunft die Erträge der Anteilrechte des Bundes an verstaatlichten Betrieben im Bundesvoranschlag und Bundesrechnungsabschluß als Einnahmen, die daraus bestrittenen Entschädigungen an die früheren Besitzer und die Zuweisungen an den Investitionsfonds als Ausgaben für jeden österreichischen Staatsbürger verständlich nachgewiesen werden. Solange dies nicht der Fall ist, gibt es nur eine Entprivatisierung in Österreich, aber keine wirkliche Verstaatlichung!

Dem Grundsatz, daß die verstaatlichten Betriebe Sache der Allgemeinheit sind, entspricht auch die Forderung nach einer entsprechenden Führung und Verwaltung. Mit der Schaffung eines Ministeriums für verstaatlichte Betriebe ist für die Verstaatlichung so gut wie nichts getan. Wenn sich die Verstaatlichung darin erschöpfen sollte, daß an Stelle kapitalistischer Großunternehmer eine an politische Weisungen gebundene Bürokratie tritt, so ist damit allein schon die Grundidee der Verstaatlichung — daß nämlich die Großbetriebe aus dem Besitz einiger weniger in das Eigentum der Allgemeinheit übergeführt werden — ad absurdum geführt. Ganz abgesehen davon, daß eine solche Führung verstaatlichter Betriebe geeignet ist, die bereits oben aufgezeigte Expansionsgewalt der Staatsautorität ins Ungemessene zu steigern!

Geradezu ungeheuerlich mutet die Ausweitung der wirtschaftlichen Macht des Staates an, wenn man — um einen Überblick über den Staat als wirtschaftlicher Auftraggeber zu gewinnen — den Gesamtaufwand an Investitionen verschiedener Wirtschaftsjahre an Hand der Ziffern der Bundesvoranschläge beziehungsweise des Bundesrechnungsabsch’usses für das Verwaltungsjahr 1950 vergleicht:

Hiebei muß noch berücksichtigt werden, daß es sich nur um die Gebarung des Bundes handelt, so daß also die Summen, die von Ländern und Gemeinden für Wirtschaftsaufträge aufgewendet werden, bei obiger Zusammenstellung überhaupt nicht in Erscheinung treten! Allein schon die Summen der Bundesgebarung genügen, um zu ermessen, in welchem Ausmaß heute die Abhängigkeit ganzer Wirtschaftszweige von Staatsaufträgen gegeben ist. Ein ganzes Heer von Arbeitskräften findet bei der gegenwärtigen Struktur unserer Volkswirtschaft Arbeit und Einkommen dank staatlicher Aufträge. In besonderem Maße gilt dies für die Bauten. Es steht wohl fest, daß das Florieren des Baugewerbes und seiner Nebengewerbe der Schlüssel zu einer kontinuierlichen Beschäftigungslage ist. Praktisch garantieren daher fast nur mehr die Staatsaufträge beziehungsweise die Mittel des Wohnhaus - Wiederaufbaufonds und des Ęundes-, Wohn- und Siedlungsfonds die Aufrechterhaltung der Vollbeschäftigung. Im Hinblick darauf ist es natürlich überaus problematisch, was geschehen wird, wenn der österreichische Staat seine Investitionstätigkeit nach Aufhören der Marshall-Plan-Hilfe nicht mehr in dem gegenwärtigen Umfange aufrechterhalten können wird.

Die Gefahren, die eine zu große Abhängigkeit von der Staatsgewalt mit sich bringt, sind jedoch nicht nur auf die Wirtschaft beschränkt, sondern in noch gesteigertem Maße durch die Entwicklung zum überdimensionierten Wohlfahrtsstaat gegeben. Auf der Ausgabenseite des Bundesvoranschlags steht der Aufwand des Bundesministeriums für soziale Verwaltung an erster Stelle. Während im Jahre 1937 der Anteil der sozialen Ausgaben des Bundes an den Gesamtausgaben rund 12 Prozent betrug, waren es 1950 fast 17 Prozent und sind laut Bundesvoranschlag 1952 bereits 17,5 Prozent. Hier offenbart sich die Tendenz zur Entwicklung eines Rentner staates.

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