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Koalitionskrise und vorzeitige Neuwahlen zum Nationalrat in Österreich sind bekanntlich auf das Bestreben des einen Partners zurückzuführen, im Interesse der Währungs- und Wirtschaftsstabilisierung den bisherigen Budgetrahmen von 20 Milliarden Schilling nicht zu sprengen. Der Staat muß für seine Bürger billiger werden; das heißt der öffentliche Verbrauch soll sich im Rahmen des Sozialproduktes nicht zu Lasten des privaten Konsums oder der Investitionsquote noch weiter ausdehnen. Einen Schwerpunkt des ganzen Problems bildet die bereits überfällige Verwaltungsreform,, mit deren Vorbereitung das Wirtschaftsdirektorium der österreichischen Bundesregierung sich seit Jahr und Tag befaßt. Die hier ziemlich weitausgreifenden Pläne wurden durch Beschluß der genannten Körperschaft vom 25. September d. J. auf ein Sofortprogramm konzentriert, das nach den Neuwahlen wohl zum Teil realisiert werden dürfte. Unabhängig davon offenbart sich das Interesse der breiten Öffentlichkeit an der Verwaltungsreform in zahlreichen Ratschlägen und Vorschlägen von denen der im Auftrag des Österreichischen Kuratoriums für Wirtschaftlichkeit von DDr. Ing. B andat ausgearbeiteten Studie „Der übermäßige Verwaltungen ufwandinösterreic h“ besondere Bedeutung zukommt; diese von Regierungs wegen angeregte Arbeit enthält wertvolles Material und kann sich überdies auf Vorarbeiten in der Verwaltungsersparungskommission 1930—1932 stützen. Im wesentlichen liegt sie nachstehenden Ausführungen zugrunde.

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Koalitionskrise und vorzeitige Neuwahlen zum Nationalrat in Österreich sind bekanntlich auf das Bestreben des einen Partners zurückzuführen, im Interesse der Währungs- und Wirtschaftsstabilisierung den bisherigen Budgetrahmen von 20 Milliarden Schilling nicht zu sprengen. Der Staat muß für seine Bürger billiger werden; das heißt der öffentliche Verbrauch soll sich im Rahmen des Sozialproduktes nicht zu Lasten des privaten Konsums oder der Investitionsquote noch weiter ausdehnen. Einen Schwerpunkt des ganzen Problems bildet die bereits überfällige Verwaltungsreform,, mit deren Vorbereitung das Wirtschaftsdirektorium der österreichischen Bundesregierung sich seit Jahr und Tag befaßt. Die hier ziemlich weitausgreifenden Pläne wurden durch Beschluß der genannten Körperschaft vom 25. September d. J. auf ein Sofortprogramm konzentriert, das nach den Neuwahlen wohl zum Teil realisiert werden dürfte. Unabhängig davon offenbart sich das Interesse der breiten Öffentlichkeit an der Verwaltungsreform in zahlreichen Ratschlägen und Vorschlägen von denen der im Auftrag des Österreichischen Kuratoriums für Wirtschaftlichkeit von DDr. Ing. B andat ausgearbeiteten Studie „Der übermäßige Verwaltungen ufwandinösterreic h“ besondere Bedeutung zukommt; diese von Regierungs wegen angeregte Arbeit enthält wertvolles Material und kann sich überdies auf Vorarbeiten in der Verwaltungsersparungskommission 1930—1932 stützen. Im wesentlichen liegt sie nachstehenden Ausführungen zugrunde.

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Um welche finanziellen Größenkategorien es sich bei Verwaltungsreformen handelt, kann man daraus ermessen, daß der vom nordamerikanischen Expräsidenten Herbert Hoover geleitete Ersparungsausschuß durch Arbeitsvereinfachungen und Kompetenzentflechtungen in der USA-Verwaltung in jüngster Zeit eine Ersparung von vier Milliarden Dollar jährlich erbracht hat und daß ein ähnlicher Erfolg das österreichische Budget um eine Milliarde Schilling jährlich entlasten könnte. Diese Entlastung wäre um so aktueller, als die Abgabensumme des Bundes, von dem hier ausschließlich die Rede ist, in Relation zum Nettonationalprodukt im Ansteigen begriffen ist und sich 1951 auf 34,1% des (auf 55 Milliarden Schilling geschätzten) Nettonationalprodukts belief, gegenüber nur

22,4% im Jahre 1937. Mit einem öffent-, liehen Verbrauch — nur laufende Ausgaben für Zwecke der Hoheitsverwaltung, ohne öffentliche Betriebe und ohne öffentliche Investitionen — von 14% des Bruttonationalprodukts .liegt Österreich derzeit im Mittelfeld der westeuropäischen Staaten: da es aber keine Militärausgaben hat, weist Österreich nach

Schweden die höchste Quote des zivilen öffentlichen Verbrauches in Westeuropa auf.

Das Übermaß des Verwaltungsaufwandes wurzelt einmal in der kontroversen Auffassung der Koalitionsparteien über Ausweitung oder Einschränkung der Staatskompetenz. Der „Wohlfahrtsstaat“ produziert unter anderem auch ein Übermaß von Gesetzen; das Reichsgesetzblatt von 1913 umfaßte für einen 30-Millionen-Staat 930 Seiten, das Bundesgesetzblatt von 1951 deren 1476. Der föderative Ausbau des österreichischen Bundesstaates bedingt eine Vielfalt von Verwaltungsgeleisen (unmittelbare und mittelbare Bundesverwaltung, Landes-, Bezirks- und Gemeindeverwaltungen); die Gesetze stammen aus vielen Gesetzgebungsperioden und zwingen den Juristen 140 Jahrgänge zu überblicken, was eine Neukodifikation der ganzen Materie unaufschiebbar macht; insbesondere gilt dies für die Steuer-, Gewerbe- und Mietengesetzgebung. Die nicht selten auf die Ausschaltung von Fachleuten zurückzuführende Unverständlichkeit der Gesetze überlastet mittelbar den Ver- waltungs- und Verfassungsgerichtshof in einem bisher nicht gekannten Ausmaß. Um der durch die Gesetzeshypertrophie bedingten Steigerung des Verwaltungsaufwandes entgegenzuwirken, bestimmte ein Ministerratsbeschluß vom 31. Jänner 1950, daß allen Gesetzentwürfen von der zuständigen Bundesbehörde eine Übersicht über die kostenmäßige Auswirkung anzuschließen sei (Analoges gilt für Initiativanträge); eine Bremswirkung jedoch war bisher nicht zu verspüren.

Nicht nur die Legislative ist in diesem Zusammenhang reformbedürftig, auch die Verwaltungsorganisation selbst. Es gibt in der Verwaltung zahllose Doppelgeleisigkeiten; typische Beispiele: Wasserbau und Energiewirtschaft. Sachlich zusammenhängende Aufgabenkomplexe werden von mehreren, infolge der politischen Grundeinstellung oft wenig harmonierenden Zentralstellen betreut.' Neuregelung und Zusammenlegung von Arbeiten und Arbeitsgebieten und Klärung von Kompetenzfragen wäre die dankbare Aufgabe von Prüfergruppen für die Verwaltungsorganisation. Hier darf auch der Umstand, daß dadurch vielleicht Arbeitskräfte entbehrlich werden. kein Hemmnis bilden, zumal ja das 1950 vom Bundeskanzleramt im Entwurf vorgelegte Personalausgleichsgesetz dafür entsprechende Auffangspositionen enthält. Ďie parlamentarische Behandlung dieses Gesetzes ist noch ausständig.

Eine weitere Quelle für den übermäßigen Verwaltungsaufwand in Österreich liegt in der Verwaltung behördenfremder Materien durch den

Bund. Bekanntlich hat Dezember 1951 das Wirtschaftsdirektorium beschlossen, daß bestimmte staatlich geführte Betriebe in wirtschaftliche Selbstverwaltungskörper umgewandelt werden sollen. In erster Linie war hier an die österreichischen Bundesbahnen gedacht; hier stehen wir vielleicht vor dem schwierigsten Kapitel der ganzen Verwaltungsreform. Generalsekretär der österreichischen Bundesbahnen Hofrat Dr. Schantl hat hiezu kürzlich eine grundlegende Darstellung geboten. Danach sei für die Bundesbahnen eine Organisationsform anzustreben, bei der außerbetriebliche, auch staatliche Einflußnahmen auf Fragen von entscheidender Bedeutung für die Öffentlichkeit beschränkt bleiben und den Bundesbahnen in finanzieller Beziehung und auch hinsichtlich der Betriebsverwaltung größtmögliche Unabhängigkeit gewährt ist. Im wesentlichen handelt es sich hier um die Kompetenzabgrenzung zwischen Bundesbahn und Finanzressort und um die Tarifpolitik und deren Beeinflussung durch Parlament und Wirtschaft; zwischen Tarifmaßnahmen zur defizitfreien Gebarung und Rücksichtnahmen auf die Volkswirtschaft den richtigen Mittelweg zu finden, wird nicht leicht sein. Daneben steht hier noch eine ganze Reihe von Detailfragen zur Diskussion, so betriebswirtschaftliche Verbesserungen, Einsparungen bei Dienststellen, negative Rationalisierungsmaßnahmen, wie Auflassung von Nebenlinien oder Einstellung des Personenverkehrs auf diesen; Ersatz der Dampflokomotiven durch Diesellokomotiven im Verschubdienst; Neuaufbau des Güter- zugnetzes, Beschleunigung des Wagenumlaufes; schließlich die Fortführung der Elektrifizierung.

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