Der Staat braucht eine Reform

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Die Reform der Verwaltung und der Strukturen des Staates steht wegen der Budgetnöte der kommenden Jahre erneut an oberster Stelle der politischen Tagesordnung. Viele der notwendigen Änderungen hat der Verfassungskonvent im Detail vorbereitet, doch scheiterte die Umsetzung an der Politik. Ihre Aktualität haben sie nicht verloren.

Was kann eine Staats- und Verwaltungsreform leisten, um Österreich effizienter zu machen und den Schuldenberg der Republik abzutragen? Viele Antworten auf diese Frage hatte der Verfassungskonvent bereits beantwortet. Franz Fiedler, Präsident des Konvents über die nach wie vor aktuellen Reformschritte:

Das dem Österreich-Konvent am 2. Mai 2003 erteilte Mandat enthielt unter anderem den Auftrag, Vorschläge für eine grundlegende Staats- und Verwaltungsreform auszuarbeiten, die auch die Voraussetzungen für eine effizientere Verwaltung schaffen bzw. eine kostengünstige Erfüllung der Staatsaufgaben ermöglichen sollen.

Der dem Konvent erteilte Auftrag sollte sich daher nicht in der bloßen Erneuerung unserer Bundesverfassung erschöpfen, sondern sah ausdrücklich vor, aufgrund der neuen – einfacher zu gestaltenden – verfassungsrechtlichen Strukturen eine Verwaltungsreform unter dem Gesichtspunkt der Ökonomie zu ermöglichen. Dies wurde von den wirtschaftlichen Erwägungen zugänglichen Mitgliedern des Konvents begrüßt (sie waren allerdings in der Minderheit), aber von vielen anderen, denen eine Affinität zu wirtschaftlichem Denken fremd war, teils offen, teils verdeckt abgelehnt. Diese sogenannten „Verfassungspuristen“ erachteten es als unzulässig, ökonomische Gesichtspunkte im Rahmen einer Verfassungsreform zu berücksichtigen.

Als Vorsitzender des Konvents fühlte ich mich einerseits verpflichtet, die Reform zu ermöglichen, andererseits entsprach es auch meiner persönlichen Überzeugung.

Als Konsequenz daraus ergaben sich für mich insbesondere zwei Folgerungen: Die klarere und einfachere Kompetenzverteilungen zwischen Bund und Ländern. Zweitens: die Befreiung der Bundesverfassung von dem derzeit immer noch bestehenden Übermaß an bis ins Detail gehenden organisations- und verfahrensrechtlichen Bestimmungen, die sich als Hemmnis für Verwaltungsreform-Maßnahmen erwiesen haben.

Denn vielfach mussten und müssen Teile der Verfassung geändert werden, um etwa eine Behörde abzuschaffen. Nach meinen Vorstellungen sollte sich die neue Verfassung (wie dies im Übrigen dem Wesen einer Verfassung entspräche) auf Grundsätze beschränken, während die organisations- und verfahrensrechtlichen Bestimmungen wesentlich dem einfachen Gesetzgeber überlassen bleiben sollten. Um Missverständnissen vorzubeugen, gilt es zu betonen, dass mit der Verfassung selbst nur die Grundlage für den Gesetzgeber (der keine Zweidrittel-Mehrheit benötigt) geschaffen werden sollte, eine tiefe und breite Verwaltungsreform zu verwirklichen.

Reform der Schulverwaltung

Die derzeit völlig unübersichtlichen und kompetenzmäßig zersplitterten Bestimmungen über die Schulverwaltung mit ihren überreglementierten organisatorischen Vorschriften sollten wie folgt drastisch vereinfacht werden: Die gesamte Kompetenz in Gesetzgebung und Vollziehung sollte dem Bund zukommen. Damit wäre die Lenkung und Finanzierung des Schulwesens aus einer Hand gewährleistet und die immer wieder geforderte Zusammenführung von Einnahmen-, Aufgaben- und Ausgabenverantwortung erzielt. Dem Bund sollte auch die Möglichkeit offenstehen, Verwaltungseinrichtungen der Länder mit der Vollziehung in Angelegenheiten der Schulen und des Unterrichts zu beauftragen. Damit wäre die – heute bestehende und vielfach kritisierte – Doppelgleisigkeit von Landesschulräten und Schulabteilungen in den Ämtern der Landesregierungen beseitigt. Auf dieser neuen rechtlichen Grundlage ließen sich die erforderlichen Reformen im Schulwesen wesentlich leichter umsetzen und ein Einsparungspotential in der Höhe von 100 Millionen bis zu einer Milliarde Euro erwarten.

Gesundheit

Ein weiteres Ziel des Konventes war es, die gegenwärtig unübersichtliche und nicht mehr zeitgemäße Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern zu vereinfachen. Die unübersichtliche Aufsplitterung der Kompetenzen im Gesundheits- und Bildungswesen sollte durch eine eindeutige Kompetenzzuweisung zum Bund geändert und zur gleichen Zeit erheblich vereinfacht werden.

Gleich wie im Schulwesen hätte der Bund die Möglichkeit erhalten sollen, Verwaltungseinrichtungen der Länder mit der Vollziehung zu beauftragen. Durch die ausschließliche Kompetenz des Bundes in Gesetzgebung und Vollziehung sollte die Voraussetzung für eine vollständig neue Konzeption des österreichischen Gesundheitswesen, vor allem im Krankenhausbereich, geschaffen werden.

Damit wäre die Möglichkeit eröffnet, bundesländerübergreifende Krankenanstaltenpläne etc. zu entwickeln. Das von Krankenhausökonomen in diesem Zusammenhang geortete Einsparungspotential läge bei rund drei Milliarden Euro. Diese Zahl wurde auch vom Rechnungshof mehrfach bestätigt. Auch im Gesundheitsbereich könnten Doppelgleisigkeiten, etwa hinsichtlich Universitätskliniken, Landesspitälern, Gemeindespitälern, sanitärer Aufsicht, beseitigt werden.

Justiz und Behörden

Die Gerichtsbarkeit erfreut sich zwar der Bezeichnung als „dritte Gewalt“, ist jedoch tatsächlich die schwächste aller Staatsfunktionen. Anders als die beiden übrigen Staatsgewalten Gesetzgebung und Vollziehung verfügt sie nicht einmal über ein eigenes Budget (ausgenommen Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof). Die Richterschaft hat kein Mitspracherecht bei der Erstellung der Budgetvoranschläge und nicht einmal die Möglichkeit des budgetären Durchblicks.

Im Konvent wurde dies offen beklagt und auf eine Verbesserung der Stellung der Gerichtsbarkeit gedrängt. Deshalb enthält der Verfassungsentwurf eine Regelung für einen unabhängigen Justizrat, dem das Recht auf Mitwirkung an der Erstellung des Justizbudgets sowie auf Einblick und Stellungnahme hinsichtlich der das Justizressort betreffenden Prüfungen des Rechnungshofes zukommen sollte.

Darüber hinaus sollte dem einfachen Gesetzgeber das Recht eingeräumt werden, dem unabhängigen Justizrat Aufgaben, etwa im Zusammenhang mit den Besetzungen von Richterplanstellen, zu übertragen. In Umkehr der heutigen Rechtslage, wonach für öffentliche Organe grundsätzlich Verschwiegenheit besteht, sieht der Entwurf eine grundsätzliche Auskunftspflicht vor, von der es allerdings Ausnahmen geben kann.

Verwaltungsgerichtsbarkeit

Zur Entscheidung über Beschwerden gegen Verwaltungsakte, insbesondere von Bescheiden der Verwaltungsbehörden, sollten neu zu schaffende Verwaltungsgerichte erster Instanz treten. Damit wäre gewährleistet, dass über jeden Verwaltungsakt einer Verwaltungsbehörde nicht eine weisungsgebundene Verwaltungsbehörde, sondern ein unabhängiges Gericht entscheidet, eine wesentliche Verbesserung des Rechtsschutzes für die Bürger. Überdies könnte man eine Vielzahl von heute als Beschwerdeninstanzen eingerichtete Gremien abschaffen. Der Konvent sprach sich für Einführung der Verwaltungsgerichte aus.

Rechnungshof

Der Rechnungshof kann aus eigener Initiative lediglich Gemeinden prüfen, die mindestens 20.000 Einwohner aufweisen. Dies sind in Österreich nur 24 von insgesamt 2359. Die anderen Gemeinden kann er nur über Auftrag der Landesregierung überprüfen, was selten der Fall ist. Wenn doch, so werden regelmäßig Missstände aufgezeigt. Dem vom Gemeindebund gegen die Prüfungskompetenz-Ausweitung erhobenen Einwand, eine solche sei angesichts der Gemeindeaufsicht überflüssig, ist entgegenzuhalten, dass die Gemeindeaufsicht keine unabhängige Kontroll-Einrichtung darstellt, sondern der Weisung eines Landesrates unterliegt und – wie sich erst jüngst wiederholt gezeigt hat – vielfach überfordert ist. Deshalb sieht der Entwurf Prüfungszuständigkeiten über sämtliche Gemeinden vor, weiters jene über Direktsubventionen der EU an österreichische Rechtsträger. Auch sollten Aktiengesellschaften, wenn der Anteil der öffentlichen Hand an ihnen nicht 50 Prozent, sondern nur 25 Prozent beträgt, geprüft werden können. Zu letzterer Regelung gab es allerdings nur im Konvents-Präsidium Übereinstimmung.

* Der Autor ist ehemaliger Rechnungshof-Präsident und Präsident des Verfassungskonvents

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