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Wenzl auf steirisdi

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Die ÖVP-Reformerhochburg Steiermark hat im nördlichen Nachbarn Oberösterreich einen ernsten Konkurrenten bekommen. Landeshauptmann Wenzl übte vor wenigen Tagen massiv Kritik an der derzeitigen — in der Bundesverfassung verankerten — Kompetenzverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, die er einer generellen Revision unterzogen sehen möchte. Was seinen Parteifreund, den Tiroler Landeshauptmann Wallnöfer, zu harter Kritik herausgefordert hat.

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Die ÖVP-Reformerhochburg Steiermark hat im nördlichen Nachbarn Oberösterreich einen ernsten Konkurrenten bekommen. Landeshauptmann Wenzl übte vor wenigen Tagen massiv Kritik an der derzeitigen — in der Bundesverfassung verankerten — Kompetenzverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, die er einer generellen Revision unterzogen sehen möchte. Was seinen Parteifreund, den Tiroler Landeshauptmann Wallnöfer, zu harter Kritik herausgefordert hat.

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Wenzl, den die Wahlwerbung der ÖVP als Löwen präsentiert, legte einen fundierten Mängelkatalog vor, der nicht in allen Punkten neu ist; selten wurde aber die überholte Kompetenzregelung offengelegt. An der Spitze stehen, sogenannte komplexe Materien wie Raumordnung und Umweltschutz, bei denen die Lösung der Gesamtaufgabe ihren vernünftigerweise anzustrebenden Vorrang oftmals deshalb einbüßt, weil Bund und Länder nur „Gesichtspunkte“ wahrnehmen dürfen und keine einheitliche Zuständigkeit gegeben ist.

Ein weiterer Dorn im Reformerauge des oberösterreichischen Landeshauptmannes ist das Bündel der Wirtschaftsgesetze über Preisregelung, Preistreiberei, Rohstofflenkung, Lastverteilung, Marktordnung, Landwirtschaft und Lebensmittelbewirtschaftung. Hier soll dem mit schöner Regelmäßigkeit ablaufenden parteipolitischen Kompromißkuhhandel bei der jeweiligen Verlängerung der Bundeskompetenz ein Ende bereitet werden. Wenzl sieht die Dinge realistisch und entkräftet damit von vornherein den möglichen Vorwurf, bloß als Kompetenzenraffer für die Bundesländer aufzutreten: wenn es die Sachstruktur verlangt, sollen die Länder zugunsten des Bundes — konkret wurde als Beispiel die landwirtschaftliche Marktordnung angeführt — auf ihre Zuständigkeit verzichten.

Der Verzicht dürfte leichten Herzens erfolgen, weil damit in den meisten Fällen lediglich ein durch Ausnahmebestimmungen längst verwirklichter Zustand bestätigt würde.

Wesentlicher erscheint hingegen eine Verfassungsregelung der „Förderungsverwaltung“, zu deren Kompetenzaufteilung sich die Bundesverfassung im Gegensatz zur Hoheitsverwaltung ausschweigt. Alf unvereinbar mit föderalistischen Grundsätzen wird dabei empfunden, daß Förderungsaufgaben von Bund, Ländern und Gemeinden entweder konkurrierend oder überhaupt nicht wahrgenommen werden. Durch eine hier vorzunehmende Erweiterung der Zuständigkeitsverteilung soll vor allem die regionale Strukturpolitik auch tatsächlich den Ländern vorbehalten bleiben.

Um die Rechtsfragen zu klären, wird die Bildung einer Kommission gefordert, der Vertreter von Bund, Ländern und Gemeinden, von anderen interessierten Institutionen, Staatslehrer und Verfassungsjuristen angehören sollen. Sozusagen ein Nebenprodukt der Prüfungsarbeit der Kommissionsmitglieder könnte eine Reform der Verwaltung und eine Vereinfachung des Behördenaufbaues sein; um Unterlagen zum Studium der Probleme müßten sich die Kompetenzprüfer keine Sorgen machen: ein Forschungsauftrag an den Hochschulen könnte Basismaterial liefern.

Der oberösterreichische Reformer, der diesen föderalistischen Vorstoß als Sachinitiative ohne parteipolitische Hintergedanken darstellt, hat auch detaillierte Forderungen zur Hand, in welche Richtung eine Novellierung des Bundesverfassungs-gesetzes gehen sollte: Klarzustellen sei, daß direkte Förderungsmaßnahmen des Bundes nur bei gesamtösterreichischem Interesse zulässig sein sollen. Außerdem müsse eine Ausrichtung der Subventionstätigkeit von Gemeinden auf überörtliche Zielvorstellungen des Landes festgelegt werden, vor allem deshalb, damit Fehlentwicklungen der regionalen Wirtschaftspolitik vermieden werden können. Entscheidend sei dafür, daß die Abhängigkeit des Steueraufkommens der Gemeinden von der Gewerbesteuer beseitigt werde. Wenzl ist kein Freund des Zufalls, der in Form der Leistungs-(und Steuer-)kraft der örtlichen Betriebe die Gemeindefinanzen beeinflußt und durch welchen den Kommunalverwaltungen oftmals eine optimale Aufgabenerfüllung unmöglich gemacht wird. Der sogenannte ,,abgestufte“ Bevölkerungsschlüssel, nach dem die Abgabenertragsanteile für die Gemeinden errechnet werden, sei längst verrostet und durch ein gerechteres Finanzierungssystem zu ersetzen, das auf die völlig verschiedenen Funktionen der Gemeinden Rücksicht nimmt.

Verfassungsrechtliche Klarheit müsse hinsichtlich der Subventionstätigkeit geschaffen und die Finanzhoheit der Länder und Gemeinden entsprechend den Kompetenzen verankert werden; „auf föderalistisch' heißt das, daß damit das Subventionsübergewicht des Bundes dort reduziert werden soll, wo Land und Gemeinden als Geldgeber den Anforderungen besser entsprechen können.

Ein Sonderkapitel stellen die zweckgebundenen Zuschüsse des Bundes “ zu Förderungsmaßnahmen der Länder und Gemeinden dar. Über diese Mittel „maßt sich im Ergebnis der einfache Bundesgesetzgeber an, über Art und Umfang einer wesentlichen Landesaufgabe, nämlich der Förderungsagenden des Landes, mitzuentscheiden. Die Abhängigkeit der I>änder vom Bund widerspricht dem Geist des Föderalismus“, meint Wenzl. Dazu soll ein verfassungsrechtlich abgesichertes Verfahren statuiert werden, in dem periodisch die einzelnen Förderungsaufgaben von Bund und Ländern gewichtet und dotiert werden, und zwar auf der Grundlage der Gleichberechtigung der beiden Partner.

Zweifellos dürfte mit Wenzls Erklärungen die neuere Förderaiismusdebatte, wie sie besonders von der FURCHE forciert wurde, neu belebt werden. Inwieweit sich trotz sachpolitischer Grundtendenz die Parteifreunde Wenzls aus ÖVP-regierten Bundesländern für den Vorstoß des oberösterreichischen Landeshauptmannes erwärmen werden, wird sich zeigen. Aus Tirol kommentierte ÖVP-Landeshauptmann Wallnöfer und sein SPÖ-Stellvertreter Salcher den Vorstoß negativ. Von anderen Ländern liegen noch keine Stellungnahmen vor.

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