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Die Domänen der Gemeinden

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Um dieses Problem einigermaßen zu lösen, erwägt man beispielsweise in Niederösterreich eine Zusammenlegung der sogenannten „Zwerggemeinden“. Dadurch würden den Gemeinden zusätzliche Mittel aus dem Finanzausgleich zufließen.

Einige Steuern sind Domänen der Gemeinden. Hier haben sie die „Steuerhoheit“, das heißt, sie können die Höhe der „einzutreibenden“ Leistungen ihrer Bürger festsetzen. Ausschließliche Gemeindeabgaben sind:

1. Die Grundsteuer. Auch heute noch wird in den Landgemeinden ein Großteil des Finanzaufkommens damit bestritten. Es fällt in die Autonomie der Gemeinden, den sogenannten „Hebesatz“ (Schlüssel für die auf den Einheitswert berechnete Höhe der Steuer) festzulegen. Durch Gesetz ist lediglich das oberste Limit dieses Ein-hebungsschlüssels bestimmt. Allerdings machen die Länder wiederholt verschiedene Zuweisungen von der „Ausschöpfung“ der gemeindeeigenen Steuerkraft abhängig. Das bedeutet in der Praxis: Um diese oder jene Zuwendung vom Land zu erhalten, muß der Hebesatz für die Grundsteuer auf das Höchstmaß festgelegt sein.

Nicht nur, daß man dadurch auch die Steuerkraft einer armen Bauerngemeinde — auch solche soll es in Österreich noch geben — gleichsam mit dem Zitronenpresser ausdrückt, es wird auch die Autonomie der Gemeinde in diesem Punkt in Frage gestellt. Man hat ja keine andere Wahl als den vom Bund diktierten Richtsatz zu akzeptieren, will man nicht auf die dringend notwendige Zuweisung für diesen oder jenen Bau verzichten.

2. Die Gewerbesteuer. So wie für die Landgemeinden die Grundsteuer, so .ist für die Industriegemeinden die Gewerbesteuer die tragende Gemeindeabgabe. Die Regelung der Gewerbesteuer fällt zwar in die Zuständigkeit des Bundes, doch können die Gemeinden auch hier die Hebesätze festlegen.

Die Eingänge aus der Gewerbesteuer sind in den letzten Jahren beträchtlich angestiegen, und manche Gemeinde — vor allem Wien — kann aus ihnen einen bedeutenden Teil ihres Budgets bestreiten.

3. Die Lohnsummensteuer. Ihre Einhebung bleibt den Gemeinden überlassen. In der Zeit der Hochkonjunktur ist sie zu einer begehrten Einnahmequelle vieler Gemeinden geworden. Aber auch hier — wie bei der Gewerbesteuer — schöpfen die Industrieorte den „Rahm“ ab. (Allerdings, in jüngster Zeit hat man zwischen den reichen und den armen Gemeinden einen gewissen finanziellen Ausgleich geschaffen, wodurch die Situation bereits merklich gebessert werden konnte.)

4. Die Getränke- und die Hundesteuer — letztere hat eine besondere Bedeutung für Wien — fallen ebenfalls in die Steuerhoheit der Gemeinden. Die Gastwirte haben zwar schon wiederholt die Auflassung der Getränkesteuer gefordert, dem dürfte aber kaum Rechnung getragen werden, da die Einnahmen — nicht zuletzt in den Fremdenverkehrsgebieten — relativ hoch sind.

5. Die Vergnügungssteuer. Es obliegt den kommunalen Verwaltungen, die „lustbaren“ Veranstaltungen ihrer Bürger zu besteuern. Manche Gemeinden sind hier sehr großzügig, andere wiederum verlangen selbst bei den Veranstaltungen gemeinnütziger Vereine, wie Feuerwehr und Rotes Kreuz, ihre „Prozente“. Ähnlich ist es bei der Besteuerung der Kinos. Erfreulicherweise haben bereits eine Reihe von Gemeinden auf die Besteuerung der guten (prädikatisierten) Filme verzichtet. Sie haben erkannt, daß die Förderung des kulturell Wertvollen eine Aufgabe der Gemeinde ist, die auch em kleines, finanzielles Opfer erfordert.

In ähnlicher Relation wie der Staatshaushalt, so ist auch das Budget in den Gemeinden von Jahr zu Jahr angestiegen. Die Bedeckung des Ausgabenrahmens verursacht immer größere Schwierigkeiten. Ohne Zweifel sind die Länder auch bestrebt, den finanzschwachen Gemeinden vor allem durch Kredite unter die Arme zu greifen. So will man in Niederösterreich einen sogenannten Investitionsfonds schaffen, durch den Betriebsgründungen in entwicklungsbedürf tigen Gebieten gefördert werden sollen.

Der eigene Wirkungsbereich der Gemeinden hat seit dem Inkrafttreten des Reichsgemeindegesetzes im Jahre 1862 eine große Erweiterung erfahren

— bedingt durch die vielen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Aufgaben, die heute diese Selbstverwaltungskörper zu erfüllen haben. Im neuen Gemeindeverfassungsentwurf ist der Kompetenzbereich genau umrissen. Die Generalklausel spricht für die Gemeinden. Das bedeutet, daß alle Angelegenheiten, die nicht ex lege von Bund und Ländern wahrgenommen werden, in den Aufgabenbereich der

; Gemeinden fallen.

Jeder Kommunalpolitiker weiß um die Vielfalt der Angelegenheiten, die von der Gemeinde heute erledigt werden müssen oder sollen. Kanal-, Wasserleitungs- Wohn- und Schulbau sind nur einige Stichwörter.

Große Bedeutung käme in unserer Gesellschaft der Förderung des kulturellen Lebens in den Gemeinden zu. Aber so wie im Staatshaushalt ist auch im Gemeindebudget dafür meist nur ein relativ geringer Betrag vorgesehen. Dabei wäre die entsprechende Förderung etwa des Volksibildungswesens, der Volkshochschulen, des guten Films und bestimmter, mit kulturellen Aufgaben betrauter Vereine (Orchester, Musikschulen) ein Gebot der Stunde.

In Anwendung des Subsidaritäts-prinzips müßte man in den Gemeindestuben doch erfreut sein, wenn die Vereine den Selbstverwaltungskörpern bestimmte Aufgaben abnähmen! Man bedenke, wieviel eine freiwillige Stadtfeuerwehr einer Gemeinde an Finanzen erspart. Aber hier knausert man nur zu gerne mit der „Subvention“. Dabei würde eine Berufsfeuerwehr ein Vielfaches an Geldern verschlingen. — Die Unterstützung des

— daseinsberechtigten I — Vereinswesens, des aktiven Sports und der Kulturträger sollte eine Selbstverständlichkeit sein!

Die Gemeinde trägt aber nicht nur für das kulturelle Leben eine große Verantwortung, sie ist auch im bestimmten Grade — schon auf Grund des Gesetzes — für das sittliche Leben in ihrem Bereiche verantwortlich. Wenn man heute unter dem Schlagwort „alles für die Fremden“ Campingplätze baut und tatkräftig den Fremdenverkehr fördert — das mit Recht —, so muß man auch dafür Sorge tragen, daß die Jugend den leider oft sehr negativen Einflüssen gewisser „Erholungssuchender“ nicht schutzlos preisgegeben ist.

Die Gemeinde, als Zelle des Staates, ist es auch, in der der junge Mensch zuerst mit dem öffentlichen Leben konfrontiert wird. Ergibt sich daraus nicht eine große erzieherische Aufgabe für die Gemeindeväter? Eine stimmungsvolle Jungbürgerfeier — ja, das ist recht und schön, aber zuwenig, um unsere Jugend mit den Spielregeln der Demokratie bekannt zu machen. Eine Teilnahme an einer Gemeinderatssitzung, ein Jugendforum, wo der Herr Bürgermeister Fragen der jungen Leute beantwortet, dies könnte schon besser zur politischen Schulung der Jugend beitragen.

Wie überhaupt die Gemeinde der Boden für eine lebendige Demokratie ist! Wer an einer Gemeinderatssitzung als Zaungast teilnimmt, sollte nicht — wie das noch in manchen Gemeinden geschieht — vom Bürgermeister argwöhnisch unter der Brille beobachtet werden. Im Gegenteil! Es wäre Pflicht des Pressereferenten der Gemeinde — ja, wo gibt es den? — über die Lokalpresse die Bürger auf diese oder jene wichtige Sitzung des Gemeindeparlaments aufmerksam zu machen. Würden nicht die Bauern mehr Verständnis für das Hinaufsetzen des Hebesatzes aufbringen, wenn sie in der Gemeinderatssitzung, oder gar in einer Gemeindeversammlung, gehört hätten, warum diese Maßnahme notwendig ist?

Ja, es wäre zu überlegen, ob man nicht dann und wann vor der Durchführung besonders wichtiger Vorhaben eine „Volksbefragung“ einleiten sollte. Die Kosten für ein Bad etwa, das mit 20 Millionen Schilling veranschlagt ist, sind schließlich kein „Pappenstiel“. Sollte man hier nicht den Gemeindebürgern die letzte Entscheidung überlassen? Die Einschaltung von Spielregeln der unmittelbaren Demokratie — hier in den verhältnismäßig kleinen territorialen Körperschaften wäre dies möglich. Die Schweiz kann uns da ein Vorbild sein.

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