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Staatsposten für alle?

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Die öffentliche Ausschreibung von Stellen in der öffentlichen Verwaltung ist nun Gegenstand ernster Beratungen geworden. Dabei sollte es nicht allein um die Ausschreibung, sondern auch um die Einstellung und um die Beförderung gehen. An dieser Stelle wurde bereits auf die dankenswerte Initiative hingewiesen, die Vorarlberger Akademiker im Interesse einer korrekten Vergebung öffentlicher Stellen ergriffen hatten (siehe „Die Furche“, Nr. 2/1958). Freilich sollte die öffentliche Ausschreibung der Stellen keineswegs als Novum betrachtet werden. Im Amtsteil der „Wiener Zeitung“ kann man laufend von offenen Stellen lesen, etwa um den 1. Juli herum von den offenen Stellen an Mittelschulen.

Die Festlegung, daß öffentliche Stellen bis hinauf zum Sektionschef unabhängig von der Parteizugehörigkeit des Bewerbers zu vergeben sind, entspricht nur dem Grundsatz der Gleichheit aller vor dem Gesetz, so daß eine formelle Abmachung wegen der Vergebung der öffentlichen Stellen eigentlich nur den Charakter einer Auslegung der Verfassung hat.

Vorläufig — und hoffentlich auf lange Zeit — haben wir eine Staatsführung, die zumindest bei Wahlen die überwiegende Mehrheit der österreichischen Bevölkerung hinter sich zu bringen vermag. Nach dem Gesetz der großen Zahl müßten daher die in Stellen der öffentlichen Verwaltung Kommenden in ihrer überwiegenden Mehrheit Anhänger oder zumindest Wähler einer der beiden Regierungsparteien sein. Es kann aber auch anders kommen. Sollten wir einmal eine Einparteienregierung haben, käme es unter Umständen zu bedenklichen Entartungen bei der Postenvergebung, ganz abgesehen davon, daß die siegreiche Partei — wie in den USA — die in öffentlichen Stellen wirkenden deklarierten Anhänger der anderen Parteien disqualifizieren könnte. /'

Wenn versucht wird, die Stellenvergebung aus der unmittelbaren Einflußnahme der Parteien herauszulösen, muß man sich auch fragen, was die Bemerkungen des Herrn Bundespräsidenten bedeuten sollen, denen zufolge er sich die Beamtenernennungen vorbehält. Man kann nicht gut festlegen, daß der Posten eines Sektionsrates nach der Eignung des betreffenden Kandidaten vergeben wird, während auf der anderen Seite das Staatsoberhaupt von sich aus, weil jenseits der Verwaltungsmaschinerie stehend, Ernennungen dekretieren kann, wobei der Bundespräsident offensichtlich Wert darauf legt, nUr als beurlaubter Obmann einer Partei angesehen zu werden.

Wenn man von der Postenvergebung spricht, ist man oft geneigt, auf die „gute, alte Zeit“ hinzuweisen. Nun.gab es auch damals in vielen Bereichen der Verwaltun? Auslesegrundsätze, über die man besser heute nicht reden sollte, weil sie keineswegs Beweis einer vollendeten Objektivität waren. Es hat, seit es eine öffentliche Verwaltung gibt, auch den Einfluß von Parteien auf diese Verwaltung gegeben. Das wird auch immer so sein. Freilich waren die einflußnehmenden Parteien ehedem weniger offene, als vielmehr getarnte Quasiparteien, Gruppen verschiedenster Art, etwa Freimaurer oder Korps, die in einer Art Proporz (den es auch immer geben wird) die staatliche Verwaltung aufteilten. So vermochten Teile der Hochbürokratie auf die Vergebung staatlicher Posten bestimmenden Einfluß zu nehmen, ein Umstand, auf den man heute nicht gerne hinweist, weil man sich das schöne Bild der so vollendet kor-' rekten altösterreichischen Verwaltung nicht stören lassen will.

Jedenfalls dürfte die Tatsache, daß jemand einer Partei angehört oder daß er Gegner der Regierungsparteien ist, nicht Grund einer Ablehnung für einen Posten in der öffentlichen Verwaltung sein. Anderseits aber dürften Angehörige von Gruppen, die sich offen gegen einen Bestand des österreichischen Staates auf Dauer aussprechen, keinen Zugang zu Posten in der Verwaltung finden. Schließlich verlangt jeder private Unternehmer so etwas wie eine Loyalität seiner Dienstnehmer gegen das „Unternehmen“. Gleiches auch bei der Vergebung öffentlicher Stellen zu verlangen, ist nicht unbillig Man müßte eben davon ausgehen, daß, bei sonst gleichen Bedingungen, Menschen, die keine Gewähr für eine staatspolitische Loyalität bieten, in der: Staatsverwaltung nicht zu beschäftigen sind. Es ist nun' interessant, daß gerade die Anhänger von Gruppen, die einmal, als sie an der Macht waren, bewiesen, daß sie für Staatsstellungen ausschließlich die Anhänger ihrer Richtung geeignet Rielten, heute sehr wehleidig tun, wenn man sie nicht unverzüglich berücksichtigt. Menschen, arme Teufel, die auf Grund ihres Charakters stets heimatlos sein werden, weil sie nicht die Kraft haben, ihrem Vaterland auch in Grenzsituationen die Treue zu halten, gehören nicht in den öffentlichen Dienst.

Insbesondere sollte das für das Schulwesen jeder Art gelten. Die Staatsfeindschaft wurde den jungen Menschen vor 1938 in Oesterreich geradezu anerzogen, und dies von Menschen, die vom Staat noch dafür bezahlt wurden, dazu da und dort noch hochbezahlt; war es doch beileibe keine Kleinigkeit, einem „Staat wider Willen“ zu dienen, einem staatlichen Gebilde,das für einen prominenten Hochschullehrer nur die Qualität eines „Fastnachtsscherzes“ hatte.

Um so mehr muß man sich darüber wundern, daß von allerhöchster Seite neuerlich Menschen auf Lehrkanzeln gebracht werden, die keinerlei Beweis erbracht haben, daß sie gewillt seien, ihren einst noch in der „Elendszeit“ begonnenen Kampf gegen Oesterreich aufzugeben. Hier zeigt sich ein geheimnisvoller Proporz, dessen Regeln und Bestimmungsgründe dem kleinen Mann unbekannt sind.

Wenn also das Problem der öffentlichen Ausschreibung der Posten im Staatsdienst zur Diskussion gestellt wird, sollte man den Umfang des Besprechungsgegenstandes erweitern, damit nicht eine Ausschreibungskomödie inszeniert wird.

Erstens müßten alle öffentlichen Dienststellen, auch die Gemeinden und Länder wie die öffentlich-rechtlichen Institutionen (Krankenkassen), die bei ihnen freiwerdenden Stellen ausschreiben. Ob dies auch bei den „Tendenzbetrieben“ möglich ist (Arbeiterkammer und Kammer der gewerblichen Wirtschaft) muß bezweifelt werden, da diese Institutionen mit Recht verlangen müssen, daß ihre Beamten nicht nur ihre Kenntnisse zur Verfügung stellen, sondern auch bereit sind, die besonderen Gruppeninteressen zu vertreten, also in einem gewissen Sinn Parteigesinnung zu haben.

Zweitens sollte man sich auch um das Problem der Einstellung und der Beförderung annehmen. Oft werden Beamte, die nicht einmal Anstellungsbedingungen aufweisen konnten, zu Vorgesetzten von vollqualifizierten Beamten gemacht, was notwendig zu einer Aufweichung der Berufsmoral und zum Verlust des Ansehens der Ressortchefs führt.

Schließlich sollte, wenn von Protektion die Rede ist, nicht immer nur auf die politischen Parteien gesehen werden. Es gibt neben den offiziellen Parteiprotektoren eine nicht geringe Zahl von „a-politischen“ Gruppen, die vermöge ihres Einflusses und geheimnisvoller Verbindungen bis hoch hinauf in der Lage sind, Leute ihres Vertrauens durchzubringen. Jedenfalls zeigt es von wenig Kenntnis der Zusammenhänge, wenn man nur die politischen Parteien für die oft sachlich falschen Einstellungen und Beförderungen verantwortlich macht, die Quasiparteien, die es auch im Bereich der öffentlichen Verwaltung gibt, völlig übersieht. Gar nicht zu sprechen von dem, was sich oft auf Hochschulboden tut.

Da der Staatsdienst nicht auf Grund einer Dienstverpflichtung geleistet wird (es also keine „Einberufungen“ in den. öffentlichen Dienst gibt), sondern erst nach einer spontanen Bewerbung angetreten werden muß, kann man wohl auch verlangen, daß ein Staatsbeamter neben den normalen sachlichen Einstellungsbedingungen auch die Bedingung der Staatstreue erfüllt. Und nicht nach dem Prinzip: „Schwör'n ma halt a bisserl“ vorgeht, und augenzwinkernd oder nach der falschen Richtung schielend seine Dienste vollzieht.

Die Märztage 1938 waren jedenfalls kein Ruhmesblatt in der Geschichte des österreichischen Beamtentums. Wer, wie der Verfasser dieser Zeilen, Gelegenheit hatte, in einem Ministerium den Gesinnungswechsel der Angehörigen der Hochbürokratie mitzuerleben, ist nachdrücklich dafür, von den Beamten des Staates zwar nicht Parteitreue, wohl aber staatspolitische Einsatztreue zu verlangen. Wie peinlich war der Gesinnungs- und Grußwechsel und die wendige Haltung nicht weniger Beamter des österreichischen Staates, die, obwohl hochbezahlt, es nicht unterließen, gleichsam über Nacht alles zu verbrennen, was sie sehr laut und mit treudeutschem Blick vorher angebetet hatten und alles anzubeten, was sie, ebenfalls sehr laut und mit dem gleichen treudeutschen Blick, bisher verbrannt hatten.

Man wird daher die Forderung nicht als unbillig erklären:

Oeffentliche Stellen für alle: Ja! Nicht aber für Staatsfeinde I

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