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Die Abgeordnetenbezüge

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Im Parteienstaat der volJentwickelten Form ist nicht allein die gesetzgebende M cht, sondern auch ein Teil der Verwaltung öffentlicher Belange in den Händen von Mandataren. Die Ausübung eines öffentlichen Mandates hat daher nicht mehr den Charakter eines „Männersportes“ oder ist etwa ein Kavaliersvergnügen, sondern stellt, gemessen am Ausmaß des zeitlichen und auch körperlichen Engagements, eine berufliche, und zwar eine h a u p t berufliche Tätigkeit dar. So entsteht der Typ des Berufspolitikers.

Der Berufspolitiker ist daher nicht eine Entartung des parlamentarischen Lebens, sondern das Ergebnis einer unvermeidbar stärker gewordenen Einflußnahme der Volksvertreter auf die Verwaltung öffentlicher Angelegenheiten. Die oft erhobene Forderung nach Abschaffung des Systems der Berufspolitiker zeigt nicht immer eine starke Einsicht in die politischen Wirklichkeiten. Daß darüber hinaus so manche der Kritiker nur solange für das sind, was sie „Entpolitisierung" nennen, als ihre Partei in der Opposition steht oder sie höchstpersönlich noch nicht zum Zug gekommen sind, ist nur ein Beweis dafür, wie sehr die Menschen auch in politischen Dingen befangen und, ob sie es wahrhaben oder nicht, „Partei" sind. Das gilt auch für die Beurteilung der im Scheinwerferlicht einer kritischen Öffentlichkeit handelnden Politiker, die keineswegs immer in jener Sachlichkeit erfolgt, die im Interesse des Vaterlandes geboten erscheint.

Nimmt nun die Tätigkeit eines Politikers den Charakter — oder besser den zeitlichen Umfang — eines Berufes an, ist es selbstverständlich, daß er wie ein hauptberuflich Tätiger honoriert werden muß. Nicht von den Parteien, sondern aus öffentlichen Kassen. Wie immer man einzelne Aktionen von Politikern beurteilen mag, es ist offensichtlich, daß die Arbeit der Politiker, auch jener der staatsbejahenden Opposition, dem gemeinen Wohl dient. Die Tatsache, daß Abgeordnete ungeeignet sind oder gar zuweilen das Interesse von Staatsfeinden und des Auslandes vertreten und, obwohl Gesetzgeber, dennoch Gesetzesbrecher sind, ist eine Ausnahmeerscheinung, die hier unbeachtet bleiben kann.

Man kann jedenfalls angesichts der Organisation des moderneM ParUienstaates die grundsätzliche Berechtigung der Abgeördnetenbezüge kaum noch in Frage stellen. Zu fordern, die Mandatare sollten ihre Tätigkeit ehrenamtlich verrichten und, wenn sie Staatsangestellte sind, für die Dauer der Mandatsausübung auf die Vorrückung verzichten, ist sicher sehr publikumswirksam, aber nicht sachlich. Das hieße doch nichts anderes als die Wiedererrichtung eines „Herrenhauses“ fordern oder die Arbeit des Abgeordneten lediglich auf die zeitweilige Teilnahme an Abstimmungen beschränken wollen. Die Zeit der Herrenhäuser und der mittelalterlichen zünftlerischen Stadtparlamente ist aber vorbei, wobei keineswegs feststeht, daß die Mitglieder von Vertretungskörpern in der „guten alten Zeit“ ihre politische Tätigkeit so völlig ohne persönliches Interesse ausgeübt und nicht indirekt ihre wirtschaftlichen Vorteile empfangen haben.

Wenn nun so etwas wie eine ernsthafte Diskussion um die Abgeordnetenbezüge entstanden ist, dann nicht um das P r i n z i p der Besoldung der Volksvertreter, sondern um die Art der Abgeltung der Tätigkeit der Mandatare, insbesondere der Nationalräte.

Vor allem erinnert man sich heute noch an die mehr abrupte Art, in der die Bezüge der Volksvertreter seinerzeit nachgezogen worden waren. Dazu kommt, daß vielfach die Meinung besteht, die derzeitige Höhe der Abgeordnetenbezüge, die ein Viertel der Bezüge des Staatsoberhauptes beträgt, sei nicht gerechtfertigt. Nun sollte aber nicht so sehr die Höhe der Bezüge Gegenstand der Kritik sein, sondern die mechanische Form, in der die Vergütungen zugerechnet werden. Die Abge- oidnetenbezüge haben den Charakter von „Aufwandentschädigunge n“, gezahlt an öffentliche „Vertragsangestellte", deren Anstellungsverhältnis formell ein solches auf bestimmte Dauer ist. Aufwandentschädigungen sind aber, ebenso wie zum Beispiel angemessene Fahrtvergütungen an Angestellte, keine Einkünfte im steuerlichen Sinn, sondern Rückvergütungen. Aus diesem Grund sind die Einkünfte der Abgeordneten steuerfrei: de jure deswegen,' weil sie in keine der sieben Einkunftsarten hineingehören.

Anderseits stehen aber Aufwandsvergütungen normalerweise in einem Zusammenhang mit nachgewiesenen Aufwendungen. Ein solcher Aufwandsnachweis, etwa

in Form von Aufwendungen für Anwesenheitsstunden und ähnliches bei Sitzungen, wird jedoch von den Mandataren nicht gefordert, ebenso kein Nachweis irgendwelcher Aufwendungen, die mit der Mandatsausübung in irgendeinem Zusammenhang gestanden sind. Tatsächlich werden den Volksvertretern unbewiesene, unbeweisbare Aufwendungen pauschal und einheitlich abgegolten. Verfolgt man jedoch die Tätigkeit einzelner Abgeordneter, so entdeckt man manche, die überall da, wo sie handeln, zumindest aber reden müßten, „beredte“ Schweiger sind. Daneben steht die große Zahl von Mandataren, die im öffentlichen Interesse bis zur Erschöpfung tätig sind und gerade deswegen, weil sie durch ihre Arbeit das öffentliche Interesse auf sich ziehen, angegriffen werden.

Es wäre nun zu erwägen, in Anwendung des § 17 des Gehaltsgesetzes 1956, das die Pauschalierungen von Aufwandsentschädigungen untersagt, auch die Aufwandsentschädigungen für die Abgeordneten zu spezifizieren. Das Gehaltsgesetz, das auch für die Abgeordneten zum National- und Bundesrat gilt, geht bei den Bezügen der Mandatare von „Auslagen" aus, die ihnen in der „Ausübung ihrer Mandate erwachsen“ sind. Unter dem betriebswirtschaftlich völlig unverständlichen Begriff der „Auslagen" kann man wohl, wie oben erwähnt, die Rückvergütung von tatsächlichen Aufwendungen im weitesten Sinn (freilich nicht notwendigen „Ausgaben") verstehen, während die Oeffentlichkeit weithin der Meinung ist, es handle sich bei dem, was die Abgeordneten beziehen, um ein „Gehalt". Tatsächlich ist das, was dem einzelnen Abgeordneten als Folge seiner Tätigkeit als Mandatar an Aufwendungen entsteht, je Person durchaus verschieden. Man denke nur an den Verdienstentgang, der doch bei einem öffentlich Bediensteten einen anderen Charakter und eine andere Höhe hat als bei einem Gewerbetreibenden, der im Westen an der Landesgrenze seinen Betrieb besitzt.

Es gibt Nationalräte, die an die zwölf und mehr Stunden für die Bahnfahrt nach Wien aufwenden müssen, und es gibt solche, die in

zehn Minuten das Parlamentsgebäude erreichen. Es gibt weiter Volksvertreter, die wegen der Eigenart ihrer parlamentarischen und politischen Arbeit ein Sekretariat benötigen und es weitgehend selbst erhalten müssen, während andere Mandatare ohne Hilfe eines Sekretariats ihre Tätigkeit ausüben können.

Die Sache wird noch dadurch verwickelter, daß die Mandatargehälter nicht nur formell Aufwandsentschädigungen sind, sondern darüber hinaus eine im Prinzip gerechtfertigte Repräsentationszulage enthalten und schließlich auch Versorgungscharakter haben. Diese Dreischichtung der Abgeordnetenbezüge läßt erst recht verstehen, daß Wie uniforme Zurechnung keineswegs dem Sachverhalt angemessen und „gerecht“ ist. Nicht nur die Aufwendungen, die ein Abgeordneter wegen der Ausübung seines Mandats hat, sind je Person verschieden, auch die Höhe der Repräsentationsaufwendungen hängt sehr von der jeweiligen Stellung des Mandatsträgers ab. Dazu kommt, daß beim „Versorgungslohn" (einer Art Bedarfsdeckungslohn) keinerlei Bezug auf den durchschnittlichen „Bedarf" genommen wird, der vom Abgeordneten jeweils aus seinen Bezügen zu decken ist. Ein Volksvertreter, der mehrere Kinder hat, muß daher mit dem gleichen Versorgungsbetrag (wenn man sich diesen isoliert denkt) sein Auslangen finden wie ein Lediger, da alle Bezüge, da sie „Nichteinkommen" im Sinne der steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen sind, so gut wie netto angewiesen werden.

Worum es also in der Diskussion um die Abgeordnetenbezüge offensichtlich geht und auch gehen sollte, ist nicht die Frage der Rechtfertigung der Bezüge (oder wie immer man die Abgeltungen nennen mag), auch nicht die Höhe, wenn freilich über diese je nach der Tätigkeit des einzelnen Abgeordneten und seiner Versorgungswürdigkeit verschiedene Meinungen bestehen können. Irgendwie müssen jedenfalls die Bezüge den Abgeordneten jene finanzielle Unabhängigkeit geben, die sie für die Ausübung ihres hohen Mandats benötigen. Dazu kommt, daß jeder Nationalrat seiner Partei

einen nicht geringen Betrag von seinem Mandatareinkommen abliefern muß. In diesem Zusammenhang ergibt sich wieder die u. a. noch für sich zu behandelnde Frage der Finanzierung der Parteien, die zum Beispiel in der Bundesrepublik Gegenstand ernster Erörterungen ist. Dort wurde u. a. die Notwendigkeit vorgetragen, in einem gewissen Umfang die Parteiarbeit aus öffentlichen und daher kontrol-

lierbaren Beträgen zu finanzieren. Jedenfalls kann man nicht auf der einen Seite den Parteienstaat als die beste Form der Demokratie bejahen — und auf der anderen Seite das Problem der Erhaltung der Träger des Parteienstaates völlig ungeordnet lassen wie in Oesterreich.

Es scheint uns, daß es bei der Diskussion um die Mandatarbezüge bzw. Mandatarentschädigungen um Einzelfragen geht, um welche, fern aller Hysterie, eine Auseinandersetzung wohl möglich sein müßte.

Zuvorderst geht es darum, die uniforme Abgeltung der Tätigkeit der Abgeordneten zu berichtigen und die sogenannte Aufwandentschädigung in einen a) von Fall zu Fall verschieden hohen Versorgungsbezug (der den gesetzlichen Abzügen, zumindest aber der Lohnbesteuerung unterzogen werden müßte), b) in einen unter Umständen einheitliches steuerfreies Repräsentationspauschale und c) in eine nachweisbare oder doch nach Gruppen geschichtete Aufwandsrückvergütung (Quartiergeld, Sitzungsgelder u. a.) aufzugliedern.

Eine solche Regelung brächte sicher ein Stück Bürokratisierung, aber schließlich rechnet das Zentralbesoldungsamt ja auch hunderttausende öffentlich Bedienstete nach sehr verschiedenen Besoldungssätzen ab. Was man „Gerechtigkeit“ nennt, ist immer „kompliziert", während anderseits die einfache Verteilung des Sozialprodukts ungleich mehr an Ungerechtigkeiten enthält. Es sei nur an die unsoziale Mietzinsbeihilfe erinnert, die sicherlich „vorbildlich einfach“ abgerechnet wird.

Es kann aber sein, daß man sich nicht zu einer differenzierten Berechnung der Abgeordnetenbezüge entschließen kann. Dann wäre aber auf jeden Fall zu erwägen, die „Aufwandsentschädigungen", die zum größten Teil doch keine sind, sondern „Nebeneinkünfte“ oder Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit (dritte Einkunftsgruppe) entweder der Einkommensteuer oder, wenn es sich um Dienstnehmer handeln sollte, unter Umständen der Versteuerung zu festen Steuersätzen, wie sie für die „sonstigen Bezüge“ in Anwendung sind, zu unterziehen. Dabei könnte sicher so etwas wie ein erhöhtes Werbungspauschale abgerechnet und erst vom verminderten Betrag die Einkommen- bzw. Lohnsteuer gerechnet werden.

Wie für viele Fragen des Politischen in unserem Land müßte auch in der Auseinandersetzung um die Abgeordnetenbezüge die Tatsache, daß ein Nationalrat den Bezug eines Bundesbeamten der höchsten Gehaltstufe, der Dienstklasse IX der Allgemeinen Verwaltung, erhält (das sind 9380 Schilling), an sich noch kein Anlaß für aufgeregte Auseinandersetzungen sein. Ein großer Teil des obigen Betrages hat für den Abgeordneten ohnedies nur den Charakter einer „durchlaufenden Post“.

Dagegen sollte man sich „oben" darum sorgen, daß das Prinzip der Leistungsgerechtigkeit und des sogenannten gerechten Lohnes auch bei den Nationalräten selbst realisiert wird und daß jene Steuergesetze, die der Nationalrat beschlossen hat, auch auf die Mitglieder der gesetzgebenden Versammlung selbst Anwendung finden. Damit wäre der Demokratie und nicht zuletzt dem Ansehen der Abgeordneten selbst ein wertvoller Dienst erwiesen.

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