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Sorgen der Gemeinde

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Das Bundesland Niederösterreich bietet wohl von allen österreichischen Bundesländern die abwechslungsreichste Landschaft. Im Gebiet der Brucker Pforte erinnert das Land an die ungarische Ebene. Die bereits aus der Römerzeit bekannten Siedlungen künden eine reiche Geschichte dieses Landstriches. Die Wachau hat nicht nur besondere landschaftliche Reize, sie ist auch reich an Burgen, Schlössern und ehrwürdigen Klöstern. Das Waldviertel in seiner Mannigfaltigkeit hat eigenen landschaftlichen Charakter, das Weinviertel und das Marchfeld nördlich der Donau sind fruchtbare Gegenden, die Brot und Wein zur wirtschaftlichen Grundlage hatten. Südlich zeigt das Land die schönen Voralpen, und mit ötscher, Schneeberg und Rax werden wir in eine ausgesprochene Alpenwelt hinein-\ gestellt.

Dementsprechend haben auch die Gemeinden Niederösterreichs eine verschiedene Entwicklung genommen und sie bedeuten für die Bodenständigkeit des niederösterreichischen Volkes eine feste, wenn auch vielgestaltige Grundlage. Aus dieser historischen und landschaftlichen Gegebenheit heraus ist Niederösterreich das Land der Klein- und Kleinstgemeinden geworden und vor Beginn der Gemeindezusammenlegungen in Niederösterreich 1652 selbständige Gemeinden im Lande gezählt. Die Städte St Pölten und Wr. Neustadt haben eine Bevölkerungszahl von rund 40.000, die Kleinstigemeinden erreichen nicht einmal die Zahl 100. Daß hier aus verschiedensten Gründen eine Änderung notwendig Ist, ist leicht verständlich, und die Landesregierung bemüht sich, möglichst viele Klein-und Kleinstgemeinden zusammenzuziehen, damit wenigstens eine Gemeinde von 1000 Einwohnern gebildet werden kann. Die kleineren Gemeinden können heute ihren kom-raunalpolitischen Aufgaben nicht mehr gerecht werden. Durch die notwendige Zusammenziehung von Schulen, die Auflassung von Pfarren, Konzentration der Gendarmerieposten und Verkehrspunkte haben viele Klein- und Mittelgemeinden auch ihr kulturelles Zentrum verloren. In den letzten Jahren hat sich die Zahl der Gemeinden durch Zusammenschlüsse um rund 200 verringert, die Neuorganisation des Gemeindewesens hat aber damit noch lange keinen Abschluß gefunden.

Die Gemeinden wissen, daß sie kommunal-politische Aufgaben zu erfüllen haben, die weit über die Pnichtaufgaben der Gemeinden

hinausgehen. In den größeren Gemeinwesen ist die Wohnungsfrage noch immer eine echte Sorge, Wasserleitung, Kanalisation, Beleuchtung, Ausgestaltung des Ortsbildes sind notwendige Voraussetzung für eine gesunde Entwicklung in einer Gemeinde und dort, wo die Landschaft für den Fremdenverkehr alle Voraussetzungen mitbringt — und das ist in sehr vielen Gegenden Niederösterreichs der Fall —, wird man auch auf die Schaffung von Fremdenverkehrseinrichtungen, Bäder, Sportplätze und andere Einrichtungen nicht verzichten können. Wenn die Gemeinden diese Aufgabe erfüllen sollen, dann brauchen sie eine gesicherte finanzielle Grundlage, die ihnen heute nur zum Teil garantiert werden kann.

Die kommunalpolitischen Leistungen der niederösterreichischen Gemeinden nach dem zweiten Weltkrieg sind beachtlich. Wenn in Niederösterreich in zehn Jahren 300 neue Schulen gebaut wurden, so ist dies nicht nur auf den Schulbaufonds in Niederösterreich allein zurückzuführen, denn einen Großteil der notwendigen Baukosten müssen die Gemeinden aus eigenem aufbringen. Die Notwendigkeit, in den Mittelpunktstädten Mittelschulen zu errichten, hat dazu geführt, daß die Gemeinden vielfach Vorfinanzierungen vorgenommen haben, da der Bund seinen Verpflichtungen auf diesem Gebiet nicht nachkommen konnte. Die spitalerhaltenden Gemeinden bringen große Opfer im Dienste der Volksgesundheit. Die erfreuliche Initiative, die die niederösterreichischen Gemeinden in allen Teilen des Landes entwickeln, darf nicht durch eine immer fühlbarere Uber-lastung der Finanzkraft der Gemeinden zum Stillstand kommen.

Die Gemeinden in Niederösterreich geben dem Land das Gepräge. Ohne ihre Leistung ist ein gesundes Niederösterreich nicht denkbar. In den Gemeinden herrscht gesunder demokratischer Geist und fast: durchwegs echter Wille zur konstruktiven Zusammenarbeit. Diese Leistungen im Interesse des Landes dürfen nicht an den Sorgen der Gemeinden und an einer Überverwaltung, die den Gemeinden im übertragenen Wirkungskreis oftmals zugemutet werden, scheitern.

Anerkennen wir den Aufbau der niederösterreichischen Gemeinden und verstehen wir die damit verbundenen Sorgen, damit auf dem Gebiete des Gemeindewesens der notwendige Beitrag für eine glückliche Zukunft Niederösterreichs igeleistet werden kann.

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