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Der steirische ÖVP-Politiker Herwig Hösele präsentiert ein neues Buch zu Österreich. Auszüge aus seinen Vorschlägen für eine neue Staatsstruktur und mehr Nähe zur EU.

Seit dem EU-Beitritt Österreichs 1995 stellen sich neue, ernsthaft zu erwägende Sinnfragen des Parlamentarismus auf Bundes- und Landesebene. Viele der grundsätzlichen Entscheidungen für die nationale Gesetzgebung werden seit nunmehr bald 15 Jahren in Brüssel getroffen. Der frühere deutsche Bundes- und Verfassungsgerichtshofpräsident Roman Herzog beziffert dies mit 80 Prozent der Materien, für die die EU die Rahmenrichtlinien vorgibt und die quasi im Rank-Xerox-Verfahren in National- und Bundesrat und in den Landtagen mit der einen oder anderen Ausschmückung kopiert werden müssen.

Die schleichende Zentralisierung durch bundes- und europapolitische Vorgaben und das immer stärker werdende Übergewicht auch an Sach- und Entscheidungskompetenz der Exekutive gegenüber der Legislative ist sowohl im Bundesparlament als auch insbesondere in den Landtagen spürbar.

Der Bund als Holding

Die nur rudimentären gesetzgeberischen Kompetenzen der Landtage werden immer fragwürdiger. Bald wird außer dem Jagd- und Fischereiwesen nicht mehr viel übrig bleiben. Der Tierschutz wurde schon vereinheitlicht; dass der Jugendschutz mit den von Bundesland zu Bundesland völlig unterschiedlichen Ausgehzeiten bald drankommt, erscheint nur logisch. Sachlich eventuell gerechtfertigte Differenzierungen können auch über Verordnungen erfolgen.

Die Formel könnte lauten: Konzentration der Gesetzgebung im Bundesparlament, weitgehende Verlagerung der operativen Aufgaben auf die bürgernahen Ebenen Länder und Gemeinden. Der Bund wäre ... eine Art strategische Holding, die Länder wären die operativ agierenden Einheiten. Gleichzeitig sollten die Bundesländer via Landtage und/oder Landesregierungen über einen #Bundesrat neu# an der Bundesgesetzgebung mitwirken, so wie es die Mitglieder der Bundesregierung via Europäischem Rat bei der EU-Gesetzgebung tun.

Ansonsten sollten die Landtage Kontrollorgane der Verwaltung und Foren regionaler Anliegen sein, die teilweise über alte Staatsgrenzen hinausgehen und auch Anliegen von Europaregionen formulieren können. Die gegenwärtigen Landesgesetzgebungskompetenzen taugen sicherlich nicht als unverzichtbares und wesentliches Erkennungsmerkmal der föderalen Identität.

Europa ist unser Schicksal # angesichts der dramatischen Entwicklungen im Gefolge der seit 2008 offensichtlich grassierenden globalen Wirtschafts- und Finanzmarktkrise, die eigentlich eine Systemkrise ist, ist man auch in Österreich geneigt das zu konstatieren. Denn ein Positives hat das Zittern der Österreicher um den Euro gebracht: Die tiefe EU-Skepsis # die massivste aller europäischen Länder noch im Frühjahr 2008 # ist der realistischeren Einsicht gewichen, dass Österreich auf sich allein gestellt wohl ein isländisches Schicksal erlitten hätte.

Trotzdem ist die EU aber weit davon entfernt, populär zu sein. Europa zu vermitteln, ist ein mühsamer Prozess, er kann und wird aber immer dann erfolgreich sein, wenn sich die proeuropäischen Kräfte dieser Anstrengung unterziehen und in einen ständigen Dialogprozess eintreten.

Ein solcher Europäisierungsprozess der österreichischen Politik ist eine absolute Notwendigkeit. Europa ist eine Bringschuld der Politik und keine Holschuld der Bürger.

Europa fehlt Öffentlichkeit

Gegenwärtig wird vieles von den politischen Parteien innenpolitischen Opportunitäten geopfert. Oft wird mit dem Finger nach Brüssel oder Straßburg gezeigt, wenn eine Maßnahme nicht gefällt oder innenpolitisch für populistische Strategien instrumentalisiert werden kann. Die bürgerfernen Eurokraten eignen sich bestens als Sündenbock und Feindbild.

Manchmal hat man den Eindruck, als wollte man gewisse europäische Informationskanäle in Österreich bewusst verstopfen. So könnte auch das Redeverbot für österreichische EU-Abgeordnete im Wiener Parlament erklärt werden. Es bestehen auch institutionelle Defizite, es gibt keine europäische Öffentlichkeit.

Was ist faul im Staate Österreich?

Eine Reformagenda # Beiträge von Gerd Bacher, Erhard Busek, Waltraud Klasnic und Heinrich Neisser, Von Herwig Hösele. Molden Verlag 2010

220 Seiten, geb., e 24,95

Autor Herwig Hösele

Mit dem Band #Was ist faul im Staate Österreich? Eine Reformagenda# will Herwig Hösele Mitwirkung und Mitgestaltung an neuen Strukturen auslösen.

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