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DIE ORGANE DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFT
Wenn man an Brüssel denkt, fällt einem natürlich zuerst einmal die EU, der Sitz der Kommission und die Beamtenhochburg der EU ein. Für Außenstehende, die nicht durch ihre berufliche Tätigkeit bedingt mit den diversen Organisationen in Brüssel tagtäglich zu tun haben, ist Brüssel ein spanisches Dorf. Unverständliches Konglomerat von Ämtern, Büros und Vertretungen. Fragen wie „wer ist zuständig, wie werden Entscheidungen getroffen" bereiten vielen heftiges Kopfweh.
Das institutionelle System der EU ist schwer definierbar. Denn man kann sie weder einem zwischenstaatlichen noch einem überstaatlichen, das heißt supranationalen System zuordnen. Die Mitgliedstaaten geben einen Teil ihrer Souveränität freiwillig auf, um auf der Basis der fünf Organe für alle bindende Entscheidungen zu treffen.
Von diesen Organen ist nur die Kommission in Brüssel ansässig. Um die Politik der EU nicht ausschließlich in einem Land anzusiedeln, wurden die anderen Organe in andere Mitgliedsstaaten verlegt.
Die Entscheidungsfindung innerhalb der EU durchläuft drei Instanzen: Die Kommission, das Europäische Parlament und den Rat der EÜ.
Am Anfang aller Dinge steht die Kommission. Diese ist quasi der Motor der EU. Sie fungiert als Initiator politischer Maßnahmen, an ihrem Initiativrecht führt kein Weg vorbei. Schon bei der Ausarbeitung der Vorschläge für etwaige neue Rechtsakte werden Vertreter aus allen Bereichen der Wirtschaft und Gesellschaft
(NGOs) einbezogen. Dieser Sondierungsprozeß für eine neue Gesetzesvorlage, bei dem die verschiedenen Interessenvertreter versuchen, ihren Argumenten bei der Kommission Gehör zu verschaffen, heißt im Brüsseler Fachjargon Lobbying. Es kursieren wilde Gerüchte über diverse Bestechungsversuche seitens der Wirtschaft, denen die Beamten der Kommission erliegen. Diese G'schichterln haben in der Regel mit der Realität wenig zu tun. Für viele ist der an sich sehr demokratische Prozeß des Lobbying noch zu neu und unbekannt und sie fürchten die Bestechlichkeit der Bürokraten.
Michael Reinprecht (siehe Seite 13) verweist diese Gerüchte in das Reich der Fabel: „Die Geschichten, daß es Lobbyisten gibt, die mit Einladungen auf
Kreuzfahrten irgendwelche Änderungen oder Richtlinien herbeiführen würden, sind in der Tat nur Märchen." Über Vorschläge stimmt die Kommission als Kollegium ab und leitet sie dem Europäischen Parlament zur Stellungname oder gegebenenfalls zur Mitentscheidung weiter. Der überarbeitete Text wird dann dem Rat der EU vorgeschlagen. Der Europäische Rat setzt sich aus politischen Vertretern höchster Ebene zusammen (Ministerrat). Er tritt unter dem Vorsitz eines Mitgliedsstaates zusammen, welcher alle sechs Monate wechselt. Er entscheidet letztendlich, ob aus der Vorlage ein Gesetzestext wird oder nicht. Er kann Änderungen vornehmen und sie sogleich beschließen.
Das Europäische Parlament ist ein wesentlicher Faktor zur Kontrolle der Kommission und des Rates. Im Europäischen Parlament sind sowohl Kommission als auch Rat zur Rechenschaft verpflichtet. Seit Maastricht muß die Kommission vom Europäischen Parlament bestätigt werden. Das Europäische Parlament wird direkt gewählt. Es gibt keine nationalen Gruppierungen, sondern nur auf Gemeinschaftsebene zusammengeschlossene Fraktionen.
Über diese drei politischen Entscheidungsträger wachen der Europäische Gerichtshof und der Rechnungshof. Ersterer prüft die Übereinstimmung der Ratsbeschlüsse mit dem Gemeinschaftsrecht, letzterer kontrolliert den Gemeinschaftshaushalt.
Neben den Organen der EU gibt es noch zwei Ausschüsse: Der Wirt-schafts-und Sozialausschuß besteht aus Vertretern der Sozialpartner und soll insbesonders im Bereich der Wirtschafts- und Sozialpolitik Einfluß nehmen. Der Ausschuß der Regionen soll die Interessen der regionalen und lokalen Gebiete innerhalb der Mitgliedsstaaten vertreten.
Um zu definieren, ob eine Angelegenheit in die Befugnis der Kommission fällt, ist der Begriff der Subsidiarität eingeführt worden. Er besagt, daß eine Entscheidung auf der nied-rigstmöglichen Ebene gelöst werden soll. Was auf nationaler oder regionaler Ebene abgehandelt werden kann, da soll sich die Kommission der EU nicht einmischen. Der Begriff der Subsidiarität wurde aus der Katholischen Soziallehre übernommen und zum ersten Mal in den Maastrichter Verträgen festgeschrieben. Seither ist er zu einem zentralen Grundsatz geworden.
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