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Niemand hat reine Freude

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Am 28. März hat der Vorarlberger Landtag mit den Stimmen von ö VP und FPÖ gegen jene der SPÖ die A bhaltung einer Volksabstimmung über eine Zehn-Punkte- Vorlage „zur Stärkung der Stellung des Landes {der Länder) und der Gemeinden im Rahmen des österreichischen Bundesstaates" beschlossen. DieserUrnengangsollaml5. Juni.alsonachden Gemeinde wahlen (20. April) und nach der Wahl des Bundespräsidenten stattfinden.

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Am 28. März hat der Vorarlberger Landtag mit den Stimmen von ö VP und FPÖ gegen jene der SPÖ die A bhaltung einer Volksabstimmung über eine Zehn-Punkte- Vorlage „zur Stärkung der Stellung des Landes {der Länder) und der Gemeinden im Rahmen des österreichischen Bundesstaates" beschlossen. DieserUrnengangsollaml5. Juni.alsonachden Gemeinde wahlen (20. April) und nach der Wahl des Bundespräsidenten stattfinden.

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Damit ist die Entscheidungüberdieim vergangenen Herbst gestartete Bürgerinitiative gefallen und es bedarf neben einer Analyse des nun zur Diskussion stehenden Abstimmungspapieres auch des kurzen Rückblickes, um die bundesweit beachteten Ereignisse richtig zu würdigen.

Als sich am 10. September vergangenen Jahres die Bürgerinitiative „Pro Vorarlberg" mit dem in die Form einer Bittschrift an den Landtag gekleideten Forderungsprogramm nach einem eigenen Statut für Vorarlberg vorstellte, hatte diese Blitzaktion ganz offensichtlich einen doppelten Zweck: Die Akteure kamen unter Zugzwang, weil die Freiheitlichen ihre Werbung zur Landtagswahl mit der Forderung nach einer Volksabstimmung über mehr Länderrechte einleiteten und man wollte noch schnell alle wahlwerbenden Parteien kräftig unter Druck setzen.

Man sprach offen von einem „zweiten Fussach" und verlangte von den Landtagskandidaten Zustimmungserklärungen. In voller Aktionseinheit stand der sofort einsetzende publizistische Feldzug der „Vorarlberger Nachrichten" (VN).

WährenddieSozialisten nach heftiger interner Debatte (schließlich stand das enge Personalbündnis ihres Landesobmannes und Bregenzer Bürgermeisters Fritz Mayer mit VN-Chefredakteur Franz Ortner auf dem Spiel!) eine klare Kontraposition zu den Forderungen von „Pro Vorarlberg" bezogen, setzten bei den anderen Parteien von vorsichtigem Taktieren bis zu würdeloser Anbiederung charakterisierte Zustimmungserklärungen der Kandidaten ein. Für die ÖVP gab dann kurz vor der Wahl Landeshauptmann Herbert Kesslereinesehr maßvolle, aber alle separatistischen Tendenzen des Statutenentwurfes der Aktionisten klar ablehnende Stellung-nahmeab.

Der Ausgang der Landtagswahlen vom 2 I.Oktober brachte zwar keineAn-derung der Mandatszahlen (22 ÖVP, 10 SPÖ, 4 FPÖ), aber mit einem Stimmenplus von 1,4 Prozent einen deutlichen Achtungserfolg für die Sozialisten, den die Freiheitlichen mit einem ebenso großen Verlust bezahlen mußten.

Die Behandlung der Petition im neugewählten Landtag brachte dann langwieriges Tauziehen im Rechtsausschuß, eine Expertenanhörung und Bemühungen um eine von allen drei Parteien getragene Textierung der zur Volksabstimmung vorgesehenen Fragestellung.

Das nun vorliegende Abstimmungspapier zeigt deutlich jenen Kompromißcharakter, der vom Bemühen bestimmt war, die Speerspitze „Pro Vorarlberg" ebenso abzufangen, wieder SPÖ die Argumentierung der Nein-Parole nicht allzuleicht fallen zu lassen.

Der Vergleich einzelner wichtiger Punkte der „Pro-Vorarlberg"-Petition mit dem jetzt beschlossenen Abstimmungstext zeigt dies deutlich. Hierzu einige Beispiele:

Petition: „Soll Vorarlberg im Rahmen des österreichischen Bundesstaates ein eigenes Statut erhalten?"

Abstimmungstext: „10 Punkte zur Stärkung der Stellung des Landes (der Länder)undderGemeinden im Rahmen des österreichischen Bundesstaates."

Die Petition fordert „die uneingeschränkte Gesetzgebung und Vollziehung" in allen Angelegenheiten von (unter anderem) Schule und Rundfunk, Sozialversicherung, Ausländerwesen, ebenso den Ersatz des Verfassungsgerichtshofes durch eine paritätische Schiedskommission bei strittigen Fragen über die Auslegung des Statuts.

Im Abstimmungstext ist lediglich von einer „Stärkung der Zuständigkeiten bzw. der Mitbestimmungsrechte des Landes im Schulwesen (z.B. Mitsprache bei der Gestaltung von Lehrplänen und Schulbüchern), Erwachsenenbildung, Rundfunk" (bessere Berücksichtigung der Landesbelange, stärkere Regionali-sierung)die Rede.

Vor allem aber ist von der Präambel des Textes der Bürgerinitiative, „der Landtag wolle im Hinblick auf die vom übrigen Österreich wesentlich abweichende Lage, Geschichte und Bewußtseinshaltung Vorarlbergs eine Volksabstimmung veranlassen", nichts mehr vorhanden.

Daß aber bei den A utoren der Petition diese Einleitung durchaus nicht nur schmückendes Beiwerk war, zeigte folgende Textstelle in den Erläuterungen zur Forderung nach voller Landeskompetenz in Arbeitsmarktverwaltung und Ausländerpolizei: „In Vorarlberg befinden sich über 20.000 Gastarbeiter vom Balkanundaus Asien(!). . . Esisthöchste Zeit, daß im Lande selbst auf diesem Gebiet zum Rechten gesehen werden kann."

Zusammenfassend kann gesagt werden, daß die jetzige Formulierung des Abstimmungstextes im wesentlichen dem Forderungsprogramm der Bundesländer mit einigen marginalen Auswei-tungenentspricht. Fragt sich nur, warum die sozialistische Opposition im Verlauf der Landtagsdebatte nie (und auch bei keinem früheren Anlaß) kritisierte, daß die Landesregierung nicht mit mehr Nachdruck dieses Forderungsprogramm vertreten habe. Man könnte sich ja unschwer etwa ein diesbezügliches „ceterum censeo" bei allen gemeinsamen öffentlichen Auftritten mit Bundespolitikern vorstellen.

Daß die rasche Erfüllung einiger Forderungen bei verantwortlichen Landespolitikern nicht unbedingt reine Freude auslösen müßte, erklärt etwa ein Blick aufdieangestrebten Kompetenzen inder Arbeitsmarktverwaltung oder nach partieller Steuerhoheit. •

Wie man das Verlangen der Wirtschaft nach mehr Gastarbeitern und die damit sicher verbundenen Schwierigkeiten eigenverantwortlich unter einen H ut bringen soll, könnte zum Alptraum werden. Und obeineeigene Abgabenpolitik im größeren Maßstab politisch besser durchzustehen wäre als die Querelen um den Finanzausgleich sei dahingestellt.

Die Sozialisten haben ein Alternativpapier vorgelegt, das nebendem Bundesländer-Forderungsprogramm von 1976 auch die Forderung nach mehr Rechten fürdieGemeindenunddieeinzelnen Bürger enthält. Nach dessen Ablehnung durch die Landtagsmehrheit bleibt es also bei den Ja- oder Neinparolen fürden nun regierungsamtlich zum Wähler gelangenden Text.

Wenn das Fazit zum Schluß nicht ein resigniertes „außer Spesen nichts gewesen" sein soll, dann müßte die Abstimmung - gleich welches Ergebnis dabei herauskommt - eine erneuerte Diskussion zum Thema Föderalismusein leiten.

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