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Absolutes Veto, wenn die Länder belastet werden?

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Nach den Spielregeln des 58 Mandatare umfassenden Bundesrates wechseln sich die Vorsitzenden alle halben Jahre ab. Derzeit wechseln dadurch aber auch die Mehrheitsverhältnisse, weil SPÖ und ÖVP über jeweils 29 Sitze verfügen und der Vorsitzende nicht mitstimmen darf. Als im Juli 1977 der Turnus der „roten“ Vorsitzenden (Wien, Burgenland, Kärnten) begann, formierten sich die „Bundeskämmerer“ der Volkspartei, um die eben erlangte Mehrheit auch in politische Münze einzutauschen. Dem Fraktionsführer der ÖVP, Univ.-Prof. Dr. Herbert Schambeck, geht es dabei um die Stärkung des Föderalismus, die Durchsetzung von Länderwünschen gegenüber dem Bund sowie auch um eine Stärkung des Bundesrates selbst.

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Nach den Spielregeln des 58 Mandatare umfassenden Bundesrates wechseln sich die Vorsitzenden alle halben Jahre ab. Derzeit wechseln dadurch aber auch die Mehrheitsverhältnisse, weil SPÖ und ÖVP über jeweils 29 Sitze verfügen und der Vorsitzende nicht mitstimmen darf. Als im Juli 1977 der Turnus der „roten“ Vorsitzenden (Wien, Burgenland, Kärnten) begann, formierten sich die „Bundeskämmerer“ der Volkspartei, um die eben erlangte Mehrheit auch in politische Münze einzutauschen. Dem Fraktionsführer der ÖVP, Univ.-Prof. Dr. Herbert Schambeck, geht es dabei um die Stärkung des Föderalismus, die Durchsetzung von Länderwünschen gegenüber dem Bund sowie auch um eine Stärkung des Bundesrates selbst.

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FURCHE: Die Geschichte Österreichs ist zu einem guten Teil auch die Geschichte der Österreich bildenden Länder. In den letzten Jahren hat man aber den Eindruck, daß sich in der österreichischen Politik die Gewichte stärker in Richtung Zentralismus verlagern. Worauf ist dieser Eindruck zurückzuführen?

SCHAMBECK: Ein stärkerer Zentralismus und ein stärkerer Unitarismus, also eine Entwicklung mehr zum Einheitsstaat hin, ist in Österreich vor allem seit 1945 feststellbar: Insbesondere, weil der moderne Parteienstaat und der Staat der Interessenverbände immer kopflastiger wird. Das Schwergewicht des modernen Verbände- und Parteienstaates liegt in Wien.

Die Entwicklung zum Parteien- und Verbändestaat ist nach 1918 eingetreten. Ich möchte allerdings nicht behaupten, daß der Föderalismus allein ein historisches Relikt wäre. Im Ge-genteü: Wir können gerade heute feststellen, daß nur in einem Zusammenwirken von Bund, Länder und Gemeinden die vielfältigen neuen Aufgaben, die sich stellen, einschließlich Umweltschutz, gelöst werden können.

Außerdem möchte ich darauf verweisen, daß die österreichische Politik auch deshalb eine stärkere Entwicklung zum Einheitsstaat angetreten hat, weil nach 1945 weite Teile der Großindustrie und der Großbanken verstaatlicht wurden. Wenn man heute das Verhältnis von verstaatlichter und privater Wirtschaft ansieht, überwiegt in außerordentlichem Maße die verstaatlichte Wirtschaft... und an der haben ja bekanntlich die Länder nicht den ihrer Bedeutung entsprechenden Anteil.

FURCHE: In der Ersten Republik hatten die Sozialdemokraten ein gestörtes Verhätnis zum Prinzip der Bundesstaatlichkeit. Haben die heutigen Sozialisten ein ebensolches Verhältnis zum Föderalismus?

SCHAMBECK: Wohl sind in der 1. Republik auch Sozialdemokraten in allen Bundesländern, das sei betont, an der Errichtung der Republik und auch

des demokratischen Lebensbereiches der Bundesländer beteiligt gewesen. Dem Föderalismus gegenüber hat allerdings eine sehr starke Reserviertheit bestanden, die schwache Stellung des Bundesrates im Verfassungssystem geht vor allem auf die Sozialisten zurück. Dies läßt sich parteipolitisch aus der Stärke der christlich-sozialen Partei in den Bundesländern und der Stärke der SPÖ in Wien erklären. Mit dem Parteiprogramm 1958 hat sicherlich ein Umdenken der Sozialisten hin zum Föderalismus eingesetzt, wobei ihr Programm immer noch sehr stark von dem verschieden ist, was die ÖVP unter Föderalismus versteht Das ergibt sich schon ordnungspolitisch: der Föderalismus ist Ausdruck des Sub-sidiaritätsprinzips der katholischen Soziallehre.

FURCHE: Ihre Fraktion verfügt seit Juli 1977 im Bundesrat über eine Mehrheit von 29 :28. Konnte die ÖVP diese Position nützen?

SCHAMBECK: Die ÖVP-Fraktion des Bundesrates hat ihre seit dem Juli 1977 gegebene Mehrheit im Interesse der Bundesländer zu nutzen versucht und bereits im Juli 1977 die Gesetzesinitiative für wichtige Teile des For-derungsprogrammes der Bundesländer ergriffen.

Die ÖVP-Fraktion des Bundesrates hat auch ihre Mehrheit dazu benutzt, um das sogenannte Belastungspaket zu beeinspruchen und gleichzeitig in einer Resolution die Bundesregierung aufgefordert, mit der ÖVP Verhandlungen über die Verwirklichung des Alternativprogrammes des Bundes-

parteiobmannes Josef Taus zur Arbeitsplatzsicherung zu ergreifen. Wir haben außerdem erst kürzlich eine Anfrage an Frau Staatssekretär Elfriede Karl gerichtet, in der wir sie um Auskunft ersuchen, was sie für Bund, Länder und Gemeinden in letzter Zeit getan hat, da sie ja vom Bundeskanzler für Fragen des Föderalismus für zuständig erklärt wurde. Darauf liegt noch keine Antwort vor.

FURCHE: Wie beurteilen Sie persönlich die Arbeit von Staatssekretär Karl im Dienste des Föderalismus?

SCHAMBECK: So erfreulich es wirklich ist, daß eine Frau mehr in der österreichischen Politik tätig ist, so sehr bedaure ich es auch, daß ihre Tätigkeit im Bereich des Föderalismus ähnlich erscheint wie in der Familienpolitik: nämlich als Alibifunktion. Konkrete Aussagen von Staatssekretär Karl zum Föderalismus sind mir unbekannt.

FURCHE: Nach Artikel 42 der Bundesverfassung hat der Bundesrat in finanziellen Angelegenheiten kein gesetzgeberisches Mitwirkungsrecht. Sollte der Bundesrat überall mitreden können, manchmal sogar ein absolutes Vetorecht besitzen?

SCHAMBECK: Es wäre begrüßenswert, wenn der Bundesrat ein absolutes Veto, also nicht ein Behinde-rungs-, sondern ein Verhinderungsrecht, bei der Beschlußfassung über das Finanzverfassungsgesetz und den Finanzausgleich bekäme. Hier wäre es begrüßenswert, wenn die Länderkammer auch schützend für die Interessen der Länder eintreten könnte. Der Bundesrat sollte immer dann ein absolutes Veto eingeräumt erhalten, wenn Kompetenzverschiebungen zu Lasten der Länder oder zusätzliche finanzielle Belastungen der Länder vorgesehen sind.

FURCHE: Auf welche Weise könnte die Gesetzesinitiative des Bundesrates gestärkt werden?

SCHAMBECK: In bezug auf die Gesetzesinitiative ist der Bundesrat benachteiligt, denn im Nationalrat sind für eine Gesetzesinitiative nur acht Unterschriften erforderlich, v im Bundesrat hingegen die relative Mehrheit. Es wäre daher begrüßens-Photo: Wichel wert, wenn entweder sechs bis acht Bunderäte oder die Hälfte der Bundesräte einer Anzahl von Bundesländern gemeinsam eine Gesetzesinitiative ergreifen könnten.

FURCHE: Herr Professor, Sie fordern, daß die Landeshauptleute im Bundesrat genauso das Wort ergreifen dürfen, wie auch die Regierungsmitglieder im Nationalrat Rede und Antwort stehen.

SCHAMBECK: Da der Bundesrat das föderalistische Element in der Bundesgesetzgebung darstellen soll, wäre es auch für die meinungsbil- , dende Funktion einer parlamentarischen Körperschaft, die im Dienste der Länder steht, von größter Wichtigkeit wenn die Repräsentanten der Landesverwaltung die Möglichkeit hätten, zu Problemen ihrer Lä nder und der Bundespolitik im parlamentarischen Bereich das Wort ergreifen zu können.

Das Gespräch mit Univ.-Prof. Dr. Herbert Schambeck führte Alfred Grinschgl.

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