6942608-1983_33_03.jpg
Digital In Arbeit

Länderforderungen ewig auf der langen Bank?

Werbung
Werbung
Werbung

Im Allgemeinen Verwaltungsarchiv in Wien findet man im Aktenmaterial des christlich-sozialen Parlamentsklubs (Karton 33) ein Geschäftsstück, von dem nicht nur der Autor unbekannt ist: Auch den genauen Zeitpunkt der Niederschrift weiß man nicht.

Fest steht nur, daß die Anmerkungen vor der Verabschiedung der Bundesverfassung im Oktober 1920 zu Papier gebracht wurden. Und fest steht, daß das seinerzeitige Resümee mehr als sechs Jahrzehnte später nichts an Gültigkeit verloren hat, wenn man da liest:

„1) Die Länderkompetenzen sind sehr eingeengt.

2) Der Bundesrat, der die Länderinteressen vertreten sollte, ist ein totgeborenes Kind.

Der Föderalismus, die Gleichberechtigung der ungleich großen Länder kommt zu wenig zur Geltung …“

Zwar hat es nie an Forderungen und Beteuerungen gefehlt, allsamt dazu bestimmt, den Föderalismus zu stärken, aber das Thema landete regelmäßig auf dem längsten Möbelstück dieser Republik: auf der langen Bank.

Die Ungeduld wächst. Als die Initiative „Pro-Vorarlberg“ umrührte, brach unter den höchsten Amts- und Würdenträgern des Staates veranstaltete Föderalismus-Hektik aus: Eine Enquete jagte die andere, ein Expertengutachten das nächste.

Die guten Vorsätze änderten freilich wenig: nichts ist in Wahrheit weitergegangen.

Jetzt darf man wieder hoffen. Herbert Schambeck, der stellvertretende Vorsitzende und ÖVP- Fraktionsobmann im Bundesrat, sieht jedenfalls am Ende der 13jährigen Kreisky-Ära Grund dazu: Bundeskanzler Fred Sino-

watz stehe nämlich, so Föderalismus-Sprecher Schambeck, diesen Problemen aufgeschlossener gegenüber als sein Vorgänger.

Daß es noch in dieser Legislaturperiode zu einer Aufwertung des Bundesrates kommen könnte (FURCHE 19/1983), ist eine der wenigen konkreten Aussichten. Dabei geht es nicht nur darum, daß die Möglichkeit der Länderkammer, Gesetzesinitiativen einzubringen, erleichtert wird, der Bundesrat sollte auch ein absolutes Vetorecht bei allen Gesetzen zu Lasten der Länder, beim Finanzverfassungsgesetz und beim Finanzausgleich eingeräumt bekommen.

Daneben drängen auch die Länder energisch auf Taten, wie zuletzt Tirol. Sozusagen als Schlußpunkt der Landtagsarbeit vor dem Sommerurlaub forderten alle Parteien entschlossen-einig Eduard Wallnöfer und seine Landesregierung auf, mit dem Bund in Verhandlungen über die Stärkung der Stellung der Länder und Gemeinden einzutreten.

Dabei urgiert der Tiroler Landtag nicht nur verstärkte Finanzhoheit, er will auch Mitwirkung bei der Außenpolitik (soweit sie den selbständigen Wirkungsbereich der Länder berührt), Einfluß auf gemeinsame Organe von Bund und Land (etwa Verwaltungsgerichtshof, Rechnungshof), selbstverständlich auch Stärkung der Gemeindeautonomie.

Was jetzt in Einzelaktionen vorgetragen wird, beruht insgesamt doch auf dem Forderungsprogramm der Bundesländer: aus dem Jahr 1976.

Allerdings: Von den 49 Punkten dieses Föderalismus-Paketes sind sieben Jahre später erst „dreieinhalb“ erledigt.

Dafür liegt seit 1981 ein Gegenforderungsprogramm des Bundes auf dem Tisch: fünf Jahre Nachdenkzeit signalisieren, mit welch atemberaubendem Tempo hierzulande Lebensfragen der demokratischen Republik behandelt werden.

Diese umfangreichen Materialien finden sich übersichtlich im Buch „Bundesstaat heute“ dokumentiert, als dessen Herausgeber Schambeck und Alois Mock verantwortlich zeichnen. Uber diese verdienstvolle Bestandsaufnahme hinaus, finden sich Beiträge von Alois Mock („Der Föderalismus und mehr als 60 Jahre Bun- des-Verfassungsgesetz“), Wilfried Haslauer („Der Föderalismus Österreichs in der politischen Praxis“), Klaus Stern („Bemerkungen zur bundesstaatlichen Ordnung“ in der BRD), Thomas Fleinr-Gerster („Die schweizerische Bundesstaatlichkeit“), Felix Ermacora („Die österreichische Bundesstaatlichkeit — Geschichte, Theorie und Praxis“), Eduard Mayer („Föderalismus und Bildung“) sowie Herbert Schambeck („Möglichkeiten und Grenzen des Föderalismus“).

Um bundesstaatliche Gesinnung, nicht um Kantönligeist geht es in diesem Buch, das ebenso Beitrag zur politischen Diskussion wie zur politischen Bildung sein will: „Föderalismus und Separatismus sollen und dürfen nicht verwechselt werden. Der Föderalismus will die Einheit der Vielfalt, der Separatismus aber strebt die Loslösung eines Teils des ganzen Staatswesens oder dessen Auflösung selbst an“ (Scham-

Vjpplr )

BUNDESSTAAT HEUTE. A. Mock/ H. Schambeck (Hrsg.). Multiplex Media Verlag, Wien 1983. 160 Seiten, brosch.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung