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„Keine Blockade“

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FURCHE-Gespräch mit Bundesrat Univ.-Prof. Herbert Schambeck zur Reform des Bundesrates

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FURCHE-Gespräch mit Bundesrat Univ.-Prof. Herbert Schambeck zur Reform des Bundesrates

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FURCHE: Sie haben kürzlich mit brisanten Vorschlägen die Diskussion um die zweite Kammer, um den Bundesrat, entfacht. In der öffentlichen Diskussion hat man zu ihnen aber vereinzelt bemerkt, daß auf Grund der bestehenden politischen Machtstrukturen die Zeit für eine Bundesratsreform nicht eben günstig sei. Warum Reformvorschläge daher jetzt?

SCHAMBECK: Die Frage nach der Bedeutung des Bundesrates und den Möglichkeiten seiner Reform sind im Zusammenhang mit der letzten Bundesratssitzung von Zeitungen angeschnitten worden, welche in Interviews mit den Klubobmännern Koren und Weiß sogar die Aufforderung an die Länderkammer enthielten, der Bundesrat möge selbst Vorschläge für seine Aufwertung erstellen und vorlegen.

Diese Aktualisierung des Bundesrates scheint zu keinem ungünstigen Zeitpunkt zu erfolgen, da derzeit Reformen der Geschäftsordnungen des National- und Bundesrates in eigenen Ausschüssen behandelt werden und man sich im Zusammenhang mit einer derartigen Parlamentsreform auch Gedanken über einen glaubhaften Beitrag des

Bundesrates zur österreichischen Gesetzgebung und Kontrolle im Lichte eines zeitgemäßen Föderalismus machen sollte. Initiativen für den Bundesrat sind schon von seinen Vorsitzenden Dr. Iro, Dr. Heger, Ing. Mader und Dr. Skotton ergriffen worden, aber auch einzelne Mitglieder, wie z. B. die ehemaligen Bundesräte Salzer und Kolb sowie Broda und Gratz haben Vorschläge gemacht. Auch die Wissenschaft hat sich oft des Bundesrates angenommen; so haben die Professoren Koja und Walter schon 1969 in dem Buch „Bundesstaat auf der Waage“ konkrete Vorschläge erstattet und auch Landeshauptmännerkonferenzen entsprechende Anregungen gegeben.

Politische Machtstrukturen werden für eine Bundesratsreform ständig gegeben sein, da solche zur Politik in der Demokratie gehören und der Bundesrat sich — geradezu seismographisch — im Hinblick auf die jeweiligen Landtagswahlen in ständigen Veränderungen befindet und keine eigene Legislaturperiode kennt.

Gleich einer Wahlrechtsreform sollte man auch keine Parlamentsreform, weder für Nationa!-noch Bundesrat, bloß im Hinblick auf eine gegebene noch erhoffte Situation unternehmen, sondern von den Grundsätzen der Verfassung und den Notwendigkeiten ihrer Verlebendigung ausgehen. Ist man dazu nicht bereit, wäre ein Grund mehr gegeben, daß Verfassungseinriohtungen langsam ihre Glaubhaftigkeit verlieren, was zunächst dem Föderalismus, später der Demokratie und damit im letzten auch den Parteien schadet.

FURCHE: Ist der Bundesrat nicht schon seit dem Bundes-

Verfassungsgesetz immer eine monströse Mißgeburt gewesen?

SCHAMBECK: Der Verfas-sungsgesetzgeber des Jahres 1920 war sich über die Notwendigkeit einer zweiten Kammer, die eine Korrekturfunktion zu erfüllen hätte, einig, nicht aber über die Bedeutung des Föderalismus im klaren. Das hat sich aber heute geändert, da sich alle Parteien zum Föderalismus bekennen.

FURCHE: Im Bundesrat ist der Parteieneinfluß offensichtlich

Photo: Votava stärker als jeder Gedanke des Föderalismus. Was sind die Gründe dafür?

SCHAMBECK: Der Grund für den starken Einfluß der politischen Parteien im Bundesrat liegt darin, daß nach Art. 35 (1) B.-VG. die Bundesratsmitglieder nach der Stärke der Parteien im Landtag in den Bundesrat entsendet werden: der Parteienproporz im Landtag bestimmt daher die Länderrepräsentanz im Parlament.

FURCHE: Sie schlagen vor, dem Bundesrat ein absolutes Veto gegen Nationalratsbeschlüsse zu ermöglichen. Kommt das — bei der derzeitigen oder demnächst möglichen Sitzverteilung — nicht d la longue einer totalen Blockade der Gesetzgebungsmaschinerie nahe? Und provoziert so etwas nicht sozusagen eine auch die Länder einschließende Superkoalition?

SCHAMBECK: Ich habe kein absolutes Einspruchsrecht des Bundesrates gegen alle im Nationalrat beschlossenen Gesetze vorgeschlagen, sondern nur zur Wahrung der Länderinteressen gegen Beschlüsse des Nationalrates über Verfassungsbestimmungen, durch die in bundesverfassungsgesetzlich begründete Rechte der Länder eingegriffen wird. Diese Forderung wurde übrigens auch von der Landeshauptmännerkonferenz schon 1966 einstimmig erhoben und von diesen auch ein absolutes Veto gegen einen Gesetzesbeschluß des Nationalrates über den Finanzausgleich verlangt. Von einer Blockade der einfachen Gesetzgebung kann daher bei diesem Vorschlag gar nicht die Rede sein.

FURCHE: Sie wollen die Prü-fungs- und Kontrollrechte des Bundesrates verbessern. Um welche handelt es sich — und wie wäre das denkbar? ' SCHAMBECK: Ohne eine Nachahmung des Nationalrates zu sein, sollte der Bundesrat die ihm zustehenden parlamentarischen Kontrollrechte seinem Chrakter als Länderkammer angepaßt verbessert und ausgebaut erhalten. So sollte der Bundesrat die ihm schon im Art. 52 B.-VG. eingeräumte Möglichkeit auch der mündlichen Anfrage durch Schaffung einer Fragestunde nutzen, wobei man die im Nationalrat gewonnenen Erfahrungen beachten sollte. Es wäre wünschenswert, dem Bundesrat dieses Anfragerecht aber auch in der sitzungslosen Zeit zu eröffnen, tagt doch der Bundesrat zum Unterschied vom Nationalrat nicht in Sessionen, sondern in Permanenz.

Als parlamentarische Minderheitenrechte, zu deren Nutzung sechs Bundesratsmitglieder oder die Mehrheit der Bundesräte zweier Bundesländer genügen könnten, sollte für den Bundesrat das Resolutionsrecht erleichtert und das Enqueterecht neu eingeführt werden, weiters den Bundesrat beim Verfassungsgerichtshof das Recht zur Anfechtung von Gesetzen wegen des Verdachtes der Verfassungswidrigkeit, insbesondere wegen Verletzung der Bundesstaatlichkeit eröffnet und auch das Recht, beim Rechnungshof Prüfungsund Kontrollanträge zu stellen, gewährt werden; letzteres setzt allerdings voraus, daß der Rechnungshof nicht mehr allein ein Organ des Nationalrates ist, sondern der Bundesversammlung wird.

FURCHE: Sie schlagen vor, dem Bundesrat das Recht auf Gesetzesinitiative in neuer Form zu geben. Würde ein solcher Vorschlag aber nicht das bessere Funktionieren eines kooperativen Föderalismus erfordern?

SCHAMBECK: Eine Verbesserung der Möglichkeit zur Gesetzesinitiative durch den Bundesrat scheint mir deshalb angebracht, da für eine solche im Nationalrat die Unterschrift von mindestens acht Abgeordneten, im Bundesrat aber eine Mehrheit erforderlich ist, die nur schwer zustande kommt. Für eine Gesetzesinitiative im Bundesrat wären etwa sechs Bundesratsmitglieder oder die Mehrheit der Bundesräte zweier Bundesländer genügend. Ich meine, daß auch das Ge-setzesinitiativreeht des Bundesrates ein besseres Kooperieren der Bundesländer voraussetzt; jede Erleichterung des Gesetzesinitiativrechtes des Bundesrates würde daher auch dem Kooperieren der Bundesländer zugute kommen.

FURCHE: Glauben Sie, daß der Bundesrat ein taugliches Instrument für den kooperativen Föderalismus sein kann?

SCHAMBECK: Bei Verwirklichung der Vorschläge zur Verbesserung der Mitwirkung des Bundesrates an der Gesetzgebung und an der parlamentarischen Kontrolle halte ich einen Beitrag des Bundesrates zur Verwirklichung des kooperativen Föderalismus für möglich.

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