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Bundesrat als Wahlkampf bühne

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War nach den oberösterreichischen Landtagswahlen seit dem Dezember 1967 das politische Kräfteverhältnis mit 27 „schwarzen“ und 27 „roten“ Ländervertretem im Bundesrat ausgeglichen, so änderte sich diese Situation nach den niederösterreichischen Wahlen im Oktober dieses Jahres schlagartig. Bis zum 25. November begnügte man sich mit einem Spiel der wechselnden Mehrheiten, das heißt, daß bei einem „roten“ Vorsitzenden eine „schwarze" Mehrheit zustande kam und umgekehrt.

Nun aber brachte das niederösterreichischen Wahlresultat eine entscheidende Konsequenz für den 54köpflgen Bundesrat: es sitzen einstweilen 28 SPÖ-Vertretem 26 Volksparteimannen gegenüber. Einstweilen deshalb, weil die Zahl der Bundesräte, wenn nicht in der Zwischenzeit eine grundlegende Reform der Länderkammer in Angriff genommen wird, sich nach der Volkszählung des Jahres 1971 wieder vermehren wird — zugunsten der westlichen Bundesländer, die unter VP- Mehrheit stehen. Schon nach der Volkszählung 1961 wurde die Mitgliederzahl von 50 auf 54 erhöht. Und zum Zweiten finden im nächsten Jahr sowohl in Kärnten wie auch in der Steiermark Landtagswahlen statt, die neuerlich eine Änderung in der Zusammensetzung des Bundesrates herbeiführen können.

Solange Österreich mit der großen Koalition lebte, war das Kräfteverhältnis in der zweiten Kammer unwesentlich. Doch nicht nur das Kräfteverhältnis, sondern auch der Bundesrat selbst. Erst nach der Installierung der ÖVP-Alleinregieirung nahm er an Bedeutung zu. Zwar stimmten die beiden politischen Lager immer gleich wie ihre „großen Brüder“ im Nationalrat ab, doch war es eine Frage des Vorsitzes, Welche Fraktion die 'Ö'b&'tiKäny’ 'be-’ hiöK S4’- ’ '•’ 0 ’ au - •

Die Ankündigung Dr. Pittermanns, dieser neuen Länderkammerkonstel- läition einen Wahlkampf mit Parlamentskontrolle zu führen, stieß bei der ÖVP auf wenig Begeisterung. „Die Bundesregierung hat keineswegs etwas gegen parlamentarische Kontrolle, doch birgt die Ankündigung des SPÖ-Klubobmannes Doktor Pittermann, die Bundesratsmehrheit der SPÖ auch während des

Wahlkampfes gegen die Bundesregierung einzusetzen, eine eminente Gefahr in sich“, erklärte dazu Vizekanzler Dr. Withalm: Es war bisher ein ungeschriebenes, aber streng eingehaltenes Gesetz, daß die Tribüne des Parlaments nicht als Wahlarena mißbraucht werden soll.

Interessenkammer der Länder

Nach den zwei Sitzungen dieser Woche sind noch drei für den Dezember vorgesehen. Mit aller Wahrscheinlichkeit wird dabei am 15. De-

zember die ÖIG-Reform im Bundesrat zur Debatte stehen. Dadurch, daß lit einem sicheren Veto durch die Länderkammer zu rechnen ist, wird die ÖVP den Nationalrat zu Beharrungsbeschlüssen zusammentrommeln, da ÖVP-Generalsekretär Withalm keinen Hehl daraus macht, daß dieses Gesetz noch unter allen Umständen von der VP-Alleinregierung verabschiedet wird. Ähnlich verhält es sich auch mit dem Paket der 'Sozial gesetzt und -defh •geweffettthen Strukturverbesserungsgesetz.

„Die wichtigste Tätigkeit des Bundesrates — und zugleich sein schwächster Punkt — ist die Mitwirkung an der Gesetzgebung des Bundes“, schreibt der Salzburger Universitätsprofessor DDr. Koja in seiner Studie „Bundesstaat auf der Waage“ über die Länderkammer.

hd in allen politischen Lagern herrscht großes Kopfzerbrechen,

welche Reform notwendig ist, um die zweite Kammer aufzuwerten und diesen schwachen Punkt auszumerzen. Vielleicht unbewußt — aber bestimmt — hat man mit diesen Überlegungen eine neue Wendung gegeben: meint auf der Seite der Volkspartei Hermann Withalm treuherzig, daß ihn zur Zeit „andere Sorgen“ plagen als die Reform des Bundesrates, so hat für die SPÖ Bruno Pitterjnann ebenso eindeutig ausgesprochen, was er unter Aufwertung versteht: der Bundesrat als politi scher Machtfaktor. Wesentlich leichter ist hier die Ansicht der FPÖ zu formulieren: sie spricht sich für eine Auflassung der Länderkammer aus. Diese Lösung scheint aber grundsätzlich von den anderen Parteien nicht in Betracht gezogen zu werden. Denn wer spricht sich schon gerne gegen den Föderalismus aus, auch wenn er im Bundesrat unwirksam ist und .der Parteidisziplin weichen

Legislaturperiode des Nationalrates haben die Parteien alle Hände voll zu tun und werden sich kaum ernstlich mit einer Bundesratsreform befassen. Trotzdem sollte es zu ihren vordringlichen Aufgaben gehören, die Länderkammer aus dem „Besitz“ der Großparteien — also aus dem eigenen — herauszulösen und sie zu einer Interessenvertretung des Föderalismus werden zu lassen.

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