6659451-1959_49_06.jpg
Digital In Arbeit

Nichts Neues bei den Eidgenossen

Werbung
Werbung
Werbung

Die Schweizer Nationalratswahlen sind vorüber. Das eidgenössische Parlament ist für’ die 33. Amtsperiode von vier Jahren bestellt. Der flaue Wahlkampf brachte eine schlechte Stimm- beteiligung, was alle Parteien zu spüren bekamen. Trotzdem wurde das politische Kräfteverhältnis bestätigt. Das Parteivolk scheint also mit seinen Führern zufrieden zu sein. Dem Freisinn gelang es, den schleichenden Stimmverlust der letzten Jahre aufzuhalten. Demgegenüber haben die Sozialdemokraten etliche Verluste zu buchen, während die Konservativ-Christlichsozialen ihre Position zu halten vermochten. Ihr Wahlfeldzug für eine christliche Demokratie in Gerechtigkeit und Freiheit hat nicht vermocht, merkliche Breschen in die Front der übrigen Parteien.au schlagen, wenn auch-zu sagen-ist, daß-, diese Partei, in einigen, Kantonen - vom Proporzpech verfolgt war. Diesen „großen drei“ stehen einige kleinere Parteien gegenüber, welche 24 Prozent der Stimmen auf sich vereinigten. Die Kommunisten unterliegen weiterhin einem unaufhaltsamen Abbröckelungspro- zeß und erreichten noch knappe 1,5 Prozent. Ihre drei Vertreter im Nationalrat rekrutieren sich ausschließlich aus der französischsprechenden Bevölkerung, während die beiden großen Städte Zürich und Basel keine Kommunisten in den Rat mehr delegieren. In den mehrheitlich katholischen Kantonen vermochte die „Partei des Auslandes", wie die kommunistische Partei der Arbeit spöttischerweise bezeichnet wird, überhaupt nie Fuß zu fassen.

Eine Gegenüberstellung des Rates von 195 5 und 1959 ergibt folgendes Bild:

1955 1959

Freisinn (Radikale) 50 51

Sozialdemokraten 5? 51

Konservative und Christlichsoziale 47 47

Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei 22 23

Verschiedene .24 24

Am 7. Dezember wird die Bundesversammlung zur ersten Session der neuen Legislatur periode zusammentreten. Das wichtigste Geschäft wird die am 17. Dezember stattfindende Neuwahl des Bundesrates sein. Der Bundesrat als Kollegialbehörde besteht aus sieben Staatsmännern, aus deren Mitte turnusmäßig der Bundespräsident für ein Jahr erkoren wird.

Von 1848 bis 1891 setzte sich die Landesregierung immer aus sieben Radikalen zusammen. Erst 1891 wurde der erste Konservative gewählt. Ihm folgte in den Jahren des ersten Weltkrieges ein zweiter. Die Bauern wurden im Jahre 1929 „regierungsfähig". Dadurch wurde die radikale Regierungsdelegation auf vier Mann reduziert. Die Sozialdemokraten traten erst im Jahre 1943 in die Regierung ein. Damit war die freisinnige Vormachtstellung gebrochen. Sic kehrte für ein kurzes Interregnum in den Jahren 1953 54 wieder, als infolge des brüsken Rücktrittes des Finanzministers Weber die Sozialdemokraten der Regierung den Rücken kehrten. Dann aber zogen die Konservativen mit den Radikalen gleich und stellten seither wie diese drei Vertreter. Dieser Erfolg gelang nicht zuletzt mit der stillschweigenden Gutheißung durch die Sozialdemokraten. Der siebente Sitz verblieb den Bauern. Seither sind die Sozialdemokraten in der Regierung nicht mehr vertreten. Sie stiegen in den „Jungbrunnen der Opposition“, verzeichneten aber nicht die gewünschten und erhofften Erfolge. Da ihnen auch das unlängst revidierte Parteiprogramm keine weiteren Stimmen eintrug, dürfte der Zeitpunkt wohl gekommen sein, wo sie wieder Regierungsverantwortung übernehmen möchten.

Es wäre allerdings gewagt, den Ausgang der

Bundesratswahlen heute schon vorauszusagen. Demissionen liegen noch keine vor. Damit fehlt noch jede Klarheit über die Ausgangslage. Dagegen weiß man, daß die beiden Freisinnigen Petitpierre und S t r e u 1 i (Aeußeres und Finanzen) Rücktrittsgelüste haben. Der konservative Innenminister Etter hat kürzlich sein 25jähriges Regierungsjubiläum gefeiert und nie ein Hehl daraus gemacht, nun ins Glied zurückzutreten. Nun sind aber auch die beiden Konservativen Holenstein und L e p 0 r i ernsthaft erkrankt. Ob diese beiden Bundesräte weiterhin im Amte bleiben, wird deshalb stark vom Urteil der Aerzte abhängen. Sicher ist heute nur, daß sich der freisinnige Vorsteher des Militärdepartements, C h a u d e t, und der vor Jahresfrist neu gewählte H. Wahlen von der Bauernpartei für eine Wiederwahl zur Verfügung stellen.

Nachdem in den letzten Jahren zwei Bundes räte im Amte gestorben sind, ist die Frage nach Erhöhung der Mitgliederzahl der Bundesexekutive wieder aktuell geworden. Die Aufgaben sind offensichtlich derart gewachsen, daß sie die Kräfte eines siebenköpfigen Rates zu übersteigen drohen. Eine Entlastung scheint dringend notwendig zu sein. Dies steht vorerst aber noch nicht zur Diskussion. Der neue Bundesrat wird deshalb wiederum ein Siebenerkollegium sein.

Dabei dürften die Sozialdemokraten versuchen, mit zwei Bundesräten ins Bundeshaus zu ziehen, worauf sich dann die Formel 2 + 2 + 2 + 1. (Zwei Sozialdemokraten, zwei Freisinnige, zwei Konservative und ein Bauer). Die Konservativen dürften zu einer solchen Lösung am ehesten Hand bieten, während die Radikalen ihren Besitzstand von drei Bundesräten wohl zu wahren versuchen werden.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung