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Aufwertung des Bundesrates?

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Der Wahlkampf für den neuen Nationalrat wird der bisher härteste in der Zweiten Republik werden. Aber erstmals besteht die Gefahr, daß auch jene Bereiche in den Strudel polemischer Auseinandersetzungen gezogen werden, in denen dies dem Ansehen Österreichs, seinen demokratischen Institutionen und der Wirtschaft des Landes schadet.

So ist das bislang stets aus dem Wahlkampf ausgeklammerte Parlament wahlkampfgefährdet: Die Sozialisten wollen die mit den nieder- österreichischen Landtagswahlen errungene 28:26-Bundesrats-Mehrheit

Bruno Pittermann: Wahlkampf mit Super-Polemik

Photo: Waschel ausnützen, um die Regierung auch im Wahlkampf zu „kontrollieren“. Auf der anderen Seite besteht die Gefahr, daß der Bundesrat sein aufschiebendes Veto nicht in dem ihm von der Verfassung zugedachten Sinn der Länderinteressen, sondern im Sinn der Opposition gegen Regierungsvorlagen einsetzt. Damit aber wären Nationalratssitzungen auch im Jänner notwendig, um die wichtigsten Materien durch einen Be harrungsbeschluß des Nationalrates noch vor den Wahlen durchzubringen.

In der vom SPÖ-Klubobmann angekündigten „Aufwertung“ des Bundesrates verbirgt sich eine Falle, die über dem ohnehin nicht allzu großen Ansehen der Gesetzgebung in den Augen der Bevölkerung zuschnappen könnte. Der schon von der Verfassung her schwach konstruierte Bundesrat zeichnet sich heute überwiegend durch solche Mitglieder aus, die der Versuchung, im Hohen Hause Wahlkampf mit Superpolemik zu führen, noch weniger standhalten würden als die Abgeordneten zum Nationalrat. Kein Wunder: Denn die Bundesräte werden der politischen Bedeutung der zweiten Kammer entsprechend von den Landtagen delegiert.

Dieser bislang vor sich dahinschlummernde Bundesrat soll nun durch Wahlkampfanfragen an die Regierungsmitglieder und Wahlkampfgesetzesanträge „aufgewertet“ werden. In politischen Kreisen Wiens ist man der Ansicht, die Sozialisten wollten es bei ihrer Ankündigung der Bundesrats-„Aufwertung“ als einen Schuß vor den Bug der Regierungspartei belassen, weil sie für die Abwertung der demokratischen Institutionen ansonsten allein verantwortlich wären.

Die auch heuer wahrscheinlich wieder über alle Maßen ausführliche Budgetdebatte im Plenum, der Rückstau an Gesetzen und mögliche Bundesratseinsprüche könnten Nationalratssitzungen im sicherlich schon „wahlkampfheißen“ Jänner verursachen. Beiden Parteien ist hier nicht der Vorwurf zu ersparen, daß sie trotz des offen zutage liegenden Riesenpensums der Gesetzgebung peinlich darauf bedacht waren, die Parlamentsferien ja nicht zu kurz ausfallen zu lassen. Das in nicht immer wirklich dringenden Fällen angewandte Mittel der dringlichen Anfragen tat ein übriges, um den Zeitplan durcheinanderzubringen.

Vor allem die beiden großen Parteien sollten eben alles daransetzen, um Nationalratssitzungen im Jänner zu vermeiden. Sonst dürfte sich kaum vermeiden lassen, daß der Nationalrat von einem Forum doch vorwiegend sachlicher Auseinander setzung zur Plattform billiger Wahlkampfdemagogie wird. Und das schadet sowohl dem Ansehen der Gesetzgebung, als auch dem der politischen Parteien selbst. Vielleicht wäre es vor diesem Hintergrund möglich, daß sich die Klubobmänner doch noch zu der Straffung der Budgetdebatte zusammenfänden. Allerdings müßte hier eine Form gefunden werden, bei welcher vor allem die SPÖ nicht fürchten muß, ihr Oppositionsgesicht zu verlieren.

Bisher waren zwei weitere politische Bereiche für den Wahlkampf „off limits“: die Währungsfrage und die Außenpolitik: Sicherlich bietet die nun an den Fronten EWG und Südtirol in Bewegung geratene österreichische Außenpolitik vermehrte Flächen einer Diskussion zwischen den Parteien. Gegen eine sachliche Diskussion im Interesse der Sache wäre nichts einzuwenden; aber schon hört man es anders: Während die ÖVP in letzter Minute offensichtlich davon Abstand genommen hat, die sich abzeichnende Südtirollösung als Erfolg auf ihre Wahlkampf-Fahne zu schreiben, scheint die SPÖ in dieser Frage eine Haltung einnehmen zu wollen, die von der Beteuerung, man werde sich in die Entscheidung der Südtiroler nicht einmengen, bis zur Polemik um das seinerzeitige Kreisky- Saragat-Abkommen reicht.

In der nächsten Zeit werden die beiden großen Parteien sich treffen, um über ein Wahlkampfübereinkommen zu verhandeln. Bislang propagierter Hauptzweck ist die Sicherstellung eines fairen, von persönlichen Verunglimpfungen freien Wahlkampfes. Obwohl es auf den ersten Blick etwas unrealistisch aussieht: Aber viel eicht könnten sich die Parteien doch überwinden und in dieses Wahlübereinkommen die bindende Verpflichtung aufnehmen, das Parlament, die Außenpolitik und die Währungsfrage aus dem Wahlkampf auszuklammem. Sie würden damit im Interesse Österreichs, aber auch zum eigenen Vorteil handeln. Die Tatsache, daß dieser Vorteil für keine der beiden Parteien größer ist als für die andere, sollte kein Hindernis, sondern eher ein Argument für eine solche Vereinbarung sein.

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