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Wieder das „Dreierradi...

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Am Abend des 1. März meinte ein prominenter ÖVP-Mann aus eiriem westlichen Bundesland: ,J3as gibt die dritte Reform.“ Er meinte damit, daß die Volkspartei nach der verlorenen Wahl eine neue Führungsgarnitur erhalten müsse; ähnlich, wie Dr. Gorbach nach der verlorenen Nationalratswahl 1959 Ing. Raab abgelöst hat, und ähnlich, wie 1963 nach den von der ÖVP verlorenen Regierungsverhandlungen Dr. Klaus Bundesparteiobmann wurde. Seither hat das Wort „Reform“ in der ÖVP für die einen den Beigeschmack des willkürlichen, von außen gesteuerten Schreckens, für die andern enthält es die Hoffnung auf eine sich ständig erneuernde Kraft der Partei.

Nun freilich, nach dem 20. April, da eine mit nichts vergleichbare Situation für die ÖVP eingetreten ist, stimmen die Mitglieder der Bundesparteileitung brav und bieder für neue Vorschläge zur Besetzung der höchsten Parteiämter. Nun ist über die Qualitäten eines Dr. Withalm — der Bundesparteiobmann werden soll — und eines Doktor Schleinzer, der Generalsekretär werden soll — nicht zu diskutieren. Der eine hat sich in den harten Jahren der ausgehenden Koalitionszeit bewährt, hat als Motor der Partei die Wahlen 1962 und 1966 gewonnen und durch vier Jahre als Klubobmann der ÖVP erzu)unge7i, daß die Partei keine einzige Abstimmungsniederlage einstecken mußte — fast ein europäischer Rekord. Der andere hat sich als Verteidi-gungs- und Landwirtschaftsminister bewährt, ist Obmann der Kärntner ÖVP, die das zweitbeste Ergebnis aller Bundesländer bei den Wahlen vom 1. März erreichte — und darf als einer der ganz wenigen Agrarier angesehen werden, die nicht erst heute den Mut gefunden haben, auch vor aufgebrachten Bauernhaufen wirtschaftliche Vernunft zu predigen und nicht bei jedem Anlaß einer standesüblichen Forderungs-hysterie zu erliegen. Aber bei aller Hochachtung und Wertschätzung für Withalm und Schleinzer: Männer der Reform können sie nicht sein. Beide tragen seit Jahren auf verschiedenen Posten Verantwortung für die bisherige Politik der Volkspartei die am 1. März nur von einer Minderheit der Österreicher unterstützt wurde. Withalm hätte schon als Generalsekretär das durchführen müssen, was nun die Partei am dringendsten braucht: die organisatorische Reform an Haupt und Gliedern. Man kann es also vielen Funktionären nicht verargen, wenn sie die Nominierung der höchsten Spitzenfunktionäre nicht kritiklos hinnehmen — wenngleich es mit Alternativvorschlägen nicht allzu rosig aussieht.

Was aber — und das geht auch über den Kreis der an ÖVP-lnterna Interessierten hinaus — das Aller-schlechteste ist, nämlich der offensichtliche Proporz der Bünde, soll neuerlich einen Triumph feiern. Kenner der Volkspartei sind übereinstimmend der Ansicht, daß eben diese Bündekoalition, dieses Schaehern um Posten nach Bündeprinzipien das schlechte Image der ÖVP verursacht hat, das schließlich und endlich am 1. März zur Niederlage führte. Die Reform der Partei kann nur gelingen, wenn das Bündedenken zugunsten einer einheitlichen Parteilinie zurückgestellt wird. Die notwendige Imageverbesserung kann nur durch eine neue Strukturreform erreicht werden, die das geradezu perverse „Dreierradel“ zwischen ÖAAB, Wirtschaftsbund und Bauembund beendet. Jetzt sieht es allerdings nach dem Gegenteil aus: Das höchste von der ÖVP besetzte Staatsamt (das Amt des Zweiten Nationalratspräsidenten) nimmt der ÖAAB-Obmann ein, Parteiobmann der Volkspartei soll ein Wirtschaf tsbündler werden und Generalsekretär muß — ergo Schleinzer — ein Bauernbündler sein.

Der Parteitag der Volkspartei am 22. Mai wird hoffentlich nochmals gründlich überlegen, ob diese „Reform“ der Volkspartei wieder auf die Beine helfen kann — oder ob sie das karge Brot weiterkauen wird, das alle ihre Funktionäre am Ende als Dauernahrung von einer „skandinavisch“ sanierten SPÖ tinter Dr. Kreisky erhalten...

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