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Funktionäre für Funktionäre?

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Nun sind in allen Landesorganisationen der österreichischen Volkspartei die Vorwahlen geschlagen: in einigen Bundesländern zementierten sie den Status quo (Salzburg, Tirol, Kärnten und Vorarlberg), in anderen Ländern (etwa in Wien) kam es zu interessanten Nuancierungen in der vorgewählten Kandidatenliste für die Nationalratswahlen am 5. Oktober und in wieder anderen Ländern wurden Papierform und Wunschvorstellungen der Parteisekretariate über den Haufen geworfen. Für er-steres ist die Steiermark ein gutes Beispiel, wo prompt und rigoros die Hälfte der Kandidaten für den Nationalrat ganz nach Wunsch der Vorwähler aus der Parteiorganisation und aus dem nicht-organisierten Bereich ausgetauscht wurden.

Schließlich aber hat die Kandidaten-Vorwahl im Burgenland die bündische Ordnung in dieser VP-Landesorganisation aus dem Gleichgewicht gebracht: eine im Landtag vertretene Angestellte der Landwirtschaftskaromer, Frau Rochus, kam an die wählbare zweite Stelle der Kandidatenliste; der für den Nationalrat vom Landesparteivorstand ausersehene Bauer Schwarz wurde dagegen aus dem sicheren Rennen geworfen. Noch in dieser Woche dürfte im Burgenland eine endgültige Klärung erfolgen: unter dem Druck der

öffentlichen Meinung, doch gegen die eigene Überzeugung dürfte die Wahl auf Frau Rochus fallen. Bundespar-teiobmann Schleinzer hat in diese Angelegenheit bereits mahnend eingegriffen, wohl auch deshalb, um aller Welt zu zeigen, daß die Volkspartei ihre Modelle, Pläne und Konzepte sehr ernst nimmt; auch dann, wenn dadurch Flugsand ins Getriebe der Parteimaschinerie kommt.

Doch erst dadurch bleibt der Charakter eines spektakulären Ereignisses aufrecht. Daß ein durchaus übliches Verfahren überhaupt zu einem solchen Spektakel werden konnte, hängt damit zusammen, daß die ach so demokratische Sozialistische Partei Vorwahlmodelle in ihrer Organisation grundsätzlich ablehnt. Was in den letzten Tagen den beiden Parade-Soziologen der SPÖ, Karl Blecha und Albrecht Konecny, zu den ÖVP-Vorwahlen alles eingefallen ist, muß am Verständnis dieser beiden Herren für aktive Demokratie zweifeln lassen. Natürlich ist das Vorwahlmodell der Volkspartei nicht frei von Kinderkrankheiten; natürlich ist nicht auszuschließen, daß da und dort auch manipuliert wurde (und in einem Fall wird es deshalb auch zu einem Parteiverfahren gegen einen Vorwahlkandidaten kommen) und natürlich führten Vorwahlen in einzelnen Ländern 'auch zur Bestätigung des

Partei-Establishments. Ja man kann auch kritisieren, daß Spitzenfunktionäre nicht überall eine hundertprozentige Zustimmung im eigenen Lager gefunden haben. Nur: Sobald man dies macht, gibt man zu, daß eben doch nicht von oben — im Parteivorstand oder von Sekretären — dirigiert wurde, sondern daß die Willensbildung tatsächlich von der Basis her erfolgte. Und genau das ist der Zweck von Vorwahlen. Sollte in der Volkspartei wirklich nicht überall der Eindruck vom Gelingen dieses Experiments vorherrschen, dann sollte man sich doch an der Reaktion sozialistischer Parteifunktionäre aufrichten. Denn die fiel oft so heftig aus, daß der Eindruck entstehen mußte, hier werde nicht gegen eine Partei und ihr Vorwahlmodell argumentiert, sondern gegen eine kritische Stimmung in den eigenen Reihen.

Tatsache ist, daß in der Sozialistischen Partei nicht alle so denken wie Blecha und Konecny. Auch hier gibt es so etwas wie Sehnsucht nach Mitbestimmung bei der Auswahl der Kandidaten für hohe Funktionen; auch hier gibt es einen Widerstand gegen einen „häßlichen Sozialismus“, der von Funktionären für Funktionäre gemacht wird.

Über die Vorwahl-Sieger und Verlierer ist schon viel geschrieben wor-

den:- Schleinzers „Löwen“ setzten sich überall dort durch, wo sie antraten. In Wien landete Erhard Busek noch vor Herbert Kohlmaier; in Niederösterreich ist Alois Mock obenan; in Tirol schnitt Sixtus Lan-ner schon vor Wochen am besten ab und in der Steiermark erwies sich der Wiener Josef Taus als „Renner“

in allen Bezirken: Die „große schwarze Hoffnung“ hat, das haben die Vorwahlen in der Steiermark gezeigt, an Zugkraft dazugewonnen. Die Vorbehalte Kreiskys und Androsch's gegen den dynamischen ÖVP-Politiker wurde, weil sie personalpolitischer und nicht grundsätzlicher Art sind, dadurch gerechtfertigt und gestärkt.

In Wien landete Gesundheitssprecher Günther Wiesinger noch vor Landesparteiobmann Bauer am ersten Platz. Das kam nicht so überraschend, wie das schlechte Abschneiden des etablierten ÖAAB-Politikers Franz Linsbauer und die Zurückreihungen aller kandidierenden Frauen. Ein Bundesrat aus Wien-Landstraße, Josef Frühwirth, erreichte einen Platz an der Sonne, dürfte ihn aber, wie man hört, abgeben müssen. Der frühere Staatssekretär Heinrich Neisser kam auf den wählbaren Platz 14; sein Einzug in den Nationalrat wäre ein Gewinn für die Volkspartei und für das Parlament.

Die sogenannten write-in-Kandi-daten, darunter der für jeden Gag aufgeschlossene Peter Diem, landeten im geschlagenen Feld. Er erhielt nicht einmal ein Hundertstel der Stimmen des Spitzenreiters Wiesinger. Es ist zu befürchten, daß Diem aus dieser persönlichen Peinlichkeit keine Lehre ziehen wird.

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