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Frühjahrshoch oder Herbsttief

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Was Bundeskanzler Kreisky und die SPÖ schon seit geraumer Zeit tun, nämlich die Diskussion um den Termin für die nächste Nationalratswahl nicht mehr einschlafen lassen, nehmen sie nun ÖVP-Obmann ScM-einzer übel. So mutete zumin- destens die Reaktion des sozialistischen Partei- und Regierungschefs an, als in der Vorwoche ÖVP-Kanz- lerkandidat Schleinzer den 8. Juni 1975 als Wahltag für die National- ratswahil ins Gespräch brachte.

Schleinzers Plädoyer für den 8. Juni war eine geradezu hektische Sitzungstätigkeit von ÖVP-Spitzen- gremien vorausgegangen. Von den Massenmedien unbemerkt, hatten Bundesparteileming und Vorstand eineinhalb Tage lang in Wien konferiert, und alĮe Pro und Kontrasjur eine eventuelle Vorverlegung des Wahlfermmes überlegt.

Die Funktionäre der Volkspartei geben sich betont optimistisch. Sie verweisen auf ein ständiges Ansteigen des Trends zur ÖVP und können dies mit Zahlen belegen. Im Jahresdurchschnitt lagen 1972 die ÖVP-Ge- winne bei 2,3 Prozent, 1973 waren es 2,4 Prozent und 1974 nach den offiziellen Parteianigaben gar 4,3 Prozent. Es gibt aber auch andere Gründe, warum der ÖVP eine Vorverlegung der Wahl ganz recht wäre — auch wenn Parteiobmann Schleinzer selbstsicher feststellt, ein Oktobertermin wäre für die Volkspartei sogar taktisch günstiger, da bis dahin jeder erkannt haben müßte, „daß die Sozialisten mit ihrem Latein am Ende seien”:

Zum ersten ist es eine alte Politologenweisheit, daß Herbstwahltermine für Oppositionsparteien nie sehr günstig ausgehen, daß aber dafür etablierte Regierungsparteien ihre Steilung zumindestens halten können. Denn wenn die Wähler zufrieden aus dem Urlaub kommen, haben sie relativ weniger Interesse an handfesten politischen Auseinandersetzungen. Ein über den Sommer gezogener Wahlkampf kostet darüber hinaus unverhältnismäßig viel Geld, ohne die wünschenswerte Resonanz zu gewährleisten. Wenn es die Wahlkampfstrategen auch nicht zugeben wollen, ist es erfahrungsgemäß auch schwierig, die kleinen und mittleren Funktionäre, die ja regional die Hauptlast des Wahlkampfes tragen, den Sommer über zur Arbeit zu bewegen.

Dies ist nicht nur ein Problem einer einzigen Partei, sondern trifft alle politischen Gruppen gleich stark. Freilich kommt in einigen Bundesländern noch die Frage der Wahlmüdigkeit dazu, die einkalkuliert werden muß. In Niederösterreich und in der Steiermark sind im Frühjahr Gemeindewahlen, in Kärnten Landtagswahlen. Die große Unbekannte ist noch, ob sich nicht der Tiroler Landeshauptmann Wallnöfer entschließt, die für den Herbst in diesem Bundesland fälligen Landtagswahlen ebenfalls vorzuverlegen. Es wird sogar in Innsbruck bereits gemunkelt, man denke daran, die andtagswahl „zum selbe” Termin wie etwa vorverlegte Nationalfats- wahlen — also am 8. Juni” — zu- halten. Dazu kommt, daß im gesamten Bundesgebiet im April Handelskammerwahlen abgehalten werden.

Die Ankündigung Karl Schlein- zers, die ÖVP werde sich vorverlegten Wahlen nicht widersetzen, hat die SPÖ unvorbereitet getroffen. Zur selben Zeit, als die ÖVP-Spitzen- gremien in der Vorwoche tagten, fand nämlich in Wien eine Konferenz der SPÖ-Landesparteisekretäre statt. Dort wurde fast ausschließlich unter dem Blickwinkel der Herbst- waihl diskutiert. Wie verlautet, soll in diesen^ Kreise auch scharfe Kritik an der ständigen Diskussion um die Vorverlegung geübt worden und eine endgültige Festlegung auf den Herbsttenmin gefordert worden sein. Auch verlautet, daß die Urlaube der für die SPÖ an der Vorbereitung der Nationalratswahl Beteiligten schon im Hinblick auf die Oktoberwahl festgelegt worden sind.

Von Vorwahlen hält man in der SPÖ wenig. Während die Volkspartei bereits ein fixes „Regulativ” für einen solchen Wahlgang besitzt und auch schon einen Termin (und einen Ersatztermin für den Fall der Vorverlegung) fixiert hat, denkt man bei den Sozialisten mit dem Hinweis auf die vielen Wahlgänge und die latente Wahlmüdigkeit nicht an eine solche Aktion.

Ein Punkt im langen Vorwahlre- igulativ der Volkspartei gibt allerdings zu denken. Im Punkt 7 ist von der Bindung der Landesparteiorga- nisationen an das Vorwahlergebnis die Rede. Und dort heißt es lediglich, daß sich die Landesorganisationen verpflichten, auf das Ergebnis bei der Aufstellung und Reihung der Kreiswahlvorschläge Bedacht zu nehmen. Gebunden sind sie nicht daran.

Demokratisierung also nur als Vorwand? Der Wähler wird zu entscheiden haben, was er von solchen Methoden hält.

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