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Die Eskalation der Wahlkämpfe auch für die kleinsten Vertretungskörper hat das Ausmaß von Materialschlachten erreicht und selbst hinter den sieben Bergen ist jeder Politiker von der Möglichkeit fasziniert, durch einen Überrascbungs- coup mit der Vorverlegung der nächsten regulären Wahlen seinen politischen Gegner k. o. zu schlagen: so setzt sich auch in diesem, mit Sicherheit als „heiß“ zu prognostizierenden Herbst das Wahlfleber fort. Und politische Auguren sind bereits eifrig dabei, in Sandkastenspielen die möglichen Auswirkungen dieses oder jenes Wahlausganges der Landtagswablen in der Steiermark und Vorarlberg, und der Arbeiterkammerwahlen auf die große Bundespolitik auszurechnen. Und daß es dort eine Fülle gravierender, ungelöster Probleme gibt, weiß ja jeder.

Zunächst gibt es also in ganz Österreich in diesem Monat Arbeiterkammerwahlen, für die mancherorts hinter den Kulissen ein verbissener Wahlkampf tobt. Freilich haben hier — mit Ausnahme Vorarlbergs — die Sozialisten die Trümpfe in der Hand. Und dies nicht zuletzt deshalb, weil die Organisation des Arbeiter- und Angestelltenbundes der ÖVP weit aus weniger ausgebaut ist. Im Bundeshauptquartier des ÖAAB in der Wiener Josefstadt weiß man das auch: der drückende Geld- und Mitarbeitermangel lassen aber kaum größere Sprünge zu. Und ein vom günstigen Ergebnis einer Meinungsumfrage gelabter Aiois Mock macht noch keinen ÖAAB-Wahlsieg.

Es darf auch nicht vergessen werden, daß die massive SPÖ- Propaganda mit dem ÖAAB ein verhältnismäßig leichtes Spiel hat: sie braucht bloß zu sagen, alle diese progressiv klingenden und extrem arbeitnehmerfreundiichen Konzepte des ÖAAB würden wohl letzten Endes in der Unternehmer- und Bauernpartei ÖVP keinen Durchbruch erzielen.

Versichert haben sich die Sozialisten auch des Großteils der in Österreich tätigen 250.000 Gastarbeiter, denen sie mit einer Novelle zum Arbeiterkammergesetz zum aktiven Wahlrecht verhelfen haben. Nicht umsonst war jüngst in einer Kärntner Tageszeitung von den Gastarbeitern als den „Kreuzelschrei- bem für die Sozialisten“ zu lesen. Trotzdem hofft der ÖAAB auf die Stimmen Unzufriedener und auf das Votum „sozialer Aufsteiger“. Argumente für den Wahlkampf bietet die Bundespolitik. Schon die Situation auf dem Preissektor genügt. Denn welche Hausfrau hat nicht nach der Rückkehr aus dem Urlaub festgestellt, daß der Wert eines Hunderters, ja eines Tausenders Wirtschaftsgeld neuerlich innerhalb weniger Wochen mit beängstigender Rasanz aibgenommen hat?

Ein relativ gutes Abschneiden bei den Arbei’terkammerwahlen, besonders das Halten des Präsidentensessels für den ÖAAB-Mann Bertram Jäger in Vorarlberg, würde die ÖVP im Kampf um ihre Bastionen in der Steiermark imd im Ländle am 20. Oktober beflügeln. Denn glaubt man den Aussagen von Kennern des politischen Terrains in diesen beiden Bundesländern, so sind hie wie dort die Sozialisten im Vormarsch. Tat- sächlch scheint man sich in der steirischen ÖVP darauf vorzubereiten, ein Landtagsmandat an eine andere Partei, vielleicht an die Freiheitlichen, abzugeben.

Und in Vorarlberg zeigt ein Blick auf die Statistik der abgelaufenen Landtagswahlen, daß die ÖVP immer ein wenig von ihrer einst überwältigenden Mehrheit abgegeben hat. Das Glück für die Vorarlberger ÖVP ist nur die dortige Struktur der sozialistischen Landespartei. Wer nämlich dort sozialistisch wählt, gibt seine Stimme einer zweiten bürger-

leben Partei, deren Ziele sich von jenen der Volkspartei kaum unterscheiden. Denn es gibt dort keine SPÖ ärmlicher Arbeitermassen, weil es einfach keine ärmlichen Arbeitermassen gibt. Und viele Maßnahmen der SPÖ-Regierung auf sozial- und familienpolitischem Gebiet haben bei den Vorarlberger Sozialisten kaum Resonanz gefunden, weil sie sich die Schulbücher für ihre Kinder (sofern sie picht ohnedies die Gemeinde schon längst gratis zur Verfügung stellte) ‘ eben leisten konnten.

Offen bleibt die Frage, welche Auswirkungen Erfolge der ÖVP bei den Arbeiterkammer- und den beiden Regionalwahlen auf die Bundespolitik haben könnten. Die schlimmste Version, die man hören kann, ist: keine. Denn ein Jahr vor dem Termin der nächsten Nationalratswahl ist es für die ÖVP notwendig, sich als chancenreiche Alternative zu profilieren.

Karikatur: Deix

Im Falle eines für die ÖVP günstigen Ausganges dieser Wahlgänge hätte Schleinzer hingegen eine geänderte, gestärkte Verhandlungsposition gegenüber der Regierung. Es ist lediglich die Frage, ob die Regierung die wichtigsten anstehenden Fragen überhaupt in Parteienverhandlungen klären möchte. Bundeskanzler Kreisky scheint wieder auf sein bereits vielfach bei der Lösung schwieriger Fragen bewährtes Konzept zurückzugreifen und die Verhandlungen über die wichtigen wirtschaftspolitischen Materien auf Sozialpartnerebene führen zu lassen. Dies brächte für ihn zwei augenfällige Vorteile: zum einen ist er selbst davon enthoben, sich mit Schleinzer und Co. an den Verhandlungstisch zu setzen und zum zweiten erreicht er eine Polarisierung, weil die ÖVP in der öffentlichen Meinung als Unternehmerpartei auftreten würde.

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