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Gefragt ist ein „Rütlischwur“

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Bei ihrem Dreikönigstreffen in Salzburg rüstet die Volkspartei für das „Superwahljahr“ 1994. Das groß angekündigte Vorwahlmodell soll allerdings entschärft werden.

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Bei ihrem Dreikönigstreffen in Salzburg rüstet die Volkspartei für das „Superwahljahr“ 1994. Das groß angekündigte Vorwahlmodell soll allerdings entschärft werden.

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Nauch außen hin gibt sich die Parteispitze unverdrossen optimistisch: Sie erwarte sich, daß die ÖVP bei der kommenden Nationalratswahl Stimmen zulegt und den Abstand zur SPÖ zu verringert, verkündete Generalsekretärin Ingrid Korosec tapfer zum Jahreswechsel. Die Meinungsforscher sehen die kleinere Koalitionspartei von der Erfüllung dieser Wünsche freilich weiter entfernt denn je: Laut profil/ISMA-Umfrage könnte die Volkspartei derzeit mit maximal 25 Prozent an Wählerzustimmung rechnen — was von ÖVP-Generalse- kretär Wilhelm Molterer als „abenteuerlich“ abgetan wird. Zum Vergleich: Erhard Buseks Vorgänger Josef Riegler konnte bei der Nationalratswahl 1990 mehr als 32 Prozent der Stimmbürger für sich und seine Partei begeistern.

Trotz - oder gerade wegen - der nicht gerade rosigen Erfolgsaussichten gibt sich die Parteispitze vor dem traditionellen Dreikönigstreffen im Salzburger Schloß Leopoldskron geschlossen wie selten zuvor. ÖAAB- Bundesobmann Josef Höchtl: „In diesen beiden Tagen sollte die grundlegende inhaltliche Weichenstellung für die großen bundesweiten Urnengänge des Jahres gestellt werden - die EU-Volksabstimmung, die Arbeiterkammerwahlen und die Nationalratswahl.“

Für Neo-Generalsekretär Wilhelm Molterer ist die Sache klar: „Wir setzen auf drei große thematische Linien: Sicherheit, Heimat und Wirtschaft.“ Wobei Molterer Sicherheit im umfassenden Sinn versteht: „Da gehört die innere Sicherheit ebenso dazu wie die äußere, die wirtschaftliche und soziale, die ökologische und die demokratiepolitische.“ Und beim Thema Wirtschaft gehe es in erster Linie um die Sicherung von Arbeitsplätzen durch eine moderne Wirtschaftpolitik. Ein thematisches Dreigespann - Sicherheit, Heimat, Wirtschaft - mit dem auch der Wiener ÖVP-Chef Bernhard Görg zufrieden ist. Görg wünscht sich bloß eine „große Klammer - etwa durch den Begriff Geborgenheit, der alle drei Unterbegriffe umfaßt.“

Besorgt äußert sich Görg im FUR- CHE-Gespräch lediglich über divergierende mediale Botschaften seiner Partei: „Wenn ich etwa an das Thema Wirtschaft denke, dann gibt es bei uns einerseits Forderungen, man müsse sich verstärkt um die Arbeitnehmer kümmern, andere verlangen wiederum, die ÖVP müsse zu einer Wirtschaftspartei werden. Beides sind entbehrliche Wortmeldungen. Wir müssen vielmehr unsere Wirtschaftskompetenz dahingehend darstellen, daß wir nur mit einer funktionierenden Wirtschaft Arbeitsplätze erhalten und schaffen werden können.“ Der ÖVP sei in vielen Bereichen der „innere Kompaß“ abhanden gekommen, etwa wenn über die Einstellung der Schülerfreifahrten und gleichzeitig über Gratis-Verhütungsmittel für Schüler diskutiert werde. Notwendig sei auch eine einheitliche Darstellung der ÖVP in der Öffentlichkeit, meint Görg: „Ich erwarte mir beim Dreikönigstreffen einen ,Rütlischwur1, was die zentralen Botschaften der Partei anbelangt.“

Daß die ÖVP eine bessere Koordinierung ihrer öffentlichen Aussagen bitter benötigt, wurde zuletzt am Montag dieser Woche offenkundig: Zur großen Überraschung von Freund und Feind verkündete Parteiobmann Erhard Busek, daß er nicht mehr mit einem Abschluß der EU-Bei- trittsverhandlungen im März rechnet, womit auch der Wunsch-Termin für die EU-Volksabstimmung im Juni nicht eingehalten werden könne. Am gleichen Tag war aus der VP- Zentrale auf Anfrage der FURCHE ZU erfahren, daß mit einer EU-Volksabstimmung im Juni gerechnet wird.

Von großer parteiinterner Brisanz bei der Salzburger ÖVP-Klausur ist das im Herbst 1992 beschlossene Vorwahlmodell. Nach massiver Kritik (FURCHE 35/1993) hatte der Parteivorstand im Herbst beschlossen, daß die Landesparteisekretäre einen Vorschlag für den genauen Modus der Vorwahlen vorlegen sollen. Das Ergebnis: Einigkeit besteht lediglich darüber, daß verbindliche Vorwahlen für die „Direktmandate“ des ersten Ermittlungsverfahrens (nach der neuen Nationalratswahlordnung) durchgeführt werden sollen, an denen auch Nicht-Parteimitglieder teilnehmen können. Alles weitere kann von den Landesorganisationen individuell gestaltet werden. In der Praxis läuft dieser Vorschlag auf eine „Schmalspur-Vorwahl“ hinaus: In Kärnten etwa kann die ÖVP kaum mit einem „Direktmandat“ rechnen, in Wien bestenfalls mit zwei, im Burgenland maximal mit einem. Von einer, wie vom damaligen ÖVP-Generalsekretär Ferdinand Maier vorgesehenen, komplett offenen Vorwahl, bei der alle Wahlberechtigten nach dem gleichen Modus - mit Ausnahme der Reststimmenmandate - die Kandidatenlisten der ÖVP erstellen, kann daher keine Rede mehr sein. Zumal die Landesparteien sich ihren Einfluß auf die Listen nicht nehmen lassen wollen: So gibt es zum Beispiel in Salzburg parteiinterne Unvereinbarkeitsbestimmungen, die etwa der örtlichen Wirtschaftskammerpräsidentin Helga Rabl-Stadler oder Landesschulratspräsident Gerhard Schäffer eine Kandidatur für die Nationalratswahl verbieten.

Ungeklärt ist weiters, ob sich auch die „Parteigranden“ — Obmann, Generalsekretäre, hündische Obleute und Generalsekretäre - einer Vorwahl stellen müssen. Ein Vorstandsmitglied gegenüber der FURCHE: „Am liebsten wäre es allen, wir hä- ten die Vorwahlen nie beschlossen. Aber jetzt findet sich halt niemand mehr, der den schwarzen Peter aufnimmt und das groß angekündigte Vorwahlmodell wieder abschafft.“

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