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„Die ÖVP ist weit entfernt vom Hoch”

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Die Volkspartei startet ihre politische Herbstarbeit am Wochenende mit einer Regierungsklausur in Pichlarn in der Obersteiermark. Ein Jahr vor der Nationalratswahl ist die Stimmung gedrückt.

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Die Volkspartei startet ihre politische Herbstarbeit am Wochenende mit einer Regierungsklausur in Pichlarn in der Obersteiermark. Ein Jahr vor der Nationalratswahl ist die Stimmung gedrückt.

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Die Volkspartei wird auch unter Obmann Erhard Busek das Image des „ewigen Zweiten” nicht mehr los. In allen Umfragen weit abgeschlagen hinter der SPO, orten manche Meinungsforscher die einstige Kanzlerpartei bereits bei nur mehr 25 Prozent. Bei der Regierungsklausur in Pichlarn am Wochenende sollen Sachprobleme ausdiskutiert und auch die organisatorischen Voraussetzungen für die Nationalratswahl nach neuem Wahlmodus (siehe Seite 1) geschaffen werden.

Klarstellungen gefragt

Im Gespräch mit der FURCHE definiert der Wiener Landesparteiob-mann Bernhard Görg, einst Buseks Widersacher in der Bundespartei, die Ausgangslage vor der Klausurtagung und setzt sich auch kritisch mit der Programmdebatte in der ÖVP auseinander.

„Eines ist sicher - von dem Hoch, das wir vor einem Jahr nach der Wahl Klestils zum Bundespräsidenten hatten, sind wir heute weit entfernt.” Die Ursachen für das „Zwischentief' ortet Görg nicht nur im Auftauchen des „Liberalen Forums”, sondern auch in innerparteilichen Fehlentwicklungen: „Dazu haben sicher auch die kontroversiellen Debatten der letzten Wochen beigetragen, etwa die unterschiedlichen Standpunkte zum Aufenthaltsgesetz, zum Zivildienst und zu Reformen im Sozialsystem.” Der Wiener VP-Chef erwartet sich daher von der Klausurtagung eine inhaltliche Klarstellung der strittigen Sachfragen.

Beim Aufenthaltsgesetz fordert Görg eine sofortige Änderung: „Wenn es auf Basis dieses Gesetzes möglich ist, ein siebenjähriges Mädchen einfach abzuschieben, dann muß das Gesetz schnellstens geändert werden, da kann man nicht einfach sechs Monate warten. Das hat dann auch nichts mit einzelnen Durchführungsbestimmungen zu tun, sondern mit den Paragraphen an sich.” Grundsätzlich empfiehlt der gebürtige Niederösterreicher „Maximale Restriktion beim Neuzuzug, aber auch maximale Großzügigkeit gegenüber den eingesessenen Gastarbeitern und ihren Angehörigen.”

Nicht sehr glücklich ist Görg mit der frühzeitigen Festlegung seiner Partei auf die Forderung nach einer Verlängerung des Zivilidienstes auf zwölf Monate: „Man sollte zunächst versuchen, Zivildiener in das Heer zu integrieren - für einen Dienst ohne Waffen, etwa als Sanitäter, in der Küche oder als technisches Personal.” Dadurch könnten weitere Grundwehrdiener für den Dienst an der Waffe freigespielt werden. Sollte auch dieses Modell den Nachwuchsmangel der Armee nicht beheben, wäre allerdings eine Verlängerung des Zivildienstes unvermeidlich.

Versteckte Kritik an der Parteispitze übt Görg in Zusammenhang mit der Diskussion über Einsparungen im Sozialsystem - speziell an General sekräterin Ingrid Korosec, die die „Mißbrauchsdebatte” gestartet hatte: „Bei einer so sensiblen Frage, wo ständig das Gespenst eines Sozialabbaus im Raum steht, müßte man innerparteilich mehr miteinander reden, bevor man mit Einzelvorschlägen an die Öffentlichkeit geht.” Besser wäre es, sich auf mögliche Konsensthemen zu konzentrieren

- etwa auf Einsparungen bei der Gratis-Schulbuchaktion.

„Wer sind wir?”

Grundsätzlich positiv bewertet der Wiener Landesparteichef („ich war immer Anhänger einer grundsatzorientierten Politik”) die Arbeiten am neuen Grundsatzprogramm der ÖVP

- allerdings sei die jetzige innerparteiliche Diskussion zuwenig weitgehend: „Derzeit geht es bloß darum zu definieren, ,wie wollen wir sein, um wieder erfolgreich zu sein'. Darin ist aber bereits der Keim der Niederlage verborgen. Denn wenn wir sagen, wir wollen ganz anders sein, dann sind wir nicht mehr authentisch. Wir müssen uns vielmehr die Frage stellen: ,wer sind wir?'. Und wenn wir uns darüber im klaren sind, müssen wir versuchen, das was wir sind, mehrheitsfähig zu machen.” Anders formuliert: „Wir könnten uns die Debatte ersparen, wenn wir wüßten, wer wir sind - und das auch in unserem Handeln über die Rampe bringen.”

Statt bloß das alte „Salzburger Programm” zu adaptieren, hätte es Görg vorgezogen, „bei der Stunde Null zu beginnen - so, als ob wir noch nie ein Programm gehabt haben. Wir brauchen zunächst eine Definition der Befindlichkeit der modernen Gesellschaft und müssen darüber den Raster unserer Wertvorstellungen legen. Erst danach sollte man mit den eigentlichen Arbeiten am neuen Programm beginnen.”

Parteichef Erhard Busek, Vize Helga Rabl-Stadler: Nachdenken über die Wege zum Erfolg

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