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„Gebe Themen & Tempo in der Regierung vor“

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Knapp acht Monate vor der Nationalratswahl scheint sich die ÖVP mit der Rolle des ewigen Zweiten abgefunden zu haben.

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Knapp acht Monate vor der Nationalratswahl scheint sich die ÖVP mit der Rolle des ewigen Zweiten abgefunden zu haben.

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DIKFURCHE: Ihr Vorgänger Josef Riegler hat einmal gemeint, Sie machen Ihre Sache als Parteichef sehr gut, die Außenwirkung sei trotzdem nicht besser geworden. Ihnen wird vorgeworfen, heikle Probleme unsensibel zu thematisieren: Berufsheer, Europaministerium, Zivildienst, Datum der EU-Volksabstimmung… ERHARD BUSEK: Man muß bestimmte Dinge andiskutieren, sonst geht nichts weiter. Als ich im August die Frage Zivildienst thematisiert habe, hat jeder gesagt: „aussichtslos“. Heute schaut das anders aus. Ein Parteiobmann muß eine Vorreiterrolle haben. Da unterscheide ich mich eben wesentlich von meinem vis-ä- vis. Vranitzky ist ein Nachreiter.

DIEFURCHE: Sie thematisieren die Probleme, dem Kanzler bleibt die dankbare Rolle, die Lösung darzustellen Erwecken Sie damit nicht den Eindruck) Unruhe zu stiften?

BÜSEK: Politik ist dazu da, um zu bewegen. Außerdem: die SPÖ wirft uns Sozialabbau vor und plötzlich kommen Erklärungen, die genau in unsere Richtung gehen. Als ich gesagt habe, der Inhalt des EU-Ver- handlungsergebnisses sei wichtiger als der Termin, wurde ich gescholten. Wenig später hat die SPÖ dasselbe erklärt. Meine Aufgabe in der Regierung ist es, Themen und Tempo vorzugeben. Es mag schon welche geben, die die Ruhe vorziehen. Die sollten sich aber aus der Politik zurückziehen, dort ist es am ruhigsten.

DIEFURCHE: Ihr erklärtes Wahlziel ist es, zuzulegen und den Abstand zur SPÖ nicht größer werden zu lassen… BUSEK: .. .ZU verringern… DIEFURCHE: .. .damit sind Sie der erste ÖVP-Spitzenkandidat, der nicht Kanzler werden will Das ist zwar realistisch, führt aber bei den Anhängern zu Frustrationen BUSEK: Wenn ich sage, wir wollen den Kanzler, stelle ich automatisch die Koalitionsfrage in Richtung FPÖ. Und genau jener Journalismus, der Haiders FPÖ perhorresziert, fragt, warum wir nicht den Führungsanspruch stellen. Da kann ich nicht mehr mit.

DIEFURCHE: Die ÖVP plant einen Nationalratswahlkampf, der eher das Regierungsteam als den Spitzenkandidaten in den Vordergrund stellt?

BUSEK: Wir haben drei Er- hard-Busek-Pläne präsentiert, das sind keine Teampläne, wir folgen also schon den Gesetzen eines Wahlkampfes. Wir wollen aber heraussteilen, daß wir uns für, die Politiker in der Regierung nicht genieren brauchen. Daß das einen Vergleich mit der SPÖ- Mannschaft herausfordert, ist klar. Die Bewertungen zeigen, daß wir dieses Match haushoch gewinnen.

DIEFURCHE: Bleibt das OVP-Regierungsteam auch nach der Nationalratswahl unverändert?

BUSEK: Ich halte die Crew, die wir haben, für die am besten geeignete. Auch nach der Wahl.

DIEFURCHE: Im März werden in Salzburg, Tirol und Kärnten neue Landtage gewählt Was sind Ihre Zielvorgaben3

BUSEK: In allen drei Fällen wünsche ich mir, weiterhin die Landeshauptleute zu stellen.

DIEFURCHE: Was heißt das als Wahlergebnis?

BUSEK: Wir treten unter geänderten Voraussetzungen an. Da lege ich keine wahnsinnigen Latten. Ich will in Relation zu den anderen ein respektables Ergebnis.

DIEFURCHE: Die ÖVP- Themen für die Nationalratswahl — Heimat, Sicherheit, Wirtschaft - sind „weiche“ Themen Was sind die Inhalte, die Sie in der nächsten Legislaturperiode verwirklichen wollen* BUSEK: Da steckt eine Reihe von harten Punkten drinnen, etwa die Frage des Wirtschaftsstandortes und der Arbeitsplätze. Wir haben uns vorgenommen, 25.000 Arbeitsplätze innerhalb von vier Jahren zu schaffen - und zwar nicht durch „Deficit-spending“.

Wir müssen zur Kenntnis nehmen, daß es eine strukturelle Wirtschaftskrise gibt. Wir müssen also strukturelle Maßnahmen treffen. Das geht etwa in die Richtung Flexibilisierung der Arbeitszeit, Jahresarbeitszeit statt Wochenarbeitszeit. Das betrifft auch das Lebenseinkommen, also das Problem, daß Über-50jährige arbeitslos werden, weil ihre Einkommen zu hoch sind. Daher die Anregung, daß Jüngere ein bißchen mehr und Ältere ein bißchen weniger verdienen.

Zweiter großer Bereich ist die Ausbildung: die Ausbildungszeiten sind zu lang und die Ausbildung muß breiter werden. Dritter großer Bereich ist Forschung und Entwicklung: Wir sind jetzt bei 1,6 Prozent Anteil am Bruttoinlandsprodukt, brauchten aber deutlich über zwei Prozent. Das liegt nicht nur am Geld, sondern auch daran, daß es gar nicht die Einrichtungen dafür gibt, die dieses Geld nehmen könnten. Wir brauchen hier dringend die EU, um überhaupt die Möglichkeiten zu haben, forschen zu können.

Entscheidend ist auch die Frage der Sicherheit: Wir werden mehr tun müssen, um unsere Verteidigung überzeugend darzustellen. Und bei der Sicherheit des sozialen Systems brauchen wir eine Prioritätendebatte, was oder wer ist sozial abzusichern: Wenn sich herausstellt, daß die Schülerfreifahrt in erster Linie die Verkehrsbetriebe absichert, weil aus dem Familienlastenausgleich die volle Karte für einen Erwachsenen bezahlt wird, dann ist das unzumutbar. Und auch das Wegwerfprinzip beim Schulbuch ist schlechte Pädagogik.

Das Gespräch mit Vizekanzler und ÖVP-Obmann Erhard Busek führte Norbert Stanzel

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