"Ein Trainingslager für den EU-Beitritt"

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Im vergangenen Oktober wurde Erhard Busek, ein leidenschaftlicher Förderer guter Beziehungen in Mitteleuropa, von der EU zum Koordinator des Balkan-Stabilitätspaktes ernannt. Mit der furche sprach Busek über seine Pläne in seinem neuen Aufgabenbereich.

die furche: Sie sind zum EU-Koordinator des Balkan-Stabilisierungspaktes berufen worden. Ist das für Sie der Höhepunkt in Ihrem Engagement für Südosteuropa?

erhard busek: Es ist eine Abart dessen, was ich bisher gemacht habe, denn ich bin ja nicht neu - weder in Osteuropa noch in Südosteuropa. Auf der anderen Seite ist es natürlich eine Funktion, die mir viel mehr Möglichkeiten einräumt, als es bisher der Fall war.

die furche: Sie waren bisher der österreichische Regierungsbeauftragte für die Osterweiterung. In welchem Verhältnis steht diese Funktion zu Ihrer neuen Tätigkeit?

busek: Es hat sehr viel miteinander zu tun, denn die eigentliche Perspektive für die Länder Südosteuropas ist es, genauso Mitglieder der Europäischen Union zu werden, wie das die gegenwärtigen Kandidatenländer anstreben. Der Stabilitätspakt ist eine Vorbereitung darauf; man könnte sagen: ein Trainingslager für europäische Integration, und er hat die Aufgabe das vorzubereiten, denn das ist die einzige Möglichkeit der Stabilisierung. Es ist dort natürlich ein Zustand meistens weit zurück im Vergleich zu den Kandidatenländern. Aber mit der Entwicklung kann man vom Zeitfaktor her gesehen zufrieden sein.

die furche: Wird sich bei der Präsidentschaft des Institutes für den Donauraum und Mitteleuropa (IDM) etwas ändern.

busek: Nein, ich behalte sowohl diese Funktion als auch die Präsidentschaft des Europäischen Forums Alpbach, weil es gleichzeitig für den Stabilitätspakt eine ausgezeichnete Gelegenheit ist, Personen und Ideen zu präsentieren, und umgekehrt befruchtet es genauso die Arbeit in Südosteuropa. Jene, die dort Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur betreiben, wollen sich ja auch im Gesamteuropäischen zeigen. Die Aufgabe dieser Institutionen ist es, ihnen damit Möglichkeiten und Kooperationen anzubieten.

die furche: Im Oktober 2001 wurde für die Empfängerländer des Stabilitäts-paktes ein Finanzrahmen von 2,4 Milliarden Euro (33 Milliarden Schilling) fixiert. Wie lässt sich die Verwendung einer solchen Summe durch einen Koordinator mit seinem Büro von Brüssel aus kontrollieren?

busek: Schön wäre es, wenn dieses Büro in Brüssel - oder wo es sonst ist - direkt entscheiden könnte. Es ist aber in Wirklichkeit ganz anders geregelt, denn die Länder und Institutionen, die das Geld zur Verfügung gestellt haben, behalten sich vor, die Abwicklung vorzunehmen; das heißt, es ist ein äußerst schwieriger Koordinationsmechanismus. Bis es zur Anwendung der Mittel kommt, dauert es lange, und es gibt eine gewisse Unzufriedenheit in Südosteuropa, weil man eigentlich noch nichts sieht. Umgekehrt muss aber auch gesagt werden, dass die Länder der Region noch nicht die Instrumente entwickelt haben um größere Projekte überhaupt abwickeln zu können. Meine Aufgabe ist es daher, das zusammenzubringen, wobei die Frage der Kontrolle eine entscheidende Rolle spielt. Man ist ja leichterhand mit dem Vorwurf der Korruption in dieser Region zur Stelle. In dieser Hinsicht ist alles zu vermeiden, denn wenn es Korruption gibt, wird der Steuerzahler ganz sicher kritisch.

die furche: Wie schnell können Projekte in den Empfängerländern Ihrer Meinung nach umgesetzt werden?

busek: Es gibt ganz sicher weder den Verwaltungsapparat noch die Firmenstrukturen, die das ganz selbstverständlich von heute auf morgen können. Das ist einerseits eine Gelegenheit für Unternehmen aus Europa und aus anderen Ländern, andererseits muss man darauf achten, dass es eine entsprechende Beschäftigung für Firmen auch in den Ländern selber gibt, um die Arbeitslosigkeit, die ja sehr hoch ist, hier zu reduzieren. Es kann auch wirtschaftlich nichts entstehen, wenn alles von außen gemacht wird.

die furche: Werden Sie in Ihrer neuen Funktion auf sich und Ihr Büro alleine gestellt sein, oder wird es eine effektive Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission und ihren Beamten geben?

busek: Ich habe bereits einleitende Gespräche geführt mit dem zuständigen Kommissär Chris Patten und seinen Beamten. Ich bin hier eigentlich sehr optimistisch gestimmt, denn ich interpretiere den Stabilitätspakt als eine Vorbereitungshandlung auf die europäische Integration, und die Kommission wieder ist mit dem sogenannten Stabilitäts- und Beitrittsprozess dabei, dafür die Instrumente zu entwickeln. Wir müssen das verzahnen, damit es wirkungsvoll wird.

die furche: Wird es bei der Verteilung der Geldmittel am Balkan einen Unterschied zwischen EU-Beitrittskandidaten und den anderen - wie etwa Bosnien-Herzegowina oder Mazedonien - geben?

busek: Das wirkliche Kriterium ist die Priorität der Projekte. Also: Was hilft wirklich, um eine wirtschaftliche und soziale Entwicklung zu fördern und zur politischen Stabilität beizutragen? Da gibt es keinen Unterschied, wobei man allerdings schon sagen muss, dass Länder wie Rumänien und Bulgarien noch zusätzliche Instrumente haben. Die sind quasi nicht Adressaten eines Notprogramms, wie es etwa bei der Frage der Entfernung der Brücke bei Novi Sad ist, wo Mittel des Stabilitätspakts zur Anwendung kommen, oder bei der Rückführung von Flüchtlingen oder ähnlichem. Es gibt also unterschiedliche Grade der Priorität und der Urgenz, aber keine Vorlieben für Länder - da wachen schon die Länder selber darüber.

die furche: Sehen Sie Ihre neue Tätigkeit als Möglichkeit, die europäische Integration der Balkanländer mehr zu beschleunigen als bisher?

busek: Ganz sicher, das ist die eigentliche Aufgabe. Der Stabilitätspakt hat als eigentliche Perspektive den Beitritt aller dieser Länder zur Europäischen Union. Das ist sicher nicht von heute auf morgen möglich, weil wir ja auch hier Länder haben, die noch nicht nach innen stabilisiert sind; das gilt für Bosnien-Herzegowina und auch für Mazedonien. Und es gibt ungelöste Probleme in Montenegro und Kosovo. Das alles sind natürlich akutere Fragen als etwa die Perspektive eines Beitritts zur Europäischen Union.

die furche: Werden Sie den Weg von Bodo Hombach weiter beschreiten, oder haben Sie eine andere Vorstellung Ihrer Aufgabe?

busek: Jede Person hat eine andere Mentalität; ich bin in einem Lebensabschnitt, wo es mir nicht so sehr darauf ankommt, in der Zeitung zu stehen, als vor allem Resultate zu erzielen. Mein Problem ist ganz sicher nicht meine Karriere, sondern die Sehnsucht dort wirklich Gutes zu leisten.

die furche: Welche Hilfestellung - außer in finanzieller Hinsicht - kann Ihre EU-Organisation den Ländern am Balkan geben?

busek: Wir sind in der Lage, neben den Regierungen und Verwaltungsbehörden auch freie Organisationen zu motivieren oder auch Menschen zu Gesprächen zu bringen. Ich persönlich bin sehr interessiert - Religion, ihre Geschichte und ihre Aktualität spielen hier in Südosteuropa eine große Rolle -, die Kirchen stärker ins Gespräch miteienander zu bringen. Ich glaube, dass die Stiftung "Pro oriente" hier eine große Aufgabe hat. Man muss sich auch die Geschichtsbücher der Region ansehen, die sind zum Teil wirklich schrecklich, weil sie vom wechselseitigen Hass leben. Das sind Dinge, die eine langfristige Wirkung haben.

die furche: Mancherorts wird die Stabilitätsstelle als Vermittlerstelle bezeichnet, die nur Kontakte mit Finanzinstitutionen herstellt.

busek: Das ist zum Teil richtig. Sie ist aber vor allem eine Clearingstelle für politische Maßnahmen. Ganz sicher ist es so, dass der Stabilitätspakt nicht selber Geld vergibt, aber die Aufgabe hat, den betroffenen Staaten, aber auch den Staaten und Institutionen klar zu machen, was zuerst geschehen soll und wie es funktioniert. Das in jedem einzelnen Fall durchzuführen, ist sicher nicht ganz einfach, aber wir müssen froh sein, dass wir das erreicht haben.

die furche: Hat ein Österreicher Präferenzen in Südosteuropa?

busek: Ein Österreicher hat die Präferenz, dass seine nähere Nachbarschaft stabil ist, denn das hat direkte Auswirkungen auf uns. Es ist auch ein stärkeres Argument für die Österreicher, nicht nur sich zu engagieren, sondern ein bisschen auch die Mentalitätskenntnis einzubringen, die doch bei uns stärker ist. Metternich hat nicht zu Unrecht gemeint, dass hinter dem Rennweg der Balkan beginnt.

die furche: Ihre neue Aufgabe endet nach zwei Jahren, was wünschen Sie sich für den Balkan am Ende des Jahres 2003?

busek: Eine Freihandelszone, stabilisierte politische Verhältnisse, demokratische Entwicklungen, die man herzeigen kann und ein bleibendes Interesse des übrigen Europa an dieser Region.

Das Gespräch führte Peter Soukup

Zur Person: Bekennender Mitteleuropäer

Geboren am 25. März 1941 in Wien, besuchte Erhard Busek das Gymnasium in Döbling und studierte Jus an der Uni Wien. In der Zeit von 1966 bis 1969 war er Parlamentssekretär und Vorsitzender des Österreichischen Bundesjugendringes. 1972 wurde er Generalsekretär des Wirtschaftsbundes. 1976 übersiedelte er in den Wiener Stadtrat, von 1978 bis 1987 war er Landeshauptmannstellvertreter und Vizebürgermeister von Wien (neue Wege in der Wien-Kultur, zusammen mit Jörg Mauthe). 1989 übernahm er das Wissenschaftsministerium, von 1991 bis 1995 war er ÖVP-Obmann und Vizekanzler. Seit 1995 ist Busek Vorsitzender des Instituts für den Donauraum und Mitteleuropa (IDM), seit 1996 Koordinator der "Southeast European Cooperative Intitiative" und seit April 2000 Präsident des Europäischen Forums Alpbach. Im Jahr 2000 wurde er zum Osterweiterungsbeauftragten der Bundesregierung ernannt, im Oktober 2001 zum Koordinator des Balkan-Stabilitätspaktes der EU. Vergangene Woche wurde er mit dem höchsten Orden Bulgariens, "Stara Planina", ausgezeichnet.

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