Falsche Beliebigkeit

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Alpbach-Präsident Erhard Busek im Gespräch zum Generalthema des Forums:über die Notwendigkeit von Kontinuitäten und die Herausforderungen durch Brüche.

Die Furche: Was gab den Anstoß zum diesjährigen Generalthema "Kontinuitäten und Brüche"?

Erhard Busek: Es geht eigentlich um die Konfrontation mit einer Zeit, in der alles in Veränderung ist. Die Dynamik der letzten 10, 15 Jahre ist ja eine ungeheure, sie spitzt sich immer noch mehr zu: Wer hätte vor 15 Jahren etwa davon geredet, dass der Mittlere Osten aus der islamischen Perspektive ein Problem darstellt? Wer hätte gedacht, dass Europa und die USA auseinanderdriften, wie das gegenwärtig auf der politischen Ebene zweifellos der Fall ist? Auch die Probleme des Nationalstaates vor dem Hintergrund der Integration gehören hier genannt, ebenso die Wirtschaft, wo zunehmend eine globale Wettbewerbssituation entsteht, die politisch überhaupt nicht beherrscht wird, für die es die politischen Instrumente gar nicht gibt. Sie haben also kontinuierliche Fragen, die existieren - und ausgesprochene Brüche in den Auswirkungen. Und das soll in Alpbach widergespiegelt, reflektiert werden.

Die Furche: Welche sind die wesentlichen Kontinuitäten, die es wert sind, aufrecht erhalten zu werden?

Busek: Das ist die so oft erhobene Frage nach den Wertvorstellungen. Ich bedauere ja, dass ein Aspekt der Sanktionen gegen Österreich oder gegen die Bundesregierung im Jahr 2000 nicht wirklich weiterverfolgt wurde: Damals war nämlich viel von den "europäischen Werten" die Rede; aber als die Sanktionen beendet waren, hat kein Mensch mehr darüber geredet. Was wir mit Sicherheit brauchen, ist eine stärkere Wertorientierung. Die Beliebigkeit der Politik, auch im wirtschaftlichen Bereich und im Denken ist auf Dauer nicht haltbar. Da gibt es Nachfrage nach Kontinuität.

Die Furche: Was ist mit den Brüchen zwischen den europäischen und den amerikanischen Werten?

Busek: Man muss zur Kenntnis nehmen, dass sich die amerikanische Zivilisation anders entwickelt hat: Sie ist nicht mehr ein Appendix der Europäer - zum Teil sind die Europäer ein Appendix der amerikanischen Zivilisation, wenn Sie etwa an die Musik denken oder an die Technologie. Es ist einfach so, dass sich große Einheiten unterschiedlich entwickeln. Ich sehe da überhaupt kein Problem darin, im Gegenteil: Im Dialog kann da auch sehr viel Produktives entstehen. Hierzu gehört auch, dass die Europäer durch die europäische Integration an Selbstbewusstsein gewonnen haben. Vor dem Fall des Eisernen Vorhangs hing der freie Teil Europas an der pax americana, seither kann Europa selbstständig sein Schicksal bestimmen. Das ist eine eminente Herausforderung, der wir begegnen müssen.

Die Furche: Und wo sind die Kontinuitäten und die Brüche im wirtschaftlichen Bereich?

Busek: Die Kontinuität liegt im Drang des Menschen, technologisch-wissenschaftlich ständig etwas Neues zu erfinden - das verändert die Wirtschaft. Die Kontinuität besteht in der Sorge, für alle Menschen einen Arbeitsplatz zu haben - bedingt durch den technologischen Wandel ist das heute nicht mehr garantiert. Und Kontinuität gibt es auch in der Notwendigkeit, rechtzeitig eine entsprechende Bildung und Ausbildung zur Verfügung zu stellen - wobei die junge Generation heute ganz anders auf die Dinge zugeht: Wir waren noch bestrebt, einen Posten für's Leben zu bekommen, während die Jungen heute enorm mobil sind und auch einmal ein Jahr lang durch die Welt reisen oder sich weiterbilden.

Die Furche: Wie lässt sich das Generalthema auf Spezialbereiche wie Medien und Architektur, denen ebenfalls Veranstaltungen im Rahmen des Europäischen Forums gewidmet sind, herunterbrechen?

Busek: Wir wollen heuer über Kultur und Medien diskutieren. Denn wir müssen aus dieser ewigen österreichischen Mediendiskussion über Privatisierung und wie viele Fernsehkanäle es gibt und wie das Verhältnis von Print- und elektronischen Medien ist, herauskommen - das interessiert niemanden mehr. Heute sind die Medien in einem hohen Ausmaß Kulturträger - und das soll untersucht werden. Ebenso wichtig ist es, im Bereich der Architektur über die Behaustheit des Menschen zu reden. Es entstehen ja heute ganze Stadt-Landschaften im ländlichen Raum, mit denen man sich auseinandersetzen muss, wo man fragen muss, inwieweit sie das Leben beeinflussen.

Die Furche: Welche Perspektive ist Ihnen beim diesjährigen Forum besonders wichtig?

Busek: Bei allem Wandel gibt es kontinuierliche Aufgaben der Gemeinschaft, denen wir uns zu stellen haben. Denn die Sorge um den Menschen, die bleibt gleich, auch wenn sich die Grundbedingungen verändern.

Das Gespräch führte Cornelius Hell.

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