Die Frage nach dem Vertrauen

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Das Europäische Forum Alpbach steht 2009 unter dem Generalthema „Vertrauen“. Sein Präsident, Erhard Busek, begründet, warum dieses Thema gewählt wurde. „Vertrauen“ wird in den Plenarveranstaltungen in 14 Kapiteln, von Vertrauen in der Kommunkation bis zu jenem in die Justiz oder die Kunst, behandelt.

Das Europäische Forum Alpbach hat seit 1945 eine lange Liste von Generalthemen gehabt, die in einer gewissen Weise den gesellschaftlichen Bezug zur Zeit dokumentieren, aber auch versuchen, Grundsatzfragen der Wissenschaft zu stellen. Das Generalthema 2009, „Vertrauen“, weicht von dieser Linie ab. Meines Erachtens hat es einen emotionalen Bezug, der allerdings eine Widerspiegelung in der allgemeinen Situation von heute findet. Wir werden täglich damit konfrontiert, dass wir das Gefühl haben, in politische Institutionen, wissenschaftliche Erkenntnisse, wirtschaftliche Prognosen etc. kein Vertrauen mehr haben zu können. Das tägliche Erscheinungsbild der Politik, aber auch die mediale Situation sind voll von diagnostizierten Vertrauensverlusten, wobei davon auch das Vertrauen in die Zukunft betroffen ist. Sich mit dem flachen Scherz „die Zukunft ist auch nicht mehr das, was sie einmal war“ zu trösten, hilft wenig.

Alpbach hat ein breit gefächertes Spektrum von Auseinandersetzungen, grundsätzlich bei den wissenschaftlichen Seminaren, aber auch in Bezug auf Politik und Wirtschaft, Gesundheit und Forschung, Baukultur und Banken etc. Es wird die Aufgabe sein, in verschiedenen Bereichen auszuloten, inwieweit der Vertrauensverlust gediehen ist bzw. was die entsprechenden Antworten darauf sind. Das Spannungsverhältnis eines rationalen Zugangs und einer emotionalen Befindlichkeit wird mit Sicherheit der Hintergrund sein, vor dem sich viele den Themen annähern.

Vertrauen – Mittel gegen die Einsamkeit

Eines sei aber klar bemerkt: Ohne Vertrauen kann man nicht leben! Wir müssen Vertrauen zu unseren Mitmenschen haben, bei allen Enttäuschungen und Fragezeichen, die uns dabei begleiten können. Gelingt das nicht, wäre eine unendliche Einsamkeit des Menschen die Folge. Das kann für einzelne Lebensbereiche „hochgerechnet“ werden. Skepsis ist angebracht, insbesondere wenn man die Fehlschläge der Prognosen einkalkuliert, die ohnehin hinlänglich bekannt sind. Unsicherheit hinsichtlich der Wirtschaftswissenschaften ist heute angebracht, denn sehr überzeugend waren die Kritiken nicht, die rechtzeitig vorgebracht wurden. Eher waren es Rufer in der Wüste, als dass es überzeugende wissenschaftliche Analysen gegeben hätte. Das allein ist aber auch schon ein Hinweis auf Verantwortung, der sich niemand in den verschiedensten Lebensbereichen entziehen kann. Im Moment versuchen wir sehr rasch über die Probleme hinwegzukommen. Alles mögliche wird bereits als Silberstreifen am Horizont gedeutet, wobei wieder einmal jene fröhliche Urständ’ feiern, die wissen, dass wir die Krise längst schon überwunden haben. Kennen wir aber die Krise überhaupt? Die Kurzfristigkeit unserer Lebensauffassung führt dazu, dass wir uns der tiefer gehenden Auseinandersetzung oft verweigern.

Wahrheit – Wir drücken uns vor der Antwort

Schon Pontius Pilatus hat die berühmte Frage gestellt: „Was ist Wahrheit?“ Vertrauen haben zu können, ist mit dieser Frage aber auf das Engste verbunden. In unserer lärmigen Zeit versuchen wir zuzudecken, dass wir uns offensichtlich schon um das Bemühen drücken, diese existenzielle Frage zu beantworten. Einige Beispiele seien gegeben: Ist die Verschrottungsprämie wirklich in der Lage, die Krise der Autoindustrie zu lösen? Nein, denn in Wahrheit brauchen wir eine andere Technologie, die ökologisch verantwortungsbewusster ist und die wirkliche Antwort auf die Notwendigkeiten der Mobilität darstellt. Stehlen wir uns nicht um die Einsicht herum, dass wahrscheinlich sehr viel Geld notwendig sein wird – nicht um bestehende Industrien zu erhalten, sondern sie zu verändern. Irgendwo taucht die Diskussion auf, ob nicht Elektrofahrzeuge eine Lösung wären. Keine Frage, eine Umstellung der einschlägigen Industrie (Opel!) kostet sehr viel. Kostet nicht aber die Aufrechterhaltung der gegenwärtigen Struktur noch mehr?

Themenwechsel zur Energie: Russland hat uns jeweils um den Jahreswechsel belehrt, wie abhängig wir von Gas- und Ölreserven sind. Vom Energiesparen ist die Rede, einiges ist auch geschehen. Sind wir aber wirklich auf dem Weg, nachhaltige Lösungen zu finden und auch die politischen Strukturen so aufzustellen, dass es nicht einseitige Abhängigkeiten gibt? Für die Österreicher ist die Atomenergie keine Lösung. Neben der Wasserkraft werden es wahrscheinlich Gaskraftwerke sein, aber wie sichern wir die Versorgung? Natürlich, „Nabucco“ mit der Versorgung aus dem Irak, eventuell aus dem Iran, ist als Lösung im Gespräch. Wie aber sieht eine Politik aus, die eine stabile Versorgung gerade aus dieser Region sichern kann?

Totaler Themenwechsel: Wäre nicht gerade die Zeit dieser Krise eine Notwendigkeit, unser Bildungssystem zu überdenken? Wir beschäftigen uns mit der Frage von zwei Stunden mehr oder weniger Lehrerarbeitszeit, aber bieten wir auch die richtigen Bildungsinstitutionen samt entsprechenden Lehrplänen an? Wäre nicht ein Ausbauprogramm für Ganztagsschulen dringend notwendig, um der veränderten Familiensituation gerecht zu werden? Können also junge Menschen darauf vertrauen, ein Bildungssystem vorzufinden, das den Anforderungen der Zukunft gewachsen ist? An dieser Stelle könnte man dann auch noch mit den sozialen Einrichtungen fortsetzen, denn in immer kürzeren Zeiträumen wird unser Sozialsystem betreffend Gesundheit und Pensionen infrage gestellt. Wie aber sehen die Antworten dazu aus, auf die man auch wirklich vertrauen kann?

Krise – Chance für substanziellere Fragen

Wieder Themenwechsel: Wir müssen sparen – aber geschieht das auch? Wir leisten uns eine opulente Verwaltung mit vielen Ebenen, die oft mehr den Charakter der Selbstbeschäftigung haben. Was ist damit gemeint? Die immer wieder genannte Bundesstaatsreform, die nie stattfindet, weil man von liebgewordenen Einrichtungen Abschied nehmen müsste. Das hat sich sehr deutlich bei der Schulverwaltung gezeigt, aber ich wage auch den Hinweis, dass wir uns auf der Landesebene politische Einrichtungen leisten, für die keineswegs mehr genügend Arbeit da ist. Europa ist eine Wirklichkeit, der Nationalstaat hat eine Funktion, aber brauchen wir auch gut ausgestattete Landesverwaltungsapparate samt Landtagen mit Kosten, die in keiner Relation zu den Ergebnissen stehen?

Es wäre von Vorteil, wenn auf gewisse Weise die Krise noch länger dauerte, damit substanziellere Fragen gestellt werden als die gegenwärtig diskutierten …

Vertrauen hat auch einen transzendentalen Bezug. Die Fragestellung nach dem „Woher und Wohin“ ist gerade bei diesem Thema angebracht. Wer kann uns überhaupt Vertrauen geben, mit Unsicherheiten fertig zu werden? Sind nicht Grundsatzorientierungen wieder gefragt – mehr als es offensichtlich heute der Fall zu sein scheint? Auch das wird ein Thema sein.

Es muss aber auch bemerkt werden, dass die gegenwärtige Situation deutlich zeigt, dass unsere lokalen, regionalen und nationalen Befindlichkeiten längst nicht mehr ausreichen, uns eine Orientierung zu geben. Globalisierung ist kein Diskussionsgegenstand, sondern eine Wirklichkeit. Wie wir sie aber bewältigen und was die Antworten darauf sind, das ist erneut gefragt! Das allein garantiert schon, dass wir in Alpbach 2009 mit dem Thema „Vertrauen“ nicht fertig werden, sondern die Frage bestehen bleibt.

* Der Autor ist Präsident des Europäischen Forums Alpbach

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