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Busek—ohne Populismus

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Draußen vor der Tür bunte Vögel. Drinnen Bilder von Oberhuber und Beuys, Schnitzkerzen aus Polen, ein Hartlauer-Kreuz, eine Kopie irischer Romanik, aus Torf gepreßt. Funktionelle Jetztzeitmöbel. Das Ambiente beschreibt Erhard Busek: gläubig, nüchtern, kultur-, zeit- und weltoffen.

Eine Stunde später wird er zusammen mit Bürgermeister Leopold Gratz auf einer Pressekonferenz sich zu einem gemeinsamen Plan von ÖVP und SPÖ bekennen, Wohnen in Wien wieder erschwinglicher zu machen (siehe Seite 4).

Aber jetzt reden wir von Heinrich Gleißner, der in dieser Nacht gestorben ist. In seinem Sammelband „Mut zum aufrechten Gang" plädiert der Wiener ÖVP-Ob-mann zugunsten größerer Konfliktbereitschaft in der Politik. War Gleißner, der Versöhner, ein Anti-Beispiel?

Busek: „Nein. Integrationsfiguren wie er sind fleischgewordenes Gedächtnis. Bei den Vorbereitungen zum 34er Gedenken hat sich deren Fehlen bemerkbar gemacht ..."

Wie soll man das Gedenken an den Februar 1934 begehen, ohne sich konfliktscheuender Beschönigung schuldig zu machen?

„Indem man sich öffentlich mit der öffentlichen Beurteilung des Parlaments und seiner Rolle befaßt. Indem man nach der Privilegiendiskussion I (wie Politik nicht sein soll) die Privilegiendiskussion II abwickelt: wie Politik sein soll..."

Wie soll sie sein? Entscheidungsfreudiger zum Beispiel. Und was müßte im Sinne eines politischen Themenwechsels rasch entschieden werden? Nach Meinung des Wiener Vizebürgermeisters auf jeden Fall die notwendige Strukturenänderung in der Wirtschaft: „Ohne Eigenkapital kann es keine gesicherte Zukunft geben."

Den Wiener ÖVP-Obmann (und nicht ihn allein), stört, daß so viele Politiker hinter verschlossenen Türen noch immer um so viel anders (vernünftiger) als vor Mikrofonen und Reporterkugelschreibern reden.

Die Journalisten nimmt er aus seiner Kritik nicht aus. (Endlich ein Politiker, der das nicht tut.) Sie biedern sich, indirekt zumindest, den Politikern als Quasi-Zunftgenossen oft an, betreiben Adabei-Journalismus und Gesellschaftsklatsch auch im Parlament: wer mit wem über Hainburg sich in den Haaren liegt -nicht, wie zeitgemäße Energiepolitik aussehen müßte.

Ein dritter Themenbereich für den Themenwechsel: die Außenpolitik. „Eine Form davon betreiben die Diplomaten; eine total andere Form, Bürger-Außenpolitik sozusagen als Gegenstück zu Bürgerinitiativen, betreiben die in der Friedens- und Rüstungsexportdebatte Engagierten, die Touristen und jugendlichen Globetrotter, und die Gastarbeiter-Anstänkerer auf ihre Weise auch.

Der Blick über die Grenzen beT deutet Erhard Busek viel. An die 50 hochkarätige Ausländer hat er via Club „Pro Wien" schon in die österreichische Hauptstadt geholt. Derzeit ist Busek in Mittelamerika unterwegs (parallel zu, aber unabhängig von einer Mock-Delegation der Internationalen Demokratischen Union, IDU): in ' El Salvador, Honduras, Costa Rica, Guatemala und Nikaragua, 19 Tage lang.

Busek hält Österreich nach zwei Seiten hin für besonders verpflichtet: zu den Nachbarn, nicht zuletzt im Osten und Südosten Europas, und zu Lateinamerika — quasi die „katholisch-spanische Konnexion." Und über die Drehscheibe Wissenschaft oder Kultur wäre mindestens so viel Beziehung zu transportieren wie über Politik/Diplomatie.

Apropos Kultur: Zum umstrittenen Achternbusch-Film ist Busek in einer „Wochenpresse"-Rundfrage nur etwas über die Freiheit der Kunst eingefallen. Gibt es auch Grenzen und Schranken? Kann Kunst unmenschlich sein?

Zensur fällt dem Kunstfreund Busek gewiß auch jetzt nicht ein. Aber die Formulierung geht ihm mühelos über die Lippen: „Kunst

kann selbst zum Verbrechen werden." Kriterium ist der Mensch: „Der Schutz des Menschen geht über alles." Und er bedauert, daß man als Politiker nicht einmal mehr sagen soll, ob einem ein Bild oder ein Theaterstück gefällt -wer nicht applaudiert, wird flugs der Gegnerschaft zur Freiheit der Kunst geziehen.

Das klingt alles sehr „unpolitisch" heute. Wirft man dem Erhard Busek nicht auch allzuviel Buhlen um Volksgunst vor? Konkret: Konzessionen an Grüne um parteipolitischer Vorteile willen, manchmal auch auf Kosten der Rationalität?

Busek: „Die alternativen Gruppen haben in der Regel eine ganz gute Abgrenzungsethik. Sie würden nie voreilig sagen: Das ist unsere Partei! Uberzeugen kann man sie nur mit dem, was man tut, nicht mit dem, was man verspricht ..."

Busek glaubt, daß die Zeit der Parteigründungen vorbei ist. Daß sich vordergründiges Taktieren mit Grünen nicht lohnt. Daß es am besten wäre, grünes Gedankengut in alle Parteien zu tragen. Und daß „mehr Rationalität in der Diskussion" wichtig wäre.

Was besorgt macht: daß jene, die aus „grünen" Gründen etablierte Parteien verlassen haben, auch abseits verweilen werden, wenn ihre Idole entlarvt sind.

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