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Darf Gratz mit Busek ?

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Alle Anzeichen sprechen dafür, daß die vom ÖVP-Ob-mann im Wiener Rathaus, Erhard Busek, angebotene „große Koalition" (FURCHE 20/1984) nicht zustande kommen wird.

Dabei hatte es vielversprechend begonnen. Bürgermeister Leopold Gratz hatte am 4. Mai das Signal gesetzt. Uber die rechtliche Situation hinaus, so Gratz, erkläre er sich gerade in Umweltfragen zur Zusammenarbeit auf breitester Ebene bereit. Man solle alles gemeinsam meistern und verantworten.

ÖVP-Vizebürgermeister Busek nahm den Ball auf. Die SPÖ im Wiener Rathaus solle nun Farbe bekennen, wie diese Zusammenarbeit aussehen sollte. Eine effektive Zusammenarbeit ohne Einbindung in die Regierungsverantwortung könne er sich aber nicht vorstellen.

Nun aber spießt sich die Frage der Zusammenarbeit, in welcher Form auch immer, an der Frage der Verfassung. Unmittelbar nachdem Busek seinen Wunsch nach einer Reform der Wiener Stadtverfassung deponiert hatte, begann in der SPÖ der Widerstand gegen eine Zusammenarbeit mit der Wiener ÖVP virulent zu werden.

Kenner der Rathausspitze und der Wiener SPÖ versichern unisono, daß die endgültige Entscheidung bei SPÖ-Obmann Leopold Gratz persönlich liegt. Da mag die Basis - via Bezirksorganisationen — noch so stark gegen die von Busek angestrebte „Koalition" sein. „Wenn Gratz will, dann wird sie verwirklicht."

Angesichts dieses Wissens ist es auch verständlich, daß Erhard Busek den persönlichen Kontakt mit Leopold Gratz sucht und in einem Zweiergespräch die echten Möglichkeiten auslotet.

Der Wiener SPÖ-Obmann kann sich aber nicht vorstellen, daß Teilmitverantwortung und heftige Opposition miteinander verbunden werden können. Busek wiederum verweist auf die „Sachkoalition", die die beiden großen Rathausparteien etwa im Bereich Wohnbau praktizieren.

Der Widerstand an der SPÖ-Basis hat die verschiedensten Beweggründe. In den Stellungnahmen der Bezirksorganisationen heißt es etwa: „Die ÖVP will sich die Zuckerln im Bereich der Stadtverwaltung zukommen lassen", oder „Ein Eingehen auf Bu-seks Koalitionsangebot wäre ein öffentliches Eingeständnis, daß wir, die SPÖ, bei der Bewältigung der kommunalen Probleme versagt haben."

Noch deutlicher sagte das ÖGB-Präsident Anton Benya, diesmal in seiner Eigenschaft als Mitglied der SPÖ-Bezirksorganisation Meidling: „Die Wiener SPÖ hat so große Leistungen vollbracht, daß sie das in der Bevölkerung allein vertreten sollte. Sie hat alle Probleme allein gelöst."

Auch der stellvertretende Wiener SPÖ-Vorsitzende, Außenminister Erwin Lanc, glaubt, daß das Angebot von Busek nicht ernstzunehmen sei.

Benya und Lanc haben in der Wiener SPÖ ein großes Gewicht.

Ihre Aussagen werden es Leopold Gratz schwermachen.

Hinter vorgehaltener Hand fragen sich denn auch ÖVP-Manda-tare im Rathaus und in der Parteizentrale in der Falkestraße, ob denn Busek sein Angebot wirklich ganz ernst gemeint habe, ob nicht die Spekulation dahinter steckt, nach einer Ablehnung der Zusammenarbeit auf eine totale Konfrontation hinzuarbeiten.

Busek signalisierte anfänglich, die Verfassungsänderung sei keine conditio sine qua non. Erst in einem Nachstoß, wenige Tage nach dem „Koalitionsangebot", machte Busek seine Verfassungswünsche wieder geltend. Er schränkte aber insoferne ein, als diese Verfassungsänderung in der laufenden Legislaturperiode ausgearbeitet und damit erst nach der nächsten Wahl in Kraft treten solle. Er möchte offensichtlich nicht Gefahr laufen, bei ersten Differenzen wieder auf die Oppositionsbank zurück zu müssen.

Innerhalb der SPÖ versteht man dieses Festhalten an der Verfassungsänderung nicht. Man verweist darauf, daß auch ohne ein solches Instrumentarium die SPÖ-ÖVP-Koalition von 1945 bis 1973 im Rathaus gehalten hat.

Busek hat nicht zum erstenmal einen Koalitionsvorstoß unternommen. Die Wiener ÖVP ist im Besitz von Meinungsumfragen, die ihr einen laufenden Stimmenzuwachs signalisieren. Von der Mehrheit im Rathaus - und damit von der Regierungsübernahme — trennen sie aber noch Welten.

Den 37 Mandataren der Volkspartei, der höchste Mandatsstand, den die ÖVP je erreicht hat, stehen 61 Mandatare der SPÖ gegenüber. Busek hat seine Partei seit seinem Einzug ins Rathaus, 1976, von 31 Mandaten auf 37 weitergebracht.

Allerdings: Wenn die ÖVP bei jeder kommenden Wahl jeweils drei Mandate dazugewänne, brauchte sie noch bis zum Jahr 2008 für die Übernahme der „ersten Geige".

Daher drängen gerade die .jungen Kräfte" in der Wiener ÖVP jetzt schon danach, zu zeigen, was sie wirklich leisten können. An Sachgebieten bieten sich an: Umwelt, Stadterneuerung, neue Armut, Wirtschaft, Energie, Bürokratie und die Kultur.

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