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Wahlkampftendenz stürmisch

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Schon vor Wochen nannte SPÖ-Meinungsforscher Karl Blecha die Krisenherde im sozialistischen Wahlkampf: Oherösterreich, Salzburg und die Steiermark. In diesen drei Bundesländern hatte die SPÖ sowohl bei den Nationalratswahlen 1970 als auch 1971 ein deutliches Stimmen-Plus vor der ÖVP. Für den 5. Oktober 1975 ist dagegen mit stärkeren Stimmeneinbußen der SPÖ, aber auch der FPÖ zugunsten der Volkspartei zu rechnen. Dabei geht es um nicht mehr als vier Mandate, die, wählten die anderen Bundesländer so wie 1971, gewiß nicht wahlentscheidend wären. Denn auch dann bliebe der SPÖ noch immer eine gut gepolsterte relative Mehrheit mit einem 5-Mandate-Vorsprung vor der ÖVP. Bloß: In diesen drei Bundesländern läuft der Trend deutlich für die ÖVP, in den anderen — sieht man von Kärnten ab — immerhin leicht für die ÖVP.

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Schon vor Wochen nannte SPÖ-Meinungsforscher Karl Blecha die Krisenherde im sozialistischen Wahlkampf: Oherösterreich, Salzburg und die Steiermark. In diesen drei Bundesländern hatte die SPÖ sowohl bei den Nationalratswahlen 1970 als auch 1971 ein deutliches Stimmen-Plus vor der ÖVP. Für den 5. Oktober 1975 ist dagegen mit stärkeren Stimmeneinbußen der SPÖ, aber auch der FPÖ zugunsten der Volkspartei zu rechnen. Dabei geht es um nicht mehr als vier Mandate, die, wählten die anderen Bundesländer so wie 1971, gewiß nicht wahlentscheidend wären. Denn auch dann bliebe der SPÖ noch immer eine gut gepolsterte relative Mehrheit mit einem 5-Mandate-Vorsprung vor der ÖVP. Bloß: In diesen drei Bundesländern läuft der Trend deutlich für die ÖVP, in den anderen — sieht man von Kärnten ab — immerhin leicht für die ÖVP.

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In Vorarlberg dürften die Sozialisten ihren Anteil aus dem Jahr 1971 halten, die ÖVP dagegen auf Kosten der Freiheitlichen Partei dazugewin-nen. In Tirol rechnet keine der drei Parteien mit deutlichen Veränderungen und in Niederösterreich hofft die ÖVP, im marginalen Bereich, also kaum mandatsentscheidend, dazuge-winnen zu können. Im äußersten Osten Österreichs sind Mandatsveränderungen fast mit Sicherheit auszuschließen — so notorisch stabil sind die politischen Verhältnisse irn Burgenland.

Die große Unbekannte im Wahlkampftoto ist und bleibt die Bundeshauptstadt Wien. In den letzten vier Jahren fiel für die SPÖ noch jedes Wahlergebnis besser als das vorhergegangene aus. Glaubte man nach dem überragenden Wahlerfolg von Leopold Gratz bei den Lantagswah-len 1973, daß keine Steigerung mehr möglich sei, so belehrte das überzeugende Votum der sozialistischen

Wähler für Rudolf Kirchschläger am Tag der Präsidentschaftswahl eines Besseren. Allerdings sind heute die politischen Auguren nahezu einhellig davon überzeugt, daß schon seit gut einem Jahr der Trend gegen die SPÖ läuft. Das hängt mit der verhältnismäßig großen Sensibilität des Großstadtpublikums für wirtschaftliche Vorgänge zusammen, liegt aber auch in der Enttäuschung der Wiener Bildungsbürger über den politischen Star Leopold Gratz begründet. Der Tod von Karl Schleinzer und die Wahl von Josef Taus zum ÖVP-Bun-desparteiobmann dürfte in Wien die politischen Fronten noch stärker aufgeweicht haben. Vorerst läßt sich nur aus der allgemeinen yolitischen Stimmung in der Bundeshauptstadt eine sehr deutliche Tendenz für Josef Taus ableiten. Tatsächlich registrieren zahlreiche Wiener ÖVP-Ein-richtungen ein spürbares Interesse am politischen Geschehen im allgemeinen und am Schicksal der ÖVP im besonderen.

Man bemerkt den für Wiener Begriffe verhältnismäßig breiten Zuspruch für die ÖVP am Verhalten der Wiener SPÖ. Sie hat in diesen Wochen mit schärfster Wahlkampfmunition auf die ÖVP und ihren Obmann Taus geschossen. Dabei ist es, wie auch jüngst das Wahlkampfschiedsgericht geurteilt hat, zu Unwahrheiten gekommen. Beweisen wollte die SPÖ, daß die ÖVP „die Wiener arbeitslos machen“ wolle, das Wahlkampfschiedsgericht hat diese Äußerung als „beleidigende Herabsetzung der ÖVP“ verdammt. Jüngste Plakattexte der Wiener SPÖ beschuldigen nun die ÖVP, daß sie glaube, „alles sei käuflich“. Auch mit dieser Behauptung wird sich das Wahlkampfschiedsgericht zu beschäftigen haben.

Wahrscheinlich zielt die Wiener SPÖ mit ihrer Wahlkampfpropaganda an dem für sie interessanten Wählerpotential allerdings vorbei. Daß sich Bürgermeister Gratz in dieser „Schlammschlacht“ besonders engagiert, muß als Zeichen innerer und äußerer Nervosität der Wiener SPÖ aufgefaßt werden. Wahrscheinlich werden auch zweihundert Wahl-kampfauftritte des Wiener Bürgermeisters und SPÖ-Landesobmannes nicht gutmachen können, was durch einige agressive Worte Möglicherweise an Schaden angerichtet wurde.

Auf dem Höhepunkt des Wiener Wahlkampfes hat sich aber eine zweite Front eröffnet: äußerst empfindlich reagierte Gratz auf den Vorwurf seines Salzburger Kollegen Lechner, der in Anspielung auf die Kreisky-These der landespolitischen „Versteinerung“ durch Koalitionsregierungen die Wiener Kommunalpolitik kritisierte. Gratz drohte daraufhin, der Republikfeier der Bundesländer fernzubleiben. Auch dieser Vorfall belegt den Eindruck der Nervosität im sozialistischen Lager Wiens.

Wahlkampfauseinandersetzungen ohne aggressive Note sind freilich nicht nur undenkbar, sie wären auch unnatürlich. Wo gehobelt wird, und das wird nun einmal in Wahlkämpfen von der Spitze bis zur Basis, da fallen auch Späne. Problematisch ist es nur, wenn diese Späne nicht den Wahlkampfgegner, sondern die Demokratie treffen.

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