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Wenn nicht noch etwas völlig Unvorhersehbares geschieht, wird der (Wahl-) Kampf um Wien im Oktober 1978 eine Neuauflage des Wiener Landtagswahl-Dreikampfes zwischen Leopold Gratz, Fritz Hahn und FPÖ-Hirnschall bringen Für die Wiener Sozialisten stand ihr Spitzenkandidat nie in Frage. Man hat in Leopold Grate eine ideale Wahlkaimpf-Loko-motive, die — wie sich nach den ersten tausend Tagen Gratz in der Kommunalpolitik zeigt — gar nicht daran interessiert 'ist, irgendwelche Kreise zu stören.

Die “Wiener FPÖ — eine organisatorisch fast inexistente Partei — dürfte sich erneut auf Alfred Hirnschall einigen. Seine Schuld ist es ganz gewiß nicht, wenn er bislang als Spitzenkandidat nie zu reüssieren vermochte. Der sympathische und fleißige Kommunalpolitiker wird an den menschlichen Eigenschaften und dar politischen Grundsatztreue der FPÖ-Spitzen vom Schlag eines Friedrich Peter und Tassilo Brösigke gemessen — und fällt dann durch. Auf diese Weise büßen Alfred Hirn-scball und die Wiener FPÖ schon bald zehn Jahre für die Sünden der FPÖ -Bunde sfühnuug.

Nach sehr langem Hin und Her scheint nun in der Wiener Volkspar-tei die Entscheidung für ihren Spitzenkandidaten Fritz Hahn gelaufen zu sein. Noch vor wenigen Monaten wurden ÖVP^Generalsekretär Erhard Busek, Venkahrssprecher Fritz König und auch Ex-Generalsekretär Herbert Kohlmaier als sichere Tips für die ÖVP-Spitzenkandidatur gehandelt. ÖVP^Bundesobmann Taus vermittelte in zahlreichen Gesprächen zwischen den potentiellen Spitzenkandidaten und ihren Sponsoren. Der Ohnedies stark resignierte Herbert Kohlmaier schied als erster aus dem Hahn-Nachfolge-Spiel, dann zog sich Fritz König zurück. Erhard Busek, der wahrscheinlich einzige ernsthafte KanidSdat, wollte von Beginn an nicht erwähnt werden. Einmal hält er es nicht für klug, alle zwei Jahre zentrale politische Ämter au wechseln, das anderamal hat er sich über die Erfolgsaussicbten eines ÖVP-Spitzenkandidaten in Wien nie

große Illusionen gemacht. Das hängt .auch mit der Struktur und) politischen Kultur einer Landaspartei-organisation zusammen, deren Spitzen angesichts des 'klaren Vorsprungs der Wiener Sozialisten und der starren Haltung der Wiener Wähler von einer Ohnmacht in die andere getrieben wenden.

Nach eingehenden Diskussionen mit dem ehrgeizigen Wiener Wirt-schaftslbundolbrnann Karl Dittrich,

der so gerne in Wien hätte Königsmacher spielen wollen, fiel die Vorentscheidung für Fritz Hahn, einen gedienten Partei-Soldaten — treu und brav. Auch bieder, wie man ihm vorwirft, und nicht gerade attraktiv für jene Schichten, die der Wiener Volkspartei bei der nächsten Landtagswahl mehr Mandate, mehr Einfluß, mehr Entscheidungsgewalt in der Bundeshauptstadt verschaffen sollen.

Sicher, Hahn braucht nicht der „ideale“ Spitzenkandidat der Wiener ÖVP zu sein. Nur: In den letzten

dreißig Jahren hat die Wiener ÖVP viel versucht, Spitzenkandidaten von sehr unterschiedlichem Profil probiert, und sowohl die Partei als auch ihre Spitizenkandjdaten sind dabei fast regelmäßig unter ihremi Wert geschlagen worden. Zuletzt 1973 auch Fritz Hahn, einer der erfolgreichsten Enttarner des sogenannten Rathaus-Systems, das es den Wienern oft so schwer macht, auf ihre Stadt stolz zu sein.

Sicher ist auch: Mit Hahn steigt die Wiener ÖVP unter wesentlich geänderten Bedingungen in den nächsten Wahlkiampf. Diese Partei hat sich seinerzeit unter sehr viel Weh und Ach für die Opposition zum Rathaus-System entschieden und trotz allen Verlockungen der Macht auch daran festigehalten. Sie hat auch als Oppositionspartei nicht nur geglänzt, doch immerhin den Hauptanteil daran, daß heute nun doch einiges Licht in das Dunkel des Bauring-Skandals, der Pleite mit dem Allgemeinen Krankenhaus und die Machtverhältnisse im Wiener Rathaus leuchtet. Es ist ihr anderseits nicht gelungen, am Erscheinungsbild des Wiener Bürgenmeisters Gratz zu kratzen. Hahn äst als Oppositionssprecher an dieser Aufgabe gescheitert.

Dennoch ist vom Bildnis des Leopold Gratz viel Lack gefallen. Und es darf damit gerechnet wenden, daß im Zuge der nächsten Bauring-Aufdeckungen auch er, der, wie heute schon feststeht, viel früher und viel mehr gewußt 'hat als er zugibt, noch mehr Lack einbüßen wird. Möglicherweise geht die Rechnung Hahns und der Wiener ÖVP rechtzeitig auf.

Will sie das, sollte sie sich nicht darauf beschränken, allein in Reinhold Suttner uodi einigen anderen verhäiltnismäßia unbedeutenden Randfiguren die Schuldigen an den kostspieligen Skandalen zu suchen. Wie immer man heute zur Wiener ÖVP steht: Ein Wachstum ihres Einflusses auf die Wiener Kommunalpolitik auf Kasten der Wiener Sozialisten wäre ein wichtiger Beitrag zur Demokratisierung in Wien.

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